Illegale Pizza und Partys per Skype - Bad Sooden-Allendorfer berichtet aus Bologna

Ein Student aus dem Werra-Meißner-Kreis berichtet über Ausbreitung, Entwicklung und Auswirkungen des Coronavirus in Italien.
- Menschenleere Straßen, Restaurants und Plätze wegen des Coronavirus in Italien
- Jannis Eichenberg aus dem Werra-Meißner-Kreis berichtet aus Italien
- Die neuesten Entwicklungen zu Corona im Werra-Meißner-Kreis im News-Ticker*
In Italien sind bereits mehr als 12.000 Menschen am Coronavirus erkrankt, das Land ist abgeriegelt. Mittendrin: Jannis Eichenberg aus Bad Sooden-Allendorf (Werra-Meißner-Kreis). Hier berichtet er über seine Erlebnisse in Bologna. Während meines Bachelor-Studiums in Dresden konnte ich bereits sechs Monate in Florenz studieren und lebte somit zum ersten Mal im Ausland. Diese wunderbare Zeit wollte ich unbedingt im Masterstudium wiederholen. Gesagt, getan! Dieses Mal sollte es Bologna sein, doch es kam alles etwas anders als gedacht…
Ich bin am 14. Februar in Bologna angekommen und noch am gleichen Abend völlig übermüdet durch die Stadt gezogen. Es war Freitag und die Straßen waren voll. Vor jeder Bar standen Gruppen von Menschen – so, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Student aus dem Werra-Meißner-Kreis berichtet von Corona-Auswirkungen in Italien
Eine Woche später fing die Uni an. Die ersten zwei Tage noch völlig normal, dann begann der Ausfall wegen der Ausbreitung des Coronavirus. Zunächst war die Stimmung super – schließlich hieß das erst mal nichts anderes als eine weitere Woche Ferien. Wir verbrachten die Abende bei einer Flasche Wein auf dem „Piazza“ genannten Marktplatz oder standen in den Gruppen, die sich vor den Bars sammelten.
Tagsüber verabredete ich mich mit anderen Bolognesern zum Slacklinen im Park oder mit meiner Tandempartnerin auf einen Kaffee, um im Gespräch abwechselnd mein Italienisch und ihr Deutsch zu verbessern. Eine Woche später nahm die Uni wieder ihren Betrieb auf – allerdings nur im Onlinemodus. Das funktioniert meist gut und hat den Vorteil, dass man Veranstaltungen aufzeichnen kann.
Die Auswirkungen des Coronavirus wurden immer deutlicher: Menschen trugen Masken. Meine Tandempartnerin und viele einheimische Studierende fuhren zu ihren Eltern. Vor allem die besorgniserregenden Nachrichten über Provinzen in der Nähe von Bologna, die vom Militär abgeriegelt wurden, haben viele Menschen beunruhigt.
Wegen Corona Städte abgeriegelt: Student aus dem Werra-Meißner-Kreis berichtet
Die Reaktionen verliefen sehr unterschiedlich: Fünf Mitbewohner einer befreundeten Spanierin sind regelrecht geflohen. Zwei reisten mitten in der Nacht ab, um zu verhindern, Menschen auf der Straße zu begegnen. Seit drei Wochen wohnt die Freundin nun alleine. Andere wurden von ihren panischen Eltern regelrecht gezwungen, nach Hause zu kommen. Die meisten meiner Kommilitonen saßen damals noch mit mir bei 18 Grad im Park und genossen die Sonne. Was sollte schon geschehen? Klar könnten die Grenzen geschlossen werden, aber wir wollten ja ohnehin den Sommer hier verbringen.
Ab dem 6. März wurden Städte in der Nähe abgeriegelt – und jetzt ging auch in Bologna alles sehr schnell. Erst mussten Bars und Restaurants schließen, jetzt sind nur noch Supermärkte und Apotheken offen. Es besteht ein Verbot, das Haus unnötig zu verlassen.
Illegale Pizza und Partys per Skype - Die Corona-Pandemie macht erfinderisch
In der ersten Woche war es sogar verboten, Joggen zu gehen. Freunde mussten 200 Euro Strafe zahlen, weil sie trotzdem im Park waren. Es gibt sogar eine Pizzeria, die illegal Pizzen an der gegenüberliegenden Straßenecke verkauft. Der Pizzakauf fühlt sich ein bisschen so an, als würde man zum Drogendealer gehen. Auch ich ertappte mich beim Blick über die Schulter, als ich eine Pizza bestellte. Dabei war es nur eine Margherita.
Natürlich sind auch Besuche bei Freunden untersagt, aber Langeweile macht kreativ! Es gibt Skype-Partys und Aufrufe an alle Musiker, am offenen Fenster zu spielen. Eine WhatsApp-Gruppe, die sonst Treffen für Zugezogene organisiert, ist zu einer digitalen Kochschule geworden. Meine Freunde und ich widmen uns mehr alten Hobbys und wenn man irgendwie an den Stadtrand kommt, kann man immer noch eine Fahrradtour durch die wunderschönen Weinberge im Süden Bolognas machen.
Von Jannis Eichenberg
*werra-rundschau.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.