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Erziehungswissenschaftlerin warnt vor möglichen gravierenden Folgen für Kinder, wenn Eltern schimpfen

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Von: Sina Alonso Garcia

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Ein kleines Mädchen weint.
Kinder, die emotionale Gewalt erleben, entwickeln Veränderungen im Gehirn. (Symbolfoto) © IMAGO / Panthermedia

Wenn Eltern ihre Kinder anschreien, können sie damit Prozesse im Gehirn auslösen, die zu schwerwiegenden Folgen für die Persönlichkeit führen können. Wie gravierend die Auswirkungen sind, zeigen Studien.

Belmont - Erfahrungen in der frühen Kindheit prägen Menschen häufig ihr Leben lang. Wer in jungen Jahren anstelle von bedingungsloser Liebe emotionale Gewalt erlebt, wird es als Erwachsener schwer haben, mit sich und der Welt im Reinen zu sein. Was vielen Eltern nicht bewusst ist: Emotionale Gewalt beginnt bereits, wenn Kinder angeschrien oder geschimpft werden. Wie Neurowissenschaftler herausgefunden haben, kennt unser Gehirn keinerlei Unterschied zwischen körperlicher und verbaler Gewalt.

In ihrem Buch „Worte wie Pfeile - über emotionale Gewalt an unseren Kindern und wie wir sie verhindern“ schreibt die Erziehungswissenschaftlerin Anke Elisabeth Ballman über die Prozesse, die in den Gehirnen von Kindern ablaufen, wenn sie angeschrien werden. „Worte können ein Kind erschüttern, tief verletzen, können seine Entwicklung verändern, nachhaltig beeinflussen oder sogar zum Stillstand bringen. Wenn ein Kind angeschrien, beschämt oder erpresst wird, ist das Gewalt“, heißt es darin beispielsweise. Ihre Ausführungen belegt Ballman mit Studien von Neurowissenschaftlern der Harvard Medical School.

Kinder können schwere Traumata erleben, wenn sie angeschrien werden - Studien lassen aufhorchen

Mithilfe sogenannter fMRT-Scans suchen die Forscher aus Harvard seit rund zwanzig Jahren nach dem Sitz der Sprache im menschlichen Gehirn. Abschließend bestimmen konnte man diesen zwar noch nicht - allerdings konnten die Wissenschaftler beobachten, dass zuständige Areale im Scanner aufleuchteten, sobald Angst, Aufregung, Stress oder Vorfreude im Spiel waren. Die Folge: Entsprechende körperliche Reaktionen bei Betroffenen. Anhand ihrer Versuche konnten die Forscher nachweisen, dass Gewalt durch Sprache genauso bedrohlich erlebt wurde wie körperliche Attacken. Sprich: Wer ein Kind anschreit, erpresst, oder beschämt, kann damit schwerwiegende Traumata auslösen.

Studie der Harvard Medical School

Die Wissenschaftler um Martin Teicher von der Harvard Medical School in Belmont (Massachusetts) untersuchten in ihrer Studie 193 junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren. Anhand von Befragungen stellten sie fest, wer von den Probanden in der Kindheit körperliche oder psychische Gewalt erlebt hat und führten anschließend Hirnscans durch.

Wie die Untersuchungen zeigten, weisen Menschen, die als Kinder psychische Gewalt erlebt haben, einen entscheidenden Unterschied zu denjenigen auf, die keiner emotionalen Gewalt ausgesetzt waren. Bei denen, die als Kinder verbalen Attacken und Stress ausgesetzt waren, war der Hippocampus kleiner als bei den Menschen, die keine Gewalterfahrung gemacht haben. Die Ursache für den zu kleinen Hippocampus liegt vermutlich in der hormonellen Stressverarbeitung, die vor allem bei Kindern unter fünf Jahren störungsanfällig ist.

Kleiner Hippocampus: Betroffene sind anfälliger für psychische Erkrankungen

Doch was bedeutet es, wenn Menschen einen zu kleinen Hippocampus haben? Tatsächlich spielt dieser Teil des Gehirns eine riesige Rolle für die Bewertung und Steuerung von Emotionen sowie die Fähigkeit, mit Emotionen umzugehen. Das bedeutet konkret: Er entscheidet darüber, wie Menschen Stress bewältigen oder ob sie anfällig für psychische Erkrankungen sind. In der Studie waren diejenigen, die in der Kindheit Beleidigungen, Demütigungen und Drohungen erfahren haben, häufiger depressiv, litten an Angsterkrankungen, posttraumatischen Belastungsstörungen oder Borderline-Störungen.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text ist bereits in der Vergangenheit erschienen. Er hat viele Leserinnen und Leser besonders interessiert. Deshalb bieten wir ihn erneut an.

Vermutlich können Eltern manchmal nicht verhindern, dass sie laut werden oder, weil sie selbst gestresst sind, ein Kind anschreien. Falls dies der Fall ist, können sie den Fehler jedoch durch einen entscheidenden Schritt wiedergutmachen: Sobald sie sich beim Kind aufrichtig entschuldigen, kann das Vertrauen und die Gewissheit, dass man sich wieder liebevoll verbunden ist, entscheidend gestärkt werden.

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