Al-Wazir sieht „Trendwende“ beim Sozialwohnungsbau in Hessen - Mieterbund kritisiert Aussage

Bis 2024 stellt Hessen insgesamt 2,2 Milliarden Euro für sozialen Wohnbau bereit. Minister Al-Wazir spricht von einer „Trendwende“ – Kritik gibt es dennoch.
Wiesbaden – Der jahrzehntelange Rückgang von Sozialwohnungen in Hessen ist gestoppt. 2021 habe es erstmals seit Mitte der 1990er Jahre wieder mehr Sozialwohnungen als im Vorjahr gegeben, teilte Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) am Mittwoch (26.01.2022) in Wiesbaden mit.
Ende des vergangenen Jahres habe es in Hessen insgesamt 80.515 Sozialwohnungen gegeben. Das seien fast 800 mehr als noch im Jahr 2020. Diese positive Entwicklung habe sich bereits in den Jahren zuvor angekündigt. „Jetzt ist die Trendwende geschafft“, sagte Al-Wazir. Sowohl die Mittel für die Wohnraumförderung als auch die Förderkonditionen hätten sich deutlich verbessert.
Wichtig seien die langfristigen Perspektiven, betonte der Minister. Im Vergleich zum Jahr 2011, in dem 54 Millionen Euro für den Bau geförderter Wohnungen bereitgestellt worden waren, habe sich die Summe im Jahr 2021 auf 370 Millionen Euro belaufen. „An fehlenden Fördermitteln scheitert der soziale Wohnungsbau in Hessen nicht mehr“, erklärte der Wirtschaftsminister.
Hessen: 2,2 Milliarden für Sozialwohnungen und Förderungen
Bis 2024 stellt das Land Hessen nach seinen Angaben für die soziale Wohnraumförderung insgesamt 2,2 Milliarden Euro bereit. Damit werde nicht nur der Neubau von Sozialwohnungen bezuschusst oder mit Darlehen unterstützt, sondern auch Wohnungsmodernisierungen und Wohnheimplätze für Studierende ermöglicht.
Belegungsrechte für sozialen Wohnraum in Hessen würden ebenfalls weiter erworben. Auf diese Weise werden unter anderem Sozialwohnungen erhalten, die sonst aus der Bindung fallen würden. „Wir haben die Mittel für den Erwerb von Belegungsrechten verdreifacht“, sagte Al-Wazir. Im Jahr 2022 würden erneut 14 Millionen Euro dafür zur Verfügung stehen.
2021 sei ein Rekordjahr bei der Förderung von Sozialwohnungen gewesen, berichtet der Wirtschaftsminister. Es seien allein 340 Millionen Euro für den Neubau von 1753 Sozialwohnungen in Form von Darlehen und Zuschüssen zugesagt worden. Knapp drei Viertel der neuen Sozialwohnungen werden in den inzwischen 37 Partnerkommunen des „Großen Frankfurter Bogens“ entstehen. Außerdem lägen mehr als die Hälfte der Wohneinheiten, für die das Land 2021 Geld für den Erwerb von Belegungsrechten bereitgestellt hat, in diesen Partnerkommunen. Die Stadt Frankfurt* selbst plant zudem einen ungewöhnlichen Schritt in Sachen soziales Wohnen. In Luxushochhäusern soll günstiger Wohnraum geschaffen werden*.
Hessen: Sozialwohnungen im „Großen Frankfurter Bogen“
Der „Große Frankfurter Bogen“ war im Jahr 2019 ins Leben gerufen worden, um den Wohnungsbau im Rhein-Main-Gebiet anzukurbeln. Auch die Umsetzung eines Baulandmobilisierungsgesetzes für weitere Erleichterungen sorgen. Das Gesetz sei auf Bundesebene beschlossen worden, so Al-Wazir.
Hessen werde außerdem eine Verordnung auf den Weg bringen, durch die Mieter stärker vor einer Umwandlung ihrer Miet- in eine Eigentumswohnung geschützt werden. Voraussetzung dafür sei, dass es sich um ein Gebäude mit mehr als sechs Wohnungen handelt. In den 49 hessischen Kommunen mit einem angespannten Wohnungsmarkt müssen solche Umwandlungen zukünftig von den Kommunen genehmigt werden, erklärte der Minister. Von diesem unmittelbar geltenden Umwandlungsvorbehalt werden dann Mieterinnen und Mieter in den 49 Städten und Gemeinden in Hessen profitieren, in denen auch die Mietpreisbremse gilt.
Sozialwohnungen in Hessen: Keine Trendwende, sondern Nachholeffekt?
Allerdings melden sich auch kritische Stimmen zu Wort: Der Landesverband Hessen des Deutschen Mieterbundes und der DGB Hessen-Thüringen äußerten sich skeptisch, ob man von einer echten „Trendwende“ beim Sozialwohnungsbau sprechen könne. Nach Einschätzung des Gewerkschaftsvorsitzenden Michael Rudolph basiert die positive Entwicklung der öffentlichen Wohnraumförderung überwiegend auf einem Nachholeffekt: Viele Antragssteller hätten lediglich auf die neuen Förderrichtlinien mit verbesserten Konditionen gewartet.
Langfristige Verbesserungen seien nur durch grundlegende Reformen wie etwa die Einführung dauerhafter Sozialbindungen erreichbar, mahnte Rudolph. Der Vorsitzende des hessischen Mieterbundes, Gert Reeh, forderte, dass die Fördermittel für den Bau von Sozialwohnungen noch stärker und vor allem langfristig erhöht werden müssten. Außerdem müsse mit vereinten Kräften alles dafür getan werden, dass Sozialwohnungen auch dauerhaft Sozialwohnungen blieben und nicht irgendwann wieder auf dem freien Wohnungsmarkt landen können.
Auch die Fraktion der Linken erklärte, dass von einer „Trendwende“ nicht die Rede sein könne. Der Wohnungsbauexperte Jan Schalauske machte sich deshalb für ein umfangreiches Sozialwohnungsbauprogramm zugunsten öffentlicher Wohnungsunternehmen stark: Notwendig seien 10.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr. Der FDP-Abgeordnete Stefan Naas betonte, dass die Städte und Gemeinden für ihre Baupolitik ein stabiles Fundament benötigten, weil sie die Folgekosten im Blick haben müssen. Deswegen müsse es Verbesserungen im kommunalen Finanzausgleich geben. (na/dpa/lhe) *fnp.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.