Antidiskriminierungsstelle mahnt Bäcker ab: „Rassistische“ Motive auf Berlinern

Bäcker Herrmann aus Heilbronn dachte sich laut eigenen Angaben nichts Böses, als er seine Berliner verzierte. Nun wird ihm wegen bestimmten Figuren auf dem Gebäck vorgeworfen, rassistische Stereotype zu bedienen.
Heilbronn - Rolf Herrmann versteht die Welt nicht mehr. Dass die Berliner, die er in seinen drei Bäckerei-Filialen anbietet, einmal als rassistisch gelten würden, hätte er bis dato nicht vermutet. Nun hat er eine Abmahnung der Antidiskriminierungsstelle der Stadt Heilbronn erhalten. Wie Focus Online berichtet, wird dem Bäckerei-Geschäftsführer die „Verwendung rassistischer Stereotype im Rahmen von Fasching“ vorgeworfen. Der Grund: Die Dekoration auf den Berlinern bestand aus Figuren, die neben Chinesen und weißen Cowboys auch schwarze und indigene Menschen abbildeten. Die Art, wie die Männchen dargestellt seien, reproduziere kolonialistische Vorstellungen sowie die „Geschichte von Unterdrückung und kulturellen Aneignungen“, so die Behörde.
Ins Rollen gebracht wurde die Debatte laut Focus von einer Kundin, die die Berliner entdeckte und sie als problematisch empfand. Nachdem sie Fotos an die Antidiskriminierungsstelle geschickt hatte, schickte diese Rolf Hermann umgehend eine Abmahnung. Dabei merkte die Behörde an, dass „sich Menschen insbesondere an Fasching als andere verkleiden, um die europäische Fantasie einer nicht europäischen Menschen-Gruppe zu leben“. Mit der Realität von schwarzen und indigenen Menschen habe diese Vorstellung nichts zu tun.
Bäckerei-Inhaber aus Heilbronn schäumt vor Wut: „Das wirkt ja wie eine Faschingspolizei“
Wenn es um die Frage nach rassistischen Stereotypen geht, ist die Diskussion um die Berliner der Bäckerei aus Baden-Württemberg bei weitem nicht die erste. Erst im vergangenen Sommer erhitzte das Thema die Gemüter, als der Verlag Ravensburger ein Winnetou-Buch wegen des Vorwurfs kultureller Aneignung zurückzog.
Wenn so etwas Schule macht, brauchen wir keinen Fasching mehr.
Obwohl er dazu aufgefordert wurde, die Dekoration seines Süßgebäcks abzuändern, möchte sich Bäcker Herrmann der Abmahnung nicht beugen. „Das ist lächerlich“, sagt er gegenüber Focus Online. „Wenn so etwas Schule macht, brauchen wir keinen Fasching mehr.“ Zwar seien die Dekorationen aktuell nicht lieferbar – falls sie es wieder seien, würden sie aber wieder auf die Berliner kommen. Mit Rassismus habe seine Deko nichts zu tun, findet der Bäcker. Beistand erhalte er von seinen Kunden: „Viele, die davon erfahren haben, schütteln nur mit dem Kopf. Haben wir denn derzeit keine anderen Sorgen in Deutschland als so einen Quatsch?“
Was den Bäckerei-Inhaber besonders wurmt: Statt auf ihn persönlich zuzugehen, hat die Kundin, die den Vorfall gemeldet hat, sich direkt an die Stadt gewendet. „So etwas geht gar nicht“, wettert Herrmann. „Das wirkt ja wie eine Faschingspolizei.“ Auch im Netz sorgt der Vorfall für Wirbel, wie hunderte Kommentare auf Facebook zeigen. Einigen Nutzern dort geht die Abmahnung zu weit. Nun meldete sich auch nochmal die Antidiskriminierungsstelle zu Wort. „Natürlich ist die Faschingsdekoration eines Berliners nicht die vordringliche Aufgabe einer Antidiskriminierungsstelle“, schreibt der Stadt- und Kreisjugendring als Trägerverein in einer Pressemitteilung, die der Heilbronner Stimme vorliegt. „Aber die Beratung und Unterstützung von Betroffenen sowie die Qualifizierung und Sensibilisierung der Bevölkerung für einen diskriminierungssensiblen Umgang einer Gesellschaft miteinander gehören zu ihren Aufgaben.“
Kulturelle Aneignung: Auch andere Fälle wurden in Deutschland heftig diskutiert
Ein ganz anderer Fall, bei dem eine mögliche kulturelle Aneignung diskutiert wurde, ereignete sich auch im März 2022. Damals lud Fridays for Future eine Musikerin von einer Demo aus, weil diese weiße Dreadlocks trug. Im Zuge der Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten trugen Afroamerikaner Dreadlocks-Frisuren bewusst als Ausdruck ethnischen Stolzes. In den Augen der Fridays-for-Future-Bewegung hatte die Musikerin deshalb eine Grenze überschritten. Auch die Faschingszeit ist geradezu prädestiniert für derartige Debatten. Traditionellerweise verkleideten sich hier viele Menschen jahrelang etwa als Indianer, ohne dass sie dabei einen bestimmten Hintergedanken hatten. Um Menschen noch stärker für die Thematik zu sensibilisieren und auf mögliche Missstände hinzuweisen, bauen mehrere Bundesländer derzeit Antidiskriminierungsstellen auf. Baden-Württemberg gehört hier zu den Vorreitern.