Musikerin Joanna Gemma Auguri: Mit traurigen Liedern glücklich machen

Im „Wilden Werk“ in Niddawitzhausen, dem Atelier und der Werkstatt der dort aktiven Künstler und Kulturinteressierten, stellte Joanna Auguri ihr neues Album vor ausverkauftem Haus vor.
Niddawitzhausen – Akkordeon und Zitter sind die Instrumente der Wahl von Joanna Gemma Augiri. Und sie lässt vor allem die dunklen Töne sanft und mystisch vor sich hin brummen wie einen Bordunton, der von federleichten Elementen umspielt wird. Jede noch so unwahrscheinliche Sitzgelegenheit in der alten Scheune ist belegt. Das Publikum lauscht Mucksmäuschenstill und nippt beiher am Rotwein. „Wenn die Welt im Chaos versinkt, dann gehe ich gerne am Strand spazieren“, sagt die Sängerin und lässt das Akkordeon dunkel aufseufzen. Man sieht sie vor sich, wie sie sich, allein an einem menschenleeren Strand an der Ostsee, gegen den pfeifenden, kühlen Wind stemmt, der Himmel ist bedeckt mit schweren Wolken, leichter Regen fällt heraus. Ihre Musik ist der passende Soundtrack für diese Stimmung. „Traurige Musik macht glücklich, das ist erwiesen“, sagt die Musikerin (und die Autorin dieses Textes, die zu trauriger Musik am besten schreiben kann, nickt innerlich voller Zustimmung). Sie zielt in jedem Fall genau auf die Emotion und lässt die inneren Bilder in Gang kommen. In der Tiefe ihrer Lieder suche sie jedoch immer ein hoffnungsvolles Leuchten, welches durch die Dunkelheit trage. Um eine Vorstellung vom Klang zu bekommen: Die Musik von Joanna Gemma Augiri klingt wie Loreena McKennit – nur eben in Moll. Die dänische Sängerin Astrid Obel wäre zu nennen oder die deutsche Band Persephone. Die Klänge sind schwebend, außerweltlich, märchenhaft. Sie regen zum Träumen an, sich zurücklehnen und die Augen schließen. Aus dem traditionellen Songwriting will die Künstlerin ausbrechen und ihren eigenen Ausdruck finden. Selbstgespräche mit dem Unbewussten führt sie auf ihrem Album. Und im Kontrast zur digitalen Hochglanz-Welt soll ihre Musik pur und selbstgemacht sein. Deshalb hat sie ihre Aufnahmen auch auf Tonband eingespielt.
Beim Live-Konzert kommt sie ohne etwas digitale Unterstützung allerdings nicht aus. Es klingt auch märchenhafter, wenn sie über das Mischpult im Duett mit sich selbst singen kann oder Rhythmuselemente noch ein wenig nachhallen. Zwischendrin erzählt sie, wie und wo die Lider entstanden sind: In einer einsamen Bucht in Neuseeland, in Indien an der Quelle des Ganges. Diese Einflüsse kann man in den getragenen, sphärischen Melodien hören. Wasser und Wald spielten eine bedeutende Rolle für die Musikerin. Überhaupt die Natur. Aufgewachsen in Polen und Deutschland, habe sie ihre beste Zeit immer draußen auf dem Lande verbracht. Da ist sie in Niddawitzhausen genau am richtigen Ort angekommen.
Und als der letzte Ton verklingt, brandet tosender Applaus auf in der Scheune. Die Melancholie hat gewirkt, das Publikum ist glücklich, geradezu verzückt. Hans Sterzinger, Niddawitzhäuser Urgestein vom Heimatverein, ist im Sofa versunken und lächelt jetzt versonnen. „Ich habe ein bisschen geweint zwischendurch“, sagt er. Aber jetzt geht es ihm gut. Musik für die Seele. Tanja Wild, die die Künstlerin ins Wilde Werk eingeladen hat, ist begeistert von der großen Resonanz, die das erste Konzert gefunden hat. Künftig wollen die Künstler aus dem Dorf öfter Einflüsse von außen präsentieren.
Und am Lagerfeuer im Hof hängt immer noch der Kessel, und darin blubbert es. Es ist noch Suppe da für die hungrigen Konzertbesucher. (Kristin Weber)