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Hinter den Kulissen der Kläranlage in Reichensachsen

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Von: Julia Stüber

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Umwandlung: Aus dem Ammonium, das im Abwasser enthalten ist, wird schließlich Nitrat. Dafür wird im ersten Schritt Sauerstoff hinzugefügt (Bild), wie Betriebsleiter Pascal Jacob erklärt.
Umwandlung: Aus dem Ammonium, das im Abwasser enthalten ist, wird schließlich Nitrat. Dafür wird im ersten Schritt Sauerstoff hinzugefügt (Bild), wie Betriebsleiter Pascal Jacob erklärt. © Julia Stüber

Ohrenstäbchen, Ringe, Ketten oder auch mal ein Goldzahn: Im Klärwerk in Reichensachsen kommt so mancher Gegenstand mit dem Abwasser an, der dort eigentlich nicht hineingehört.

Reichensachsen – Besonders ein Fundstück ist Pascal Jacob, Betriebsleiter und ehrenamtlicher Geschäftsführer des Abwasserverbandes Wehretal-Sontratal, in Erinnerung geblieben: Eine Puppe, bei der anfangs nicht ganz klar erkennbar war, ob es sich wirklich nur um ein Spielzeug oder einen Menschen handelt. Auch solche Gegenstände werden fälschlicherweise über Kanaldeckel entsorgt und landen am Ende im Klärwerk. „Dem Anschein nach wird inzwischen leider Müll auch über die Toilette entsorgt. . Feuchttücher bereiten uns Probleme“, sagen Jacob und Jochen Kistner, ehrenamtlicher Verbandsvorsteher. In der Masse werden die Tücher, die eigentlich in die Mülltonne gehören, zu einer Art „Zopf“ - sie hängen fest zusammen und verstopfen die Pumpen.

Und eben diese Verstopfungen können auch zu Störfällen führen. „Die Gefahr müssen wir dann richtig einschätzen und entsprechend reagieren“, sagt Jacob. Störungen können zum Beispiel auch durch Stromausfälle oder konstanten Regen hervorgerufen werden. All diese Meldungen und Messwerte kommen im Prozessleitsystem an. Entweder können die Probleme dann direkt über den Computer behoben werden oder ein Mitarbeiter muss zum Ort des Geschehens fahren. Dafür gibt es an sieben Tagen die Woche einen 24 Stunden Notdienst.

Die Sicherheit

Müssen Störfälle behoben werden, steht für die Mitarbeiter das Thema Sicherheit immer mit an oberster Stelle. Dafür werden jährlich Rettungsübungen durchgeführt. „Wenn die Kollegen unter der Erde arbeiten müssen – also zum Beispiel Verstopfungen an den Pumpwerken in den jeweiligen Ortschaften lösen – geht das oft mit einem Spülfahrzeug. Manchmal muss die Verstopfung aber auch direkt durch die Mitarbeiter entfernt werden“, sagt Jacob. Und dann kann es mitunter auch mal zu riskanten Situationen kommen. Zum Beispiel, weil Gase entstehen, die für die Mitarbeiter gefährlich werden, wenn sie sie einatmen. „Deswegen arbeiten wir immer im Team zusammen und üben jährlich - alle Abläufe müssen reibungslos laufen.“

Das Klärwerk

All das Abwasser, das von den Mitgliedskommunen des Abwasserverbandes kommt, fließt am Ende in Reichensachsen zusammen. Im Regelfall können so etwa 40 bis 60 Liter – ohne Regenwasser - dort landen.

Abwasser aus den Mitgliedsorten des Verbandes kommt in Reichensachsen an.
Abwasser aus den Mitgliedsorten des Verbandes kommt in Reichensachsen an. © Julia Stüber

„Irgendwann erreichen wir einen maximalen Zufluss. Dann fließt das übergetretene Abwasser ins Regenüberlaufbecken“, erklärt Jacob. Nun geht es weiter zur ersten Reinigungsstufe. Bei dieser mechanischen Vorreinigung gelangt die braune Brühe über Leitungen zunächst in einen Schacht, weiter geht es über Pumpen in die Siebtrommelanlage. Gegenstände, die größer als drei Millimeter sind, werden direkt herausgefiltert und in einen Container befördert.

Das verbliebene Abwasser wird in einen weiteren Sammelschacht transportiert – hier wird zwischen Sandfang und Fettfang entschieden. Das Abwasser wird also erneut gefiltert und besteht danach überwiegend aus organischen Bestandteilen.

Das Herzstück

Jetzt kommt das Abwasser in den Stabilisierungsbecken an. „Sie sind das Herzstück der ganzen Anlage“, sagt Jacob. In zwei Schritten wird Ammonium zu Nitrat umgewandelt. Dafür brauchen die Bakterien im Abwasser Sauerstoff – und der wird fein eingeperlt. „Urin enthält Ammonium. Und dieser Bestandteil ist ein Fischgift. Die Tiere können daran verenden – also muss Ammonium umgewandelt werden“, erklärt Jacob. Über einen Quelltopf verteilt sich das Abwasser schließlich in drei Nachklärbecken. Und plötzlich wird aus der anfänglichen braunen Brühe nahezu klares Wasser. Denn: Der verbliebene Schlammanteil setzt sich in den Becken ab. „Das Wasser hat zwar keine Trinkwasserqualität, aber tatsächlich Badewasserqualiät.“ Nun kann das gefilterte, klare Wasser in die Wehre abgeleitet werden. Ein Teil des Wassers nutzt der Abwasserverband auch als eigenen Betriebswasser.

Gefiltert: Aus der braunen Brühe ist klares Wasser (rechts) geworden. In dem Becken setzt sich Schlamm ab, das gefilterte, klare Wasser wird schließlich in die Wehre geleitet.
Gefiltert: Aus der braunen Brühe ist klares Wasser (rechts) geworden. In dem Becken setzt sich Schlamm ab, das gefilterte, klare Wasser wird schließlich in die Wehre geleitet. © julia stüber

Der Klärschlamm

Doch was passiert nun mit dem übrig gebliebenen Schlamm? Der ist gar nicht so leicht zu entsorgen. Zunächst muss das Wasser herausgefiltert werden. Ein Teil des Schlammes wird auf einer Art Beet gesammelt – hier trocknet er einfach mit der Zeit aus.

Bei der mechanischen Schlammentwässerung wird er eingedichtet, abgepresst und auf dem Gelände gelagert. Letztlich wird der krümelige, schwarze Klärschlamm von einem Lastwagen abgeholt und zur Verbrennungsanlage nach Witzenhausen gebracht.

(Julia Stüber)

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