Seit über 100 Jahren: An Aschermittwoch ist in Heldra Strohbärentag

Im Wanfrieder Ortsteil Heldra wird an Aschermittwoch eine besondere Tradition gepflegt. Hier vertreiben die Strohbären den Winter.
Heldra – „Es ist ziemlich warm und eng im Stroh“, sagt Jonas Wagner (21), der zum ersten als Mal als Strohbär in Heldra den Winter vertreibt. So wird er Teil einer Tradition, die im Wanfrieder Ortsteil schon seit über 100 Jahren gepflegt wird. Gemeinsam mit Elias Steube, Julian Schädler und Stefan Migenda bildet er das diesjährige Quartett, das am Aschermittwoch durchs Dorf zieht. „Mein Cousin hat mich animiert, mitzumachen“, berichtet Wagner, der aus dem Wanfrieder Ortsteil Altenburschla stammt.
Unter dem ganzen Stroh trägt der 21-Jährige Neubär einen Overall, Handschuhe und festes Schuhwerk. Eine Generalprobe gebe es nicht: „Ich bin also mehr oder weniger ins kalte Wasser gestoßen worden.“ Die Strohbärentradition ist dem Altenburschlaer aber gut bekannt. Schon als Kind hatte er regelmäßig die rund fünf Meter hohen Gestalten bestaunt. Traditionell führt ihn seine Partnerin, eine sogenannte Bärenführerin, an einer Kette durchs Dorf. Doch ihre Aufgabe besteht auch darin, ihm bei Durst ein Getränk zu reichen oder die Nase zu kratzen, denn „das Stroh pikst schon ein bisschen im Gesicht.“
Schon am frühen Morgen ging es am Mittwoch (22. Februar) los mit dem Einschnüren der Bären. Knapp eine Stunde dauert es, bis das Stroh um den Körper gewickelt ist, eine weitere Stunde, um den Kopfteil an der zweiten Station fertig zu stellen. „Jeder Bär wird von einem Team eingeschnürt“, erklärt Marco Sippel. Er ist in diesem Jahr das erste Mal als Altbär mit dabei und hilft, seinen Kollegen einzuschnüren. „Da zieht man sich schon die Finger wund.“ Doch was tut man nicht alles für die Tradition.

Wichtig sei es, die Schnüre wirklich fest zu ziehen, damit das Stroh in Form komme und dann auch bleibe. Rund 120 Meter Schnur braucht es da für einen Bären. Hinzukommen 30 bis 40 Kilo Stroh. Da kommen alle ganz schön ins Schwitzen. „Das Wetter ist für die Strohbären nicht so optimal“, findet Stefan Migenda (44), der in diesem Jahr voraussichtlich zum letzten Mal als Bär mitmacht.
Denn bei sonnigen elf Grad freuen sich zwar alle Schaulustigen, unter dem Stroh kann es aber bis zu 50 Grad warm werden. Migenda stammt nicht aus Heldra, mitmachen darf er trotzdem. Denn vor zehn Jahren wurden die Regeln entschärft: Strohbär darf seitdem auch der werden, der in Heldra lebt, Angehörige dort hat oder eine Partnerin, die aus Heldra stammt. Und so ist es auch bei dem 44-Jährigen. Man könnte fast sagen, er hätte ins Strohbären-Königshaus eingeheiratet. Denn seine Frau Anna-Maria stammt nicht nur aus Heldra – der Hof ihres Elternhauses wird alljährlich für das Wickeln und Binden der Strohbären genutzt.
„2013 habe ich eigentlich nur ausgeholfen, weil es sonst nicht genug Strohbären gegeben hätte“, sagt der Familienvater. Seitdem sei er – mit Coronapause – immer dabei gewesen, dieses Mal im zehnten und somit voraussichtlich auch letztem Jahr. Denn ein Strohbär darf nur zehn Jahre beim Umzug mitlaufen. Für das Heldraer Traditionsfest reist das Paar gemeinsam mit Sohn Milo (4,5) aus Leipzig an, wo die kleine Familie inzwischen lebt. „Nach der langen Pause habe ich schon zweimal überlegt, ob ich mit 44 noch mal mitmache, aber es ist eine tolle Tradition und so kann mein Sohn es auch ein Mal bewusst miterleben, wenn der Papa als Strohbär in Heldra den Winter vertreibt“, sagt Migenda.

Wie anstrengend das Einschnüren und der anschließende Umzug durch Heldra sind, das hänge von der Tagesform ab. „Die Jahre bringen allerdings doch ein bisschen Erfahrung mit sich“, weiß Strohbär Migenda. So wisse er inzwischen besser, wann er seinen Körper beim Einschnüren wie anspannen müsse, um am Ende ein bisschen Bewegungsfreiheit im Stroh zu haben. „Da kann man sich ein kleines bisschen Platz im Stroh machen.“
Auf einem Hänger werden die fertig gewickelten Bären dann zur Bushaltestelle des Dorfes gefahren. Dort werden ihnen dann noch ihre Bärenschwänze angebracht und sie bereiten sich auf den Umzug vor. Dieser startet von dort aus um 14 Uhr und führt – begleitet von einer Musikkapelle und zahlreichen Zuschauern – rund zwei Stunden durch Heldra. Am Ende kommen sie am Sportplatz in Heldra an. Dort werden sie aus dem Stroh geschnitten, welches anschließend verbrannt wird.
Die Frage aller Fragen beantwortet Stefan Migenda dann auch noch: Was, wenn ein Strohbär mal dringend muss? „Da gibt es zwei Optionen. Stark bleiben und einhalten – oder einfach laufen lassen...“, sagt er und lacht. (Theresa Lippe)