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Tägliche Wolfsbegegnungen in Hornel

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Von: Stefanie Salzmann

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Die Dorfgemeinschaft von Hornel mit mehr als 20 Kindern (vorn rechts Emilian Möller mit seiner Mutter) , rund 15 Hunden und vielen Nutztieren. Die Sorge wegen der täglich gesichteten Wölfe mitten im Ort ist groß.
Die Dorfgemeinschaft von Hornel mit mehr als 20 Kindern (vorn rechts Emilian Möller mit seiner Mutter) , rund 15 Hunden und vielen Nutztieren. Die Sorge wegen der täglich gesichteten Wölfe mitten im Ort ist groß. © STEFANIE SALZMANN

Das Sontraer Dorf Hornel ist in Angst und Schrecken. Inzwischen täglich begegnen die Bewohner, auch Kinder, Wölfen.

Hornel – Die Wölfe im Werra-Meißner-Kreis haben die Dörfer erreicht. Laut verschiedener Augenzeugen durchstreifen sie die Orte offenbar ohne größere Scheu. Waren die Sichtungen innerhalb von Ortschaften in den vergangenen Jahren eher selten, werden sie nun zumindest im Sontraer Ortsteil Hornel bereits zum Alltag. Ein Alltag, der die rund 120 Einwohner des kleinen Ortes – davon sind mehr als 20 Kinder – nicht nur beunruhigt, sondern inzwischen in Furcht und Sorge versetzt.

Allein in der vergangenen Woche wurde an jedem Tag ein durch den Ort ziehender Wolf beobachtet. Gesehen wurde er von Erwachsenen, aber auch von Kindern. Ob es sich um ein und dasselbe Tier handelt, ist nicht bekannt.

Am Montagnachmittag hatten sich rund 50 Menschen aus Hornel mit ihren Kindern und Tieren am Ortseingang versammelt, um ihrer Sorge Ausdruck zu verliehen.

Einschränkungen

„Wir dürfen hier eigentlich gar nix mehr“, beklagt sich der neunjährige Emilian Möller. Denn die besorgten Eltern lassen ihre Kinder nicht mehr allein im Dorf spielen, bringen sie morgens zum Schulbus oder fahren sie gleich nach Sontra in die Schule.

Emilian, der mit seinen Eltern und seiner kleinen Schwester am nördlichen Ortsrand nahe des Eisenbahnviaduktes wohnt, war in der vorigen Woche am späten Nachmittag vom Schlittenfahren gekommen, hatte sein Gefährt noch in den Schuppen geräumt, als er ein Geräusch hörte. Dem folgte er und sah sich dann einem Wolf gegenüberstehen. „Er hat mich angeschaut und ist dann ruhig weggegangen“, berichtet der Junge. „Das war aufregend.“

Der achtjährige Noah, der mit seinen Geschwistern am anderen Ende des Dorfes wohnt, machen die umherziehende Wölfe Angst. „Ich habe immer Albträume und fürchte, dass der Wolf auch zu uns ins Haus kommt“, sagt er. Seine Eltern bringen ihn seitdem in die Schule. „Mit drei Kindern und einem Hund traue ich mich nicht aus dem Dorf, wir bleiben jetzt immer hier, um möglichst Wolfsbegegnungen zu vermeiden“, sagt Noahs Mutter Doreen Bierwirth.

Zwei Tage nach dieser Begegnung wird ein Wolf auf einem umfriedeten Wohngrundstück, ebenfalls am Viadukt gesichtet, er wird weiterhin beobachtet, wie er über dem Friedhof spaziert. Oberhalb des Ortes, dort wo sich Spielplatz und Grillhütte befinden, seien deutlich und immer wieder belaufenen Wolfsspuren zu sehen. „Da ist ein viel belaufener Wechsel“, schildert Tobias Wagner, Landwirt aus Hornel.

In die Zebuherde, die er gemeinsam mit Svenja Böttner hat, war Mitte November ein vierköpfiges Wolfsrudel auf die Weide bei Hornel eingedrungen und hatte eine trächtige Kuh gejagt und sich auch nicht von Rufen und Hupen vertreiben lassen. Seitdem hat das Paar die Zebuherde im Stall. „Unsere Kälber werden das auch bleiben, bis sie ein Jahr alt sind“, sagt Svenja Böttner.

Fehlende Scheu

Davon, dass die Wölfe ihre Scheu vorm Menschen offenbar zunehmend verlieren, zeugt auch die Begegnung von Annette Backhaus, die dem Wolf kürzlich gegen Mitternacht im Dorf begegnet war. „Der stand auf dem Bürgersteig etwa zwei Meter von mir entfernt und war ganz ruhig und hat mich angeschaut“, schildert sie die nächtliche Begegnung. „Ich hatte mega Angst, hab mich groß gemacht und bin ganz langsam weggegangen.“ Sorge hat sie auch um ihre 85-jährige Mutter, in deren Vorgarten direkt an der Hauptstraße Wolfsspuren zu sehen waren. „Man traut sich ja nicht mehr von A nach B.“

Doch nicht nur Eltern haben Angst um ihre Kinder. Auch den Erwachsenen in Hornel wird zunehmend mulmig. Kristina Schubert, die zwei große Hunde hat, sagt: „Ich gehe nur noch mit Angst spazieren und schaue die ganze Zeit nach rechts und links“. Die letzten Tage sei sie mit ihren Tieren zum Spazierengehen extra bis Weisenhasel gefahren, weil sie sich um Hornel nicht mehr sicher fühlt. „Wir können uns hier nicht mehr frei bewegen“, sagt sie.

Diese Sicht bestätigt Ortsvorsteher Martin Hollstein: „Wir werden hier von Wölfen eingekesselt“. Die Politik müsse wachgerüttelt werden, sagt der Ortsvorsteher. „Wer weiß, was als Nächstes passiert.“ Er erwartet von der Politik, dass zumindest die schnell wachsende Population der Wölfe eingedämmt wird, denn die haben eine jährliche Zuwachsrate von etwa 30 Prozent. Zu der Versammlung der Einwohner von Hornel kam auch Bürgermeister Thomas Eckardt. „Wir müssen die Entscheidungsträger dazu bringen, dass die Landes- und Bundesgesetze in puncto Wolf angepasst werden“, sagte er am Montag. Das gehe, so Eckhard, offenbar nur mit öffentlichem Druck. (Stefanie Salzmann)

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