Polizeisprecher Jörg Künstler im Interview: „Die Einwohner halten sich an die Vorgaben“

Seit Sonntag gelten strengere Ausgangsregeln. Wie erleben Polizisten die Situation? Polizeisprecher Jörg Künstler hat unsere Fragen beantwortet.
Wie hat sich der Dienstalltag der Polizei durch die Corona-Krise verändert?
Das alltägliche Aufkommen ist stark zurückgegangen – sei es im Bereich der Verkehrsunfälle, der Eigentumskriminalität oder beim allgemeinen polizeilichen Einschreiten.
Fährt die Polizei vermehrt Streife, um die Ausgangsregeln zu kontrollieren?
Wir haben unsere Aufgabenschwerpunkte verlagert: Örtliche Polizeistreifen überwachen die Einhaltung der Vorgaben und setzen sie gegebenenfalls konsequent durch.
Kontrollieren Sie auch Gaststätten?
Grundsätzlich sind nach dem Infektionsschutzgesetz die Gesundheitsbehörden sowie nach der jüngsten Verordnung der Landesregierung die örtlichen Ordnungsbehörden zuständig, geeignete Maßnahmen zu treffen. Die Polizei kann Vollzugshilfe leisten. Darüber hinaus wird die Polizei auch zur Gefahrenabwehr eigenständig tätig und nimmt sich grundsätzlich der Verstöße gegen die Verordnung an.
Halten sich die Menschen an die Einschränkungen?
Erfreulicherweise war im Werra-Meißner-Kreis bislang kein größeres polizeiliches Einschreiten nötig. Die Einwohner halten sich an die Vorgaben, sodass es in ganz wenigen Einzelfällen ausreichend war, Personengruppen anzusprechen – die auch einsichtig waren. Das Ziel der Polizeibeamten ist, solche Situationen im Gespräch zu lösen.
Und wer sich nicht an die Regeln hält?
Wenn der kommunikative Ansatz nicht zum Erfolg führt, sind am Ende Strafvorschriften und Ordnungswidrigkeiten berührt. Hier sind unterschiedlichste Szenarien denkbar: Ansammlungen von mehr als zwei Personen, geöffnete Gaststätten, private Partys oder Personen, die unter Quarantäne stehen und sich nicht an die Verfügung halten. Das polizeiliche Einschreiten ist somit situativ: Sollten sich Betreiber von Bars, Fitnessstudios oder Gaststätten nicht an die Verordnungen halten, werden die Ordnungsbehörden oder die Polizei konsequent dagegen vorgehen. Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz werden konsequent verfolgt.
Jetzt hocken viele Menschen daheim aufeinander: Ist zu erwarten, dass die Polizei nun häufiger zu Fällen von häuslicher Gewalt gerufen wird?
Die Befürchtung wird oft geäußert, dass nun die Vorfälle von häuslicher Gewalt bis hin zu Ruhestörungen und Randale zunehmen werden. Bis Mittwoch wurde kein derartiger Fall der Polizei bekannt.
Im Landkreis Northeim wurde ein Polizist positiv auf das Coronavirus getestet, nun sind dort vier Polizeistationen geschlossen. Was würde bei einem ähnlichen Fall im Werra-Meißner-Kreis passieren?
In den Polizeipräsidien wurden Koordinierungsstäbe eingerichtet, die alle strategischen, organisatorischen und personellen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten und zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs zentral steuern. Ab sofort gilt zudem ein Vier-Schicht-Betrieb. Es wird darauf geachtet, dass alle Bediensteten möglichst wenig Überschneidungen haben, um die Infektionsgefahr zu minimieren. Falls sich ein Vorfall wie im Kreis Northeim ereignen sollte, würden Personalausfälle durch Personalverschiebungen innerhalb der Präsidien oder durch Zuweisungen von Kräften der Bereitschaftspolizei kompensiert.
Jörg Künstler (55) ist Pressesprecher der Polizeidirektion Werra-Meißner. Der Kriminalhauptkommissar ist seit den 1990-er Jahren im Landkreis tätig.