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Guineer aus dem Werra-Meißner-Kreis nun doch nach Spanien abgeschoben

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Von: Friederike Steensen

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Demonstration vor dem Amtsgericht Eschwege gegen die Abschiebung eines 19-Jährigen aus Guinea.
Demonstration vor dem Amtsgericht Eschwege gegen die Abschiebung eines 19-Jährigen aus Guinea. © Hanna Maiterth

Die Abschiebung des 19-Jährigen aus Guinea, der vergangene Woche an den Beruflichen Schulen in Witzenhausen festgenommen worden war, wurde vollzogen.

Update vom Montag, 05. Oktober, 18:48 Uhr: Der 19-jährige Guineer aus dem Werra-Meißner-Kreis, der Mitte September in Witzenhausen festgenommen wurde und sich nach einem gescheiterten Abschiebeversuch in Abschiebehaft in Ingelheim befand, wurde am frühen Donnerstagmorgen, 1. Oktober, nach Spanien abgeschoben. Das teilt der Arbeitskreis (AK) Asyl Witzenhausen in einer Presseerklärung mit. Seine Anwältin Regina Jördens bestätigte den Vorgang. In Spanien hatte der junge Mann zuerst EU-Boden betreten, nach dem Dublin-Verfahren ist deshalb Spanien für seinen Asylantrag zuständig.

19-Jähriger aus Guinea doch abgeschoben

Laut dem AK Asyl geschah die Abschiebung ohne Ankündigung. Der 19-Jährige habe sich erst aus Madrid wieder melden können. Auch ein angemeldeter und bereits genehmigter Besuch wurde nicht darüber informiert, dass sich der Guineer bereits nicht mehr in Ingelheim befand. Der AK Asyl kritisiert, dass die Abschiebung stattfand, obwohl Madrid sich in den vergangenen Wochen zum Corona-Hotspot entwickelte. Die Hauptstadt ist seit Samstag abgeriegelt. Es sei unverantwortlich, Menschen ohne Unterkunft, soziale Netzwerke vor Ort und Sprachkenntnisse dieser unsicheren Lage auszuliefern, heißt es vom AK Asyl weiter. Dass der Guineer in naher Zukunft nach Deutschland zurückkehrt, etwa mit einem Visum, hält Jördens für unwahrscheinlich. Das Amtsgericht Eschwege hatte zuerst eine Abschiebehaft verhängt, diese war später vom Amtsgericht Bingen bis 29. Oktober verlängert worden. Die anhängigen Gerichtsverfahren, die ihre Kanzlei wegen der vom Regierunspräsidium Kassel erwirkten Abschiebehaft angestrengt hat, würden dennoch fortgesetzt, so Jördens. Dass dem jungen Mann der Abschiebetermin nicht angekündigt wurde, sei üblich, so Jördens. „Eine derartige Ankündigung wäre für den Amtsträger sogar regelmäßig strafbewährt.“ (Von Evelyn Ludolph und Friederike Steensen)

Abschiebung abgebrochen: 19-Jähriger ist immer noch in Haft

Erstmeldung vom Dienstag, 22. September, 17:53 Uhr: Witzenhausen / Eschwege – Wie ein Sprecher der Bundespolizei am Flughafen Frankfurt auf Anfrage berichtet, war die Abschiebung für vergangenen Donnerstag geplant, sei aber wegen „Flugunwilligkeit“ abgebrochen worden. Details in dem konkreten Fall nannte er nicht. Abschiebungen würden abgebrochen, wenn der Geflüchtete etwa mit Selbstverletzung oder Randale drohe und vorab keine Begleitung auf dem Flug durch Bundespolizisten angeordnet wurde. Auch der Guineer hätte allein nach Spanien fliegen sollen – dem Land, wo er zuerst EU-Gebiet betreten hatte.

Die Demonstrationen von Unterstützern des 19-Jährigen am Flughafen am Donnerstag und Freitag, die vom Bündnis gegen Abschiebungen organisiert worden waren, hätten keine Auswirkungen auf die Abschiebung gehabt. „Jeder darf demonstrieren“, so der Bundespolizeisprecher. Man würde dennoch richterliche Anordnungen umsetzen.

Anwältin kämpft gegen Abschiebehaftanordnung

Nach dem abgebrochenen Abschiebeversuch sei der Guineer zum Amtsgericht Bingen gebracht worden, wo ein Richter die zunächst vom Amtsgericht Eschwege verhängte Abschiebehaft verlängerte – bis 29. Oktober. Diese lange Frist sei ebenso ungewöhnlich wie der Umstand, dass überhaupt Abschiebehaft verhängt wurde, sagt seine Anwältin Regina Jördens. Im aktuellen Fall habe das Regierungspräsidium (RP) Kassel diese beantragt, weil zuvor Abschiebeversuche gescheitert sein sollen. Jördens bezweifelt das. Sie hat gegen beide Abschiebehaftbefehle Beschwerde eingelegt, weil sie sie für rechtswidrig hält. Schließlich habe sie vom RP Kassel noch nicht einmal die Akte des 19-Jährigen ausgehändigt bekommen. Deshalb wisse sie auch nicht, warum die Polizei ihn an der Schule festnahm. Einen neuen Termin gibt es nach Angaben von Jördens noch nicht.

Parallel versucht ihre Kollegin Claire Deery die Abschiebung zu stoppen, weil sie die Reisefähigkeit des Mannes gefährdet sieht. Auch seine Unterstützer vom Arbeitskreis Asyl Witzenhausen berichteten, dass der 19-Jährige psychisch unter den Bedingungen in der Abschiebehaftanstalt Ingelheim leide. Angaben zu den Haftbedingungen kann Jördens nicht machen. Ihr Eindruck nach Telefonaten mit ihrem Mandaten sei, dass die Bedingungen „halbwegs annehmbar“ seien, er habe auch Kontakt zu seinen Unterstützern.

Auch Politik diskutiert das Thema

Die versuchte Abschiebung eines 19-Jährigen beschäftigt mittlerweile auch die Landespolitik. Die Landtagsfraktion „Die Linke“ wirft der schwarz-grünen Landesregierung vor, ihren Koalitionsvertrag zu verletzen, wonach Abschiebungen aus Schule vermieden werden sollen. Nach Recherchen der Frankfurter Rundschau hält das Innenministerium diese Zusage für eingehalten: Der Mann sei nicht in der Schule, sondern außerhalb des Geländes der Beruflichen Schulen in Witzenhausen festgenommen worden. Laut seiner Anwältin hatte er sich eigentlich an der Schule sicher gefühlt. Nach seiner Festnahme kam es an zwei Tagen in Eschwege zu Demonstrationen von Unterstützern. (Friederike Steensen)

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