Eschweger Posaunenchor feiert 130. Geburtstag mit Konzert

Ende des 19. Jahrhunderts wurde es modern, sich in Vereinen zu organisieren. Auch kirchliche Vereine wurden gegründet, wie 1892 der Eschweger Posaunenchor, den Pfarrer Friedrich Arnold ins Leben rief.
Eschwege – In der Kreuzkirche in Eschwege feierte der Bläserchor nun seinen Geburtstag mit einem Festgottesdienst: 130 Jahre. Offenbar entstand der Posaunenchor aus dem Eschweger „Jünglingsverein“ heraus, der später zum CVJM wurde.
Jedenfalls wurden im August 1892 rund 55 Mark gesammelt, um Posaunen anschaffen zu können. Kaum einer der heute noch in Deutschland aktiven Posaunenchöre hat eine so lange Geschichte. „Über 100 000 Menschen spielen in Deutschland in einem Posaunenchor“, schreibt der Chor in seiner Festschrift. „Die Posaunenchöre zählen damit zu den größten Laienbewegungen der Evangelischen Kirche.“
Nach dem Ersten Weltkrieg hatte der Chor 20 Mitglieder – junge Männer. Erst auf einem Bild von 1962 ist auch eine junge Frau zu sehen. Ab 1977 leitete Siegfried Neuber die Bläser an und kümmerte sich um die Nachwuchsarbeit. Zur Tradition wurde jetzt das „Grenzblasen“. Jeweils am ersten Weihnachtag bliesen die Bläser Weihnachtslieder über den DDR-Grenzzaun hinweg in Richtung Kella – einen Gruß, über den sich die dortigen Bewohner sehr freuten.
An Weihnachten 1989 konnten die Posaunenbläser schließlich auch in Kella an der Kirche spielen. Ab 1991 kümmerte sich Dr. Friedbert Ruff um die Aufrechterhaltung der Übungsstunden, ab 1996 Friedrich Hönsch, ab 2001 Jürgen Schuppner. Ihnen sei es zu verdanken, dass der Chor in dieser Zeit nicht „verwilderte“, wie Landeskirchenmusikdirektor Martin Bartsch sagte. Seit 2004 hat der Chor mit Spezialkantor Andreas Bartram wieder einen Profi als Leiter, der bis heute aktiv ist. 2017 erhielt der Chor die vom Bundespräsidenten gestiftete Pro-Musica-Plakette.
Im Festgottesdienst wies Dekanin Ulrike Laakmann auf die besondere Bedeutung der Posaunen in den biblischen Texten hin. Eine völlig neue Situation sei in den vergangenen Jahren allerdings mit dem Beginn der Pandemie eingetreten. „Plötzlich gab es eine Generalpause, eine ganze Gesellschaft kam ins Stoppen“, sagte die Dekanin. „Unser Lebensgefühl hatte sich grundlegend geändert, den Menschen war buchstäblich die Luft ausgegangen, eine Verunsicherung, die bis heute spürbar ist.“
Doch die Musik verstummte in dieser Zeit nie. 73 Mal wurde stattdessen von Fenstern und Balkonen geblasen, gemeinsames Musizieren am Abend mit dem berühmtesten Abendlied von Matthias Claudius „Der Mond ist aufgegangen“. Durch die Musik würden Geist und Kraft hörbar und könnten durch den Menschen spürbar hindurchgehen.
Besonders die Trostkraft der Musik werde gebraucht. Denn jetzt füllten sich die Krankenstationen schon wieder. Das Spektrum ihres Könnens breiteten die Bläser während des Konzerts aus, zeigten, dass sie neben den getragenen Kirchenliedern strahlende Hymnen wie „Sonne der Gerechtigkeit“ oder Up-Tempo Pop-Titel wie „Perfect“ von Ed Sheeran spielen können. Sie schlossen schwungvoll mit „Weites Land“ in einer speziell für Posaunen adaptierten Version.