Außenminister ohne Zeitdruck bei Wahlkampfauftritt in Eschweges Innenstadt

Eschwege. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) und sein Stellvertreter Michael Roth, Europaminister und Wahlkreisabgeordneter, waren am Samstagmorgen zum Wahlkampfauftritt in der Eschweger Innenstadt.
Der Wahlkampfauftritt ging ungewöhnlich los. Einen Bundespolitiker, der über eine Viertelstunde zu früh auftritt, gibt es selten. Der Vize-Kanzler hat es am Samstagvormittag geschafft - und hatte noch Zeit für einen entspannten Kaffee im Eiscafé auf dem Marktplatz. Und auch der Gang über den Wochenmarkt war nicht selbstverständlich. Für Gabriel und Roth waren es gute Gelegenheiten, Volksnähe zu zeigen. Ein Plausch mit den Marktbeschickern hier, ein Schwätzchen mit den sichtlich überraschten Marktbesuchern da. Solch einen Besuch am Samstagmorgen, mit reichlich Personenschützern im Hintergrund, hatten die Wenigsten hier erwartet.
Mit reichlich Zeitpolster erreichte Gabriel den Ort seines Wahlkampfauftritts am Eschweger Stad. Hier hatten sich alle großen Parteien mit ihren Wahlkampfständen positioniert. Mit dem scheidenden Bundestagsabgeordneten Helmut Heiderich (CDU) traf Gabriel gleich einen Bekannten. Man kennt sich. Bei Linken und Grünen schüttelt er kurz der politischen Basis am Wahlstand die Hände. Den Smalltalk beherrscht er so gut, dass selbst die "anderen" sagen: "Der ist ganz locker und symphatisch."
Der heimische Wahlkreisabgeordnete Michael Roth übernimmt auf der kleinen Bühne vor dem SPD-Stand die Moderation des Morgens. Sigmar Gabriel legt anschließend gleich los und weiß, was die 350 Zuhörer in der Spitze in der Eschweger Fußgängerzone hören wollen. Dass sich das Leben in der Mehrheit nicht in Großstädten abspielt, dass gleiche Lebensbedingungen in ganz Deutschland herrschen müssen, dass man mehr Finanzmittel für den ländlichen Raum bereitstellen müsse. Erster Beifall.
Dann wird der Außenminister internationaler. Die Verdopplung des Rüstungsetats wie von der USA gefordert empört ihn. Dass CDU, CSU und FDP beschlossen haben mitzumachen, noch mehr. Zu Europa gibt es ein klare Bekenntnis. Überlegungen, Deutschland verabschiede sich aus der EU oder vom Euro bezeichnet er als "Quatsch". "Das gefährdet die Zukunft unserer Kinder", sagt er und blickt dabei auf die kleine Mila, die er immer wieder als Sidekick in seinen Auftritt miteinbezieht. Das Publikum wird weniger. Ausführungen über gerechte Löhne und Bildungspolitik folgen.
Nach einer halben Stunde ist der erste Teil seines Auftritts vorbei. Gabriel macht Platz für die, denen er mit seinem Auftritt helfen will: Landrat Stefan Reuß (SPD), der als einziger Kandidat ("Ich sehe das als Kompliment") am 24. September bei der Landratswahl antritt und Michael Roth.
Roth hatte indes eine Wette laufen. Mit der Heimatzeitung wettete er, dass Gabriel keine Phrasen dreschen würde. 15 Politiker-Platitüden durfte er nicht verwenden. Gabriel hielt diese 15 Phrasen ein. Eine Kindergruppe darf sich jetzt über eine Runde Eis freuen.
Nach einer Stunde war für Gabriel alles vorbei. Er ging - und nicht nur, weil der Regen kam.