Erstes Zeitzeugen-Video in ehemaliger Synagoge Abterode gezeigt

Die Schüler Simon Exner und Jonathan Panke haben ein erstes Zeitzeugen-Video für den Verein „Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens im Werra-Meißner-Kreis“ übersetzt und mit deutschen Untertiteln versehen.
Abterode – Die ehemalige Synagoge in Abterode ist nicht nur ein Gedenkort, an dem an das Zusammenleben von jüdischen und nichtjüdischen Menschen in der Region vor dem Zweiten Weltkrieg erinnert werden soll. Es ist auch ein außerschulischer Lernort.
So haben die Schüler Simon Exner und Jonathan Panke während ihres „Freiwilligen Sozialen Schuljahres“ ein erstes Zeitzeugen-Video für den Verein „Freundinnen und Freunde jüdischen Lebens im Werra-Meißner-Kreis“ übersetzt und mit deutschen Untertiteln versehen. In einer hybriden Veranstaltung mit rund 20 Personen vor Ort und gut 40, die online zugeschaltet waren, wurden Ausschnitte aus dem Video erstmals vorgeführt und mit dem Publikum besprochen.
Auch die Söhne der Zeitzeugin waren live zugeschaltet. Das Video, das von nun an im Archiv der Synagoge angesehen werden kann, wurde 1994 in den USA aufgenommen. Gisela Simon wurde als Gisela Stern 1931 in Eschwege geboren und wuchs in Abterode auf. Sie berichtet darin, wie sich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten die Lebensbedingungen für Juden auch in Abterode negativ veränderten.
Die Familie zog deshalb 1937 nach Frankfurt. 1942 wurde sie von dort ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Nach der Befreiung 1945 konnte sie zurückkehren. Weil es in Frankfurt nichts zu essen gab, kam die Familie für ein paar Wochen noch einmal nach Abterode, bevor sie 1946 in die USA auswanderte.
Die Vereinsvorsitzenden Dr. Martin Arnold und Ludger Arnold diskutierten mit dem Publikum über das, was sie im Video gehört hatten. Eine der Fragen lautete auch, was Erinnerungskultur heute leisten könne. So erzählte die Zeitzeugin von einem guten Leben in Abterode vor 1933. Offenbar wuchs sie behütet in einer lebendigen jüdischen Gemeinschaft auf. Das Mädchen war damals noch sehr klein, aber auch an ihr gingen die politischen Veränderungen nicht unbemerkt vorbei. Und natürlich nahm sie das Leid wahr.
In Theresienstadt kam die Familie in überfüllte, kaum geheizte Unterkünfte, die Tage waren geprägt von Zwangsarbeit. Überraschend war für alle Zuhörer dann jedoch, dass es die jüdische Familie nach ihrer Befreiung nach Abterode zurückzog.
Offenbar wurde die alte Heimat von ihnen nicht mit dem politischen System, das auch dort geherrscht hatte, gleichgesetzt. „Meine Mutter war auch untypisch für eine Überlebende“, sagte Sohn Larry, der sich per Video-Stream aus den USA zu Wort meldete. „Sie wollte immer über ihre Erfahrungen sprechen.“
Und Sohn Mark, der als Dokumentarfilmer heute in Berlin lebt, fügte hinzu: „Das war einfacher für meinen Bruder und mich, denn das Schicksal unserer Mutter war dadurch kein dunkles Mysterium.“ Auch wollte ihre Mutter Deutschland immer gerne wieder besuchen und hat ihre Schwiegertochter, eine deutsche Nichtjüdin, warmherzig akzeptiert. Sohn Mark hat in Berlin einen Film über Neonazis gemacht und ist dortgeblieben.
Dass er selbst aufgeschlossen sein und verzeihen kann, sieht er als Vorteil seiner Erziehung und sagt: „Ich sehe, welche Bemühungen es heute in Deutschland gibt, die Geschichte aufzuarbeiten.“ Genau dazu möchte der Verein in Abterode mit seiner ehrenamtlichen Arbeit einen Beitrag leisten und die junge Generation einladen.
(Kristin Weber)