Trassenverlauf noch unklar: Höchstspannungsleitung teilt Hessen
Eine geplante Höchstspannungsleitung teilt Hessen - doch noch ist nicht ganz klar, wo. Ungewöhnlich: Der Widerstand hält sich in Grenzen. Aber es gibt ihn - in den Details.
Eigentlich ist schon fast alles entschieden, aber eben noch nicht ganz. Dass eine 380-Kilovolt- Höchstspannungsleitung durch Nordhessen gebaut wird, daran führt kein Weg mehr vorbei. „Das ist Gesetz“, sagt Wolfgang Kaivers, Leiter der Regionalplanung beim Regierungspräsidium in Kassel.
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Seit Mai 2010 ist das Vorhaben Teil eines sogenannten Raumordnungsverfahrens. Die Leitung werde benötigt, um Strom aus erneuerbaren Energien im Netz zu etablieren, sagt die Sprecherin des Netzbetreibers TenneT, Joelle Bouillon. Das Unternehmen plant und baut die Höchststromleitung. 2015 soll der Strom erstmals fließen. „Wir sind zeitlich im Plan“, sagt Bouillon.
2009 hatte die Bundesregierung ein Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen namens EnLAG beschlossen. Der Netzausbau soll den Stromtransport aus Windkraft und anderen Öko-Energien vom Norden in die großen Ballungszentren im Süden und Westen Deutschlands sowie den europaweiten Stromhandel erleichtern. Im EnLAG ist als Nummer 6 von 24 Vorhaben die Leitung vom niedersächsischen Wahle ins hessische Mecklar aufgeführt.
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Höchstspannungsleitung: Ost-Trasse weiter aktuell
Start und Endpunkt stehen also fest - der 190 Kilometer lange Weg dazwischen allerdings noch nicht. Denn noch ist unklar, ob die Trasse in Hessen eine Ost- oder Westroute nehmen soll. „Von unserer Seite sind beide Varianten gleichrangig“, sagt Sprecherin Bouillon. Niedersachsen, das die Trasse an Hessen übergibt, ist für die Osttrasse. Doch die ist wegen der Vogelschutzgebiete in Hessen fast unmöglich. Deshalb spricht viel für die Westtrasse. Eine Entscheidung ist offiziell jedoch noch nicht verkündet.

Ob Ost oder West - der Naturschutzbund BUND sieht noch eine dritte Möglichkeit. Er behauptet, die Leitung sei nicht nötig, wenn die Atomkraftwerkslaufzeiten nicht verlängert und neue Kohlekraftwerke nicht gebaut würden. „Nach der derzeitigen Gesetzeslage ist der Bedarf aber unumstritten“, betont Kaivers. Die betroffenen Gemeinden sind nicht begeistert, aber auch sie wissen, dass an der Leitung nicht mehr zu rütteln ist. „Wir sind unaufgeregt, verfolgen es aber wachsam“, sagt der Bürgermeister der Gemeinde Niestetal bei Kassel, Andreas Siebert (SPD). Die Gemeinde, die durch ein Umspannwerk bereits Jahrzehnte mit vielen Leitungen lebt, wäre betroffen, wenn die Westtrasse gewählt würde. Siebert fordert einen Abstand der Leitung von 500 Metern zu den Wohngebieten und das Zusammenlegen mit bestehenden Leitungen. Im Gesetz stehen aber nur 400 Meter Abstand. „Noch ist nicht klar, welche Auswirkungen die Leitungen auf die Gesundheit haben, auch wenn die Betreiber das anders sehen mögen. Deshalb dringen wir auf 500 Meter“, betont er.
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Außer der Frage „Ost oder West“ geht es auch darum, ob und wo die Leitung überirdisch über Strommasten oder aber unterirdisch - also im Boden vergraben - verlegt wird. Anwohner betroffener Gemeinden fürchten die Strahlung, die von den oberirdischen Leitungen ausgeht. Außerdem könnten die Gebiete in Nordhessen für Touristen unattraktiver werden, die Folge wäre ein wirtschaftlicher Schaden.
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hat aber bereits vor kurzem bekräftigt, dass die Starkstromleitung keinesfalls durchgängig unterirdisch verlegt wird. Das freut auch den Netzbetreiber TenneT, denn eine Freileitung kostet deutlich weniger. Hier rechnet TenneT mit etwa 1,2 Millionen Euro pro Kilometer. Die Kosten für ein Erdkabel liegen laut TenneT jedoch etwa vier- bis siebenmal so hoch. (dpa)
Hintergrund: Das Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG)
Das Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) hat der Bundestag 2009 beschlossen. Es regelt den Ausbau von Energieleitungen wie den Neubau einer rund 190 Kilometer langen Höchstspannungsleitung mit 380 Kilovolt zwischen Wahle in Niedersachsen und Mecklar in Hessen. Auf dieser Strecke dürfen dem Gesetz zufolge in einem Pilotprojekt auch Erdkabel getestet werden. Das Gesetz legt zudem fest, dass bei einem Leitungsneubau „auf einem technisch und wirtschaftlich effizienten Abschnitt“ ein Erdkabel statt einer Freileitung eingesetzt werden soll, wenn die Leitung näher als 400 Meter von Wohngebäuden entfernt verlegt werden soll.