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Klima-Aktivisten blockieren Straßen: Können sie belangt werden? Anwältin klärt auf

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Von: Marc Dimitriu

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Sachsen, Dresden: Umweltaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ sitzen während einer Demonstration auf der Fahrbahn an einer Ampelkreuzung vor stehenden Autos.
Sachsen, Dresden: Umweltaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ sitzen während einer Demonstration auf der Fahrbahn an einer Ampelkreuzung vor stehenden Autos. © Sebastian Kahnert/dpa

Sind die Klima-Aktivisten schuld am Tod einer Radfahrerin? Die Debatte wird derzeit hitzig geführt. Eine Anwältin erklärt die sachlichen Fakten.

Berlin – Durch den Tod einer Radfahrerin in Berlin geraten Klima-Aktivisten unter Rechtfertigungsdruck. Die Radfahrerin war am vergangenen Montag in Berlin-Wilmersdorf von einem Lastwagen erfasst und überrollt worden. Dabei trug die 44-Jährige so schwere Verletzungen davon, dass nun der Tod festgestellt wurde.

Klima-Aktivisten Schuld am Tod der Radfahrerin oder Autofahrer wegen fehlende Rettungsgasse?

Der Unfall hat für bundesweites Aufsehen und Diskussionen gesorgt. Denn ein Spezialfahrzeug, das helfen sollte, die Verletzte unter dem Lastwagen zu befreien, stand nach Angaben der Feuerwehr in einem Stau auf der Stadtautobahn. Dieser soll durch eine Aktion der Klima-Protestgruppe „Letzte Generation“ ausgelöst worden sein. Doch tragen die Aktivisten wirklich die Schuld oder liegt der Fehler viel mehr an den Autofahrern, die keine Rettungsgasse gebildet haben? Wie es in einem neuen Bericht der Feuerwehr Berlin heißt, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, haben in diesem Fall weder Aktivisten noch Autofahrer schuld. Denn die Notärztin vor Ort hätte sich sowieso gegen einen Einsatz des Spezialfahrtzeuges entschieden.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser forderte zuvor noch ein entschiedenes Vorgehen: „Wenn Straftaten begangen werden und andere Menschen gefährdet werden, ist jede Grenze legitimen Protests überschritten“, sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „All das hat mit einer demokratischen Auseinandersetzung überhaupt nichts zu tun. Die Straftäter müssen schnell und konsequent verfolgt werden.“ Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte, juristisch ein Verbot der Klima-Protestgruppe „Letzte Generation“ zu prüfen. Auch in München startete die Gruppe zuletzt häufig Proteste.

Polizei ermittelt gegen zwei Klima-Aktivisten: Haftstrafe unwahrscheinlich

Die Polizei ermittelt bislang noch gegen zwei 63 und 59 Jahre alte Klima-Aktivisten wegen unterlassener Hilfeleistung beziehungsweise der Behinderung hilfeleistender Personen. Es müsse – auch mit Sachverständigen – der kausale Zusammenhang zu den Blockaden geprüft werden, hieß es von der Polizei. Die große Frage: Können die Aktivisten verantwortlich gemacht werden?

Ulrike Paul, Vizepräsidentin der Bundesrechtsanwaltskammer, erklärte gegenüber ntv.de, dass sie es für eher unwahrscheinlich hält, dass in Deutschland Klima-Aktivisten im Gefängnis landen. Unabhängig von dem Druck der Politik und Teilen der Gesellschaft müssten die Aktivisten einen Straftatbestand erfüllen, der mit einer Haftstrafe belegt ist, so die Fachanwältin für Strafrecht. Auch eine Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr wäre möglich, was laut ntv.de fünf Jahre Gefängnis bedeuten könnte. Paul erklärt jedoch; „Allerdings nur, wenn die Aktion der Aktivisten kausal war.“

Klima-Aktivisten blockieren Straßen: Können sie belangt werden? Rechtsanwältin klärt auf

Das bedeute, dass die Radfahrerin durch nichts anderes hätte lebensgefährlich verletzt werden dürfen und der Einsatzwagen durch nichts anderes blockiert sein dürfen. Wie die Rechtsanwältin betont, müsste die Ursache zweifelsfrei die angeklebten Hände sein, was einen Nachweis schwierig macht. Denn „es hat eben nicht die Aktivistengruppe, sondern der Betonmischer die Frau überrollt.“

Eine andere Möglichkeit wäre, wenn bewiesen würde, dass der Tod eingetreten sei, weil die Frau verspätet in die Klinik gebracht wurde. „Allerdings könnte es auch sein, dass der Einsatzwagen blockiert war, weil es keine Rettungsgasse gab“, so Paul gegenüber ntv.de. Die Mitglieder der „Letzten Generation“ würden nach eigenen Angaben immer darauf achten, eine Rettungsgasse zu bilden. Zudem räumte die Feuerwehr auch schon vor dem neuen Bericht ein, dass fehlende Rettungsgassen ein gängiges Problem auf der Berliner Stadtautobahn sei. Damit sei eine Kausalität laut Paul schwer herzustellen: „Das wird das größte Problem einer Anklage oder gar einer Verurteilung in den angezeigten Straftatbeständen der Körperverletzung.“

Strafe für „Letzte Generation“? Geldstrafe möglich

Die Anwältin Ulrike Paul erklärte, dass auch eine Anklage wegen Nötigung möglich sei. Doch für einen nicht vorbestraften Aktivist würde das kaum mehr als eine Geldstrafe von 20 bis 30 Tagessätzen bedeuten und keine Haftstrafe. „Das ist vielleicht ein Monatsgehalt. Es wird die Gruppe aber kaum abschrecken, weiterzumachen.“

Die Gruppe „Letzte Generation“ zeigte sich auch bestürzt über die Nachricht vom Tod der Frau. „Es trifft uns tief, dass die Radfahrerin, die am Montag in Berlin bei einem Unfall von einem Betonmischer schwer verletzt wurde, nun für hirntot erklärt wurde“, erklärte Aktivist Henning Jeschke am Donnerstag auf dpa-Anfrage.

Eigenmächtig Verkehrsschilder manipulieren und Autos langsamer fahren lassen? Mit einer Protestaktion sorgen Klimaaktivisten in Baden-Württemberg für Ärger. (md mit dpa)

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