1. Werra-Rundschau
  2. Hessen

Interview mit Islambeauftragtem: Respekt muss man begründen

Erstellt: Aktualisiert:

Kommentare

Interview mit Islambeauftragtem: Respekt muss man begründen
Konrad Hahn

Kassel/Hofgeismar. In der Evangelischen Akademie Hofgeismar beginnt am Freitag, 21. Januar, ein Seminar, bei dem Möglichkeiten und Zumutungen der Integration debattiert werden sollen. Wir sprachen mit dem Islambeauftragten der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Konrad Hahn.

Solange ich meine Ruhe habe, ist mir Integration schnuppe. Warum eigentlich muss Integration gelingen?

Konrad Hahn: Stellen Sie sich eine Familie vor, die Zuwachs bekommt. Für alle ist die Situation neu, am Tisch muss man ein Platz mehr eingedeckt werden. Wird es für alle reichen? Bekommt jeder, was ihm zusteht? Wer neu hinzukommt, muss sich in die bestehende Ordnung einfügen. Es geht um den Hausfrieden. Es gibt ein Recht auf Unterschiede, aber kein unterschiedliches Recht. Deshalb muss Integration nun im übertragenen Sinn gelingen.

Wie beschreiben Sie Zumutungen, wenn Sie über Integration sprechen?

Hahn: Die Aufnahmegesellschaft als auch die Gruppe der Eingewanderten müssen mit Zumutungen rechnen, diese benennen und sie annehmen. Die Aufnahmegesellschaft erfährt eine bislang so nicht gekannte kulturelle Vielfalt. Auch wenn viele in fremde Länder reisen, ist das Zusammenleben mit Fremden noch eine ganze andere Hausmarke.

Zur Person:

Konrad Hahn (63) ist ordinierter Pfarrer und seit 2004 Beauftragter für Islamfragen der Evangelischen Kirche von Kurhessen - Waldeck (EKKW). Der in Kassel lebende Theologe und Religionswissenschaftler ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sein Beruf führte ihn unter anderem nach Hanau, Istanbul und Kassel. Als Ausgleich zum Beruf wandert und liest er.

Die religiöse Landkarte ist im Umbruch. Es werden fremde Sprachen gesprochen, aber die Verkehrssprache ist deutsch. Zuwanderer haben häufig zwei Heimaten. Das kann ein Reichtum sein. Aber auch zu Neid bei den einen und Unbehaustheit bei den anderen führen. Wer aus sozialen, politischen oder persönlichen Gründen ausgewandert ist, muss sich der Zumutung stellen, in eine ihm fremde Welt hineinzuwachsen. Aus der Biografiearbeit wissen wir, wie verschieden Menschen diese Herausforderung annehmen. Es sind auch seelische Belastungen damit verbunden. Man muss sich neu finden.

Was müssen Moslems und Christen jeweils gegenseitig an Zumutungen ertragen und welche nicht?

Hahn: Für Christen und Muslime in Deutschland hat sich eine völlig neue Nähe ergeben. Die neue Nähe ist mit der Zumutung verbunden, Verurteilungen aus früheren Zeiten zu überwinden. Beide, Christen und Muslime, müssen ertragen, dass sie auf verschiedenen Wegen das ewige Heil suchen. Aber der Streit um das Heil im Jenseits darf nicht länger zu einem Streit unter den Gläubigen im Diesseits führen. Diese Aufgabe wird um so eher gelingen, je stärker man sich von einem fundamentalistischen Verständnis der Heiligen Schriften löst.

Muslime müssen lernen, in einer nichtislamischen Gesellschaft zu leben und das als einen Wert anzuerkennen. Der Hinweis, so steht es in der Bibel, so steht es im Koran darf nicht zu einem Totschlagargument werden. Glaube braucht Vernunft und Wissen, damit er unter den Bedingungen der Zeit gelebt werden kann.

Integration findet doch nicht in akademischen Zirkeln statt, sondern in der Kassenschlange bei Aldi, Lidl und Co. oder im Fußballverein. Warum müssen wir dann noch ständig diskutieren?

Hahn: Das Zusammenleben im Alltag ist der Theorie ein Stück voraus. Aber solange Fatma und Johannes und Christina und Mehmet zwar zusammen in der Einkaufsschlage stehen können, aber ihr Freundschaft oder ihre Ehe von der Tradition geächtet werden, müssen wir darüber reden. Der Respekt und die Freiheit müssen begründet werden, wenn sie Bestand haben sollen.

Solange Kinder mit Zuwanderungsgeschichte tendenziell schulisch schlechter mitkommen, müssen wir nach den Ursachen fragen. Schulleiter kennen diese Fragen nicht erst seit gestern.

Was haben die bisherigen Islamtagungen der EKKW zur Integration beigetragen?

Hahn: In vielen nordhessischen Gemeinden und in Kassel ist seit Jahrzehnten eine Vertrauensbasis geschaffen worden.

Wie kann man gewachsenes Vertrauen messen?

Hahn: Ein Ergebnis möchte ich besonders erwähnen. Unsere Kirche und die südhessische Kirchen haben 2008 mit Vertretern der Muslime in Hessen ein wichtiges Kommuniqué über Mission und Religionsfreiheit verabschiedet.

Die Fragen der Integration werden uns noch lange beschäftigen. Christen und Muslime müssen ihren Beitrag dazu leisten. Die Islamtagungen bieten sich dazu an als ein Ort der offenen Aussprache.

Das Kommuniqué über Mission und Religionsfreiheit finden Sie hier als PDF-Datei.

Service:

 Evangelische Akademie Schlösschen Schönburg, 34369 Hofgeismar, „Möglichkeiten und Zumutungen der Integration. Religiöse Pluralität im säkularen Rechtsstaat am Beispiel des Islam“. 21. Januar ab 18 Uhr bis 23. Januar bis 12.30 Uhr Kosten: 50 Euro (nur Tagung), 143 Euro (Tagung, Übernachtung Verpflegung), Anmeldung per E-Mail: ev.akademie.hofgeismar@ekkw.de Information: 05671 - 881118

Auch interessant

Kommentare