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2022 fehlt der Gemeinde Ringgau eine halbe Million Euro

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Von: Stefanie Salzmann

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Per Live-Stream könnten alle Interessierten eine Sitzung des Parlamentes via Internet verfolgen. Das aber wollen Ringgaus Gemeindevertreter nicht und stimmten gegen eine Änderung ihrer Geschäftsordnung.
Per Live-Stream könnten alle Interessierten eine Sitzung des Parlamentes via Internet verfolgen. Das aber wollen Ringgaus Gemeindevertreter nicht und stimmten gegen eine Änderung ihrer Geschäftsordnung. © Judit Feuax de Lacoroix

Mit einem nochmal höheren Defizit kalkuliert die Gemeinde Ringgau dieses Haushaltsjahr. Außerdem sprachen sich die Abgeordneten gegen Liveübertragungen der Sitzungen aus.

Netra – Mit einem kalkulierten Defizit von einer halben Millionen Euro hat die Gemeinde Ringgau am Montagabend den Haushalt für das Jahr 2022 beschlossen. Das bedeutet noch mal eine Verschlechterung von 111 000 Euro gegenüber dem Vorjahr. Das Haushaltsvolumen umfasst 6,1 Millionen Euro. „Wir haben vorsichtig geplant, in dem Haushalt gibt es keine Wunschvorstellungen“, sagte Bürgermeister Mario Hartmann.

Das weitere Anwachsen des Haushaltslochs begründet Hartmann vor allem mit der Einführung des Gute-Kita-Gesetzes – hier erhöhen sich die Betriebskosten für die Kinderbetreuung in der Gemeinde um 180 000 Euro. Die Gesamtkosten dafür liegen bei mehr als einer Million Euro.

Zugleich werden die Einnahmen aus der Gewerbesteuer  mit 350 000 Euro angesetzt (100 000 Euro Plus gegenüber dem Vorjahr). Auch 80 000 Euro mehr Einkommensteuer werden voraussichtlich in die Gemeindekasse fließen, dafür verringern sich aber wieder die Schlüsselzuweisungen des Landes.

Die Investitionen

Wegen seiner dauerhaft defizitären Haushaltslage darf die Kommune ausschließlich Geld für sogenannte Pflichtaufgaben ausgeben. Das spiegelt sich vor allem in den für dieses Jahr geplanten Investitionen wieder. Die größten Posten sind in diesem Jahr mit 250 000 Euro die Kanalsanierung in Grandenborn, die Kamerakanalbefahrung (EKVO) in Renda und Teilen Röhrdas mit 40 000 Euro sowie die Sanierung der Schachtbauwerke an der Obergasse in Netra und die Straßensanierung und Hangsicherung am Höhberg in Lüderbach mit 50 000 Euro. Die geplante Herrichtung eines Jugendraumes in Datterode als Ersatz für die Räumlichkeiten im inzwischen verkauften Haus des Gastes wurde vom RP gestrichen, weil es sich um eine freiwillige Leistung handelt.

Konsolidierung

Von einer Konsolidierung des Haushaltes ist Ringgau weit entfernt. „Mehr sparen können wir nicht“, sagte Hartmann. Einzige Möglichkeit ist, Erträge zu generieren – und zwar mittels Gewerbe. „Ohne solche Maßnahmen werden wir es nicht schaffen“, sagte Hartmann. Der Haushalt wurde mehrheitlich beschlossen. „Wir stimmen zu, aber mit Bedenken“, sagte Ramona Brenk von der SPD: „Es ist für die Bürger schwer nachzuvollziehen, dass wir trotz massiver Steuererhöhungen nur Pflichten erfüllen.“ Wünschenswert wäre, so Brenk, eine bessere finanzielle Ausstattung durch das Land, „sodass wir nicht immer neue Schulden machen müssen“.

Kein Livestream

Gegen die Stimmen der Initiative liebenswertes Ringgau (ILR) haben SPD, CDU und ÜWG es am Montag abgelehnt, künftig Bild- und Tonaufnahmen sowie Livestreams der Gemeindevertretersitzungen über die Homepage der Gemeinde zuzulassen. Lediglich Tonmitschnitte für das Protokoll sind erlaubt. „Ich bin schockiert, dass man der Digitalisierung und der Transparenz gegenüber den Bürgern so im Wege steht“, sagte Helene Horlacher von der ILR. „Wir wollten einen Umbruch.“ Alle Parlamentarier seien erwachsen und jeder hier sollte sich darüber im Klaren sein, was er hier sagt, sagte Horlacher. Einen möglichen Missbrauch solcher Aufnahmen müsse keiner fürchten. „Wir haben ja genug Zeugen, die das Gegenteil beweisen können.“

Als im Juni 2020 die Gemeinde Ringgau wegen ihrer desaströsen Finanzen eine deutliche Anhebung der Grundsteuern A und B auf 950 beziehungsweise 960 Punkte beschloss und die SPD zudem eine Disziplinarverfahren gegen der Ersten Beigeordneten Dr. Stephan Cortis anstrebte, war das Interesse aus der Bürgerschaft immens – wegen Corona waren nur 20 Zuhörer im Saal erlaubt, der Rest musste draußen bleiben. Der damalige Parlamentsvorsitzende Reinhard Sennhenn (SPD) untersagte eine Übertragung per Livestream.

FRAGEN UND ANTWORTEN zu den Möglichkeiten von Ringgau, Entwicklung noch zu stoppen

Die wichtigsten Fragen und Antworten in Kürze

Die Gemeinde Ringgau hat praktisch keine Möglichkeiten mehr, auf die geplanten Windkraftanlagen in ihrer Gemarkung Einfluss zu nehmen. Das ist das Ergebnis einer rechtlichen Prüfung, die der Hessische Städte- und Gemeindebund (HSGB) auf Wunsch der Ringgauer Gemeindevertretung vorgenommen hat und deren Ergebnis jetzt vorliegt. Dabei geht es um die im Regionalplan ausgewiesenen sogenannten Windvorranggebiete ESW 35 (nördlich von Netra) und ESW 38 (bei Rittmannshausen). Dort wollen RWE, Ostwind und Eno Energy Windkraftanlagen errichten.

Welchen Einfluss hat die Gemeinde heute noch auf den Regionalplan?

Die Gemeinden haben 2014 bei der Aufstellung des Regionalplanes Stellungnahmen abgegeben und den Vorranggebieten seinerzeit zugestimmt. Von einer Überarbeitung sei derzeit laut HSGB nicht auszugehen.

Gibt es eine Möglichkeit, den bereits geschlossenen Vertrag mit der Firma Vortex zu kündigen?

Der Vertrag zwischen Vortex (heute RWE) und der Gemeinde wurde 2018 geschlossen. Ein Rücktrittsrecht ist nicht mehr möglich, die dreijährige Frist ist im Oktober 2021 ausgelaufen. Eine ordentliche Kündigung ist während der auf 28 Jahre angelegten Laufzeit nun ausgeschlossen. Möglich wäre eine außerordentliche Kündigung aus ganz bestimmten Gründen. Allerdings hätte RWE dann ein Recht, Schadensersatzansprüche sowie Gewinnausfall gegenüber der Gemeinde geltend zu machen.

Welche Rechtsmittel können gegen den Regionalplan eingelegt werden?

Normalerweise ein sogenanntes Normenkontrollverfahren: Das muss allerdings innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des Planes eingeleitet werden. Diese Frist ist 2017 verstrichen.

Welche Rechtsmittel können gegen die Genehmigung einzelner Windkraftanlagen durch das RP Kassel eingelegt werden?

Dagegen könnte die Gemeinde vor dem Verwaltungsgericht klagen – vorausgesetzt, dass sie in ihren Rechten verletzt werden. Das könnten beispielsweise vorhandene Bauleitplanungen etc. auf den Flächen sein. Das ist aber nicht der Fall. Zudem befinden sich viele Flächen in Privatbesitz.

Welche Möglichkeiten hat Ringgau derzeit, auf die Genehmigungverfahren konkreter Windanlagen beim RP Einfluss zu nehmen?

Praktisch keine. Einflussnahme ist nur dann denkbar, wenn es sich um gemeindeeigene Flächen handelt, über deren Verpachtung und Veräußerung die Gemeinde entscheidet. Eine Steuerung über einen Flächennutzungsplan, der Windkraft ausschließt, ist nicht möglich, weil der wiederum dem Regionalplan angepasst werden muss.

Kann die Gemeinde den Windkraftanlagen-Projektierern Wege und Nutzungsrechte verweigern?

Nein. Im Vertrag ist geregelt, dass die Gemeinde es der Nutzerin gestattet, Kabel und Leitungen für Strom, Kommunikation etc. zu verlegen. Eine Verweigern würde wieder Schadensersatz nach sich ziehen.

Auf seiner nächste Sitzung soll das Ringgauer Parlament einem weiteren Vertrag, jetzt mit dem Windkraftanlagenbetreiber Ostwind, zustimmen. Bürgermeister Mario Hartmann hat die Fraktionen aufgefordert, sich frühzeitig zu dem Thema zu positionieren, damit es eine Entscheidung gibt.

Von Stefanie Salzman

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