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Mordurteil aufgehoben: Bundesgerichtshof sieht Fehler bei Entscheidung des Landgerichts Hanau

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Die mutmaßliche Sekten-Chefin wird nach dem Prozess um den in einem Sack getöteten Vierjährigen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Der Bundesgerichtshof hebt das nun auf.

Hanau/Karlsruhe – Knapp eindreiviertel Jahre nach dem Mordurteil des Landgerichts Hanau gegen die mutmaßliche Sekten-Chefin Sylvia D. im Prozess um den in einem Sack erstickten vierjährigen Jan hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Entscheidung aufgehoben.

Mit einem am Montag (23. Mai) bekannt gewordenen Beschluss sei das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Frankfurt zurückverwiesen worden, teilte das Landgericht Hanau mit. Dort war das Verfahren ursprünglich verhandelt worden. In Hanau läuft auch noch ein Prozess gegen die Mutter des getöteten Kindes.

Sekten-Mord in Hanau: Bundesrichter sehen „innere Tatvorstellung“ nicht belegt

Die Hanauer Strafkammer hätte sich aus Sicht der Bundesrichter im Prozess gegen die mutmaßliche Sekten-Chefin eingehender mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob es sich „um eine Tötungshandlung durch aktives Tun oder eine solche durch Unterlassen handelte“.

Darüber hinaus sei bei der Feststellung des angeblichen Tötungsvorsatzes der Angeklagten nicht ausreichend auf deren Vorstellungen vom Tatablauf eingegangen worden, heißt es in der Mitteilung. Stattdessen sei „unzulässig auf vorhergehendes Handeln - Anweisungen an die Mutter des Kindes - abgestellt worden, ohne gleichzeitig die zu diesem Zeitpunkt geltende innere Tatvorstellung zu beschreiben und beweismäßig zu belegen“, befanden der BGH laut Mitteilung des Landgerichts. Die Bundesrichter hätten zudem gefordert, die Schuldfähigkeit der Angeklagten müsse erneut überprüft werden.

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil im Prozess um den Sekten-Mord in Hanau kassiert. (Symbolfoto)
Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe kassiert das Urteil im Prozess um den Sekten-Mord in Hanau. (Symbolfoto) © Uli Deck/dpa

Sekten-Mord in Hanau: Anführerin ursprünglich zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt

Das Landgericht Hanau hatte die damals 73 Jahre alte mutmaßlich Sekten-Anführerin am 24. September 2020 wegen Mordes an dem vier Jahre alten Jan zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Richter sahen es nach einem einjährigen Prozess als erwiesen an, dass D. den Jungen am 17. August 1988 in einem über dem Kopf verschnürten Leinensack ersticken ließ, obwohl sie gewusst habe, dass er in Lebensgefahr gewesen sei und seine Schreie gehört habe. D. habe seinen Tod nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern vorsätzlich und aus niedrigen Beweggründen gehandelt. Der Junge wurde ohnmächtig und erstickte an seinem Erbrochenen.

Das Hanauer Landgericht verurteilte die mutmaßliche Sekten-Chefin, die in dem Jungen eine Reinkarnation Hitlers sah, zu lebenslanger Haft. Der mehr als 30 Jahre zurückliegende Fall wurde 2015 nach Hinweisen und Aussagen von Sektenaussteigern neu aufgerollt. Bis dato hatte der Tod des Vierjährigen als Unfall gegolten. Die mutmaßliche Sekten-Chefin hatte gegen das Urteil Revision eingelegt.

Sekten-Mord in Hanau: Auch gegen Mutter des Kindes läuft ein Prozess

Vor dem Landgericht Hanau läuft seit Mitte September 2021 ein Prozess gegen die Mutter des vierjährigen Jan, die ebenfalls wegen Mordes an dem Kind angeklagt worden war. Die Staatsanwaltschaft hatte ihr vorgeworfen, den Jungen in den Sack gesteckt, diesen zugeschnürt und in die Obhut der mutmaßlichen Sekten-Anführerin gegeben zu haben – mit den tödlichen Folgen.

Vor einigen Wochen hatte das Landgericht, wie berichtet, den Haftbefehl gegen die Mutter außer Vollzug gesetzt, da nach Stand des Prozesses „kein dringender Tatverdacht mehr“ bestehe für einen gemeinschaftlichen Mord. Auch für eine Beihilfe zum Mord gebe es „keine gewichtigen Anhaltspunkte“. Der Prozess gegen die Mutter wird heute fortgesetzt. (dpa/AFP/cs./gha)

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