Wie Landwirte, Imker und Raps voneinander profitieren

Die Rapsfelder stehen in voller Blüte. Das ist nicht nur fürs Auge schön. Die Rapsblüte hat auch einen wirtschaftlichen Nutzen – für Landwirte und Imker gleichermaßen. Doch dazu bedarf es der Absprache zwischen den Erzeugern.
Werra-Meißner – Rund 30 Hektar Raps hat der Wehretaler Landwirt Lucas Abhau in der Gemarkung von Jestädt stehen. Insgesamt hat sein Betrieb, die Wehretal GbR, in diesem Jahr um die 100 Hektar der Ölpflanze angebaut. Der Witzenhäuser Bioland-Imker Ivan Curic besitzt um die 1000 Bienenvölker, die er über den ganzen Werra-Meißner-Kreis und darüber hinaus verteilt hat. Die beiden Männer stehen im ständigen Austausch, denn beiden profitieren von einem intelligenten Interessenausgleich.
Bienen sorgen für höhere Erträge
Zwar ist die Rapspflanze selbstbestäubend, doch wird sie von Bienen angeflogen, erhöht das die Erträge. Und das nicht nur beim Landwirt, sondern auch beim Imker. „Für viele Imkereien ist die Rapstracht die erste ergiebige Honigernte des Jahres. Bienen stehen auf Raps, denn die Blüten sind reich an Pollen und die Nektarproduktion ist enorm. Bei Berufsimkern macht Rapshonig bis zu 40 Prozent der Jahresernte aus“, erklärt Uwe Hubbe vom Bieneninstitut Kirchhain, das beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) angesiedelt ist.
Ohne Einsatz von Pflanzenschutzmitteln geht es nicht
Soweit die Win-Win-Situation von Landwirten und Imkern. Doch Rapsanbau ist laut LLH nur dann profitabel, wenn Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen. „Fest steht, der Schädlingsdruck auf den Raps nimmt zu, ganz ohne Pflanzenschutzmittel geht es nicht“, sagt Marc Fricke-Müller, Pflanzenbauberater beim LLH. Das zeige auch der verschwindend geringe Anteil an Bio-Raps in Deutschland, der gerade mal bei 0,5 Prozent liegt.
Doch schon seit Jahren sind die Landwirte dabei, die Pflanzenschutzmenge zu reduzieren, wie Lucas Abbau bestätigt. Seit knapp zehn Jahren habe sein Betrieb praktisch kaum noch Insektizide einsetzen müssen, lediglich Mittel gegen Pilze, die den Raps befallen und die Pflanze bis zum Absterben schädigen.
Damit die Bienen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln keinen Schaden nehmen, empfiehlt Fricke-Müller, dass sich Landwirte und Imker absprechen – so wie es Lucas Abhau und Ivan Curic bereits seit Jahren erfolgreich praktizieren.
Landwirte sollen Imker übers Spritzen informieren, um Bienen zu schützen
„Wenn ich vorhabe zu spritzen, rufe ich alle Imker nahe meiner Felder – egal ob Hobbyimker oder Betriebe – an und teile ihnen mit, wann ich spritzen will“, sagt Lucas Abhau. Dann können die Imker entscheiden, ob sie ihre Bienenvölker an diesem Tag ausschwärmen lassen oder nicht. Meist spritzt Abbau in den Abendstunden, in denen die Bienen eh nicht mehr unterwegs sind. Der zweite Grund sei jedoch, dass die Rapspflanzen am Abend elastischer sind und der Schlepper weniger Schaden anrichtet und dass die Pflanze das Schutzmittel über Nacht absorbieren kann. Wenn am Morgen die Bienen zurückkehren, würden sie praktisch kaum noch etwas davon aufnehmen.
Das Zusammenspiel von konventioneller Landwirtschaft und Bioimkerei würde gut funktionieren, bestätigt auch Imker Curic. „Wir haben praktisch kein Bienensterben nach Spritzungen.“, sagt er. Seine Bienen werden biozertifiziert gehalten, sammeln aber durchaus ihre Nahrung auf konventionell bewirtschafteten Feldern.
Die Gefahr für die Bienen verringert sich laut Fricke-Müller auch durch den Einsatz von sogenannten Dropleg-Düsen beim Spritzen von Pflanzenschutzmitteln. Das sind röhrenartige Gebilde, die im Rapsfeld stehen und das Schutzmittel die Pflanze erreicht, die Blüte aber verschont. Bisher komme diese Technologie allerdings noch selten zum Einsatz, weil sie teuer ist.
Trotz sachkundiger Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sind laut LLH etliche Wirkstoffe im Rapspollen, weniger hingegen in Rapshonigen nachweisbar: Untersuchungen von Bienenbrot (eingelagerter Pollen) ergaben, dass im Jahr 2019 in fast allen untersuchten Proben mindestens ein Pflanzenschutzmittel nachgewiesen wurde, meistens jedoch nur in Spuren.
„Der Konsum von Honig ist aber in jedem Fall unbedenklich. Honig unterliegt strengen Lebensmittelkontrollen. Festgelegte Grenzwerte sorgen dafür, dass nur unbedenkliche Produkte auf den Markt kommen“, so der Bienenexperte Hubbe.
Aktuell macht Hubbe die Witterung Sorgen, denn: „Eine gute Honigernte kann nur von starken Bienenvölkern erbracht werden. Durch das nasskalte Frühjahr mussten viele Völker bis in den April hinein zugefüttert werden. Bis jetzt ist der Blütenbesuch aufgrund des Wetters eingeschränkt. Wir hoffen auf warme, sonnige Tage.“
Nach dem Anbautiefpunkt 2019 erholt sich die Rapsanbaufläche in Hessen langsam wieder. Im vergangenen Jahr erstrahlten rund 45 200 Hektar in prallem Gelb, das entspricht 5,8 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche.
Wehretaler Betrieb ist jetzt einer von 100 Leitbetrieben
Die Wehretal GbR ist einer der 100 sogenannten Leitbetriebe des bundesweiten „Netzwerkes Leitbetriebe Pflanzenbau“, das vom Bundesministerium Landwirtschaft initiiert wurde und ein Leuchtturmprojekt der Ackerbaustrategie 2035 ist. Diese Leitbetriebe sollen Anlaufstellen für eine interessierte Öffentlichkeit, aber auch für Fachpublikum sein. Sie sollen zeigen, wie zukunftsfähiger Pflanzenbau in Deutschland funktionieren kann. Die Netzwerkbetriebe laden Kitas, Schulen und Familien auf ihre Höfe ein. Bei Veranstaltungen mit Berufskollegen geht es darum, Fachwissen auszutauschen. (Stefanie Salzmann)