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Schüler vom Unterricht ausgeschlossen, weil sie Jogginghosen anhaben

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Von: Lucas Maier

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Für viel Empörung sorgt das Vorgehen einer Schule in Wermelskirchen. Wer hier eine Jogginghose trägt, muss nach Hause. Viele Eltern sind wütend.

Update von Freitag, den 24. März: Auf Anfrage meldete sich nun der Didaktische Leiter der Sekundarschule Wermelskirchen, Moritz Lohmann, auf Anfrage von Ippen.Media zu Wort. Die Vorwürfe der Elternschaft könne er nicht bestätigen, heißt es in der schriftlichen Antwort.

Nach Darstellung von Lohmann, seien „einige wenige Jugendliche zum Umziehen nach Hause geschickt“ worden. Ein „Ausschluss von der Schule für einen Tag oder mehr“, sei nie erfolgt. Eine „dienstliche Anweisung, Schüler:innen deshalb (wegen des Tragens einer Jogginghose - Anm. d. Red.) mit ‚ungenügend‘ zu bewerten“, sei ebenfalls nicht erfolgt, so der Didaktischer Leiter gegenüber HNA.de.

Erstmeldung von Mittwoch, dem 22. März: vom Wermelskirchen – Suspendierungen – also der Ausschluss vom Schulalltag – zählt zu schwersten Geschützen, die eine Schule gegen mutmaßliche Regelbrecher auffahren kann. In Nordrhein-Westfalen zeigen sich mehrere Eltern derzeit erzürnt über die Anwendung der harten Strafmaßnahme.

In der Sekundarschule von Wermelskirchen sollen Jungen und Mädchen vom Unterricht nach Hause geschickt worden sein, weil sie in Jogginghose zur Schule erschienen sind. Das berichtet die Rheinische Post.

Jogginghose sorgt für Eskalation: Schule verteidigt Einschränkung der Grundrechte

„Das kann doch wohl nicht sein, dass die Kinder dann Zuhause vor verschlossener Türe stehen, weil die Eltern auf der Arbeit sind“, zeigt sich Daniel Thomas, Vater von zwei Kindern (13 und 16 Jahre alt) im Gespräch mit der Rheinischen Post erbost über das Vorgehen an der Schule. Weiter kritisiert er, dass die Suspendierung seiner Kinder im Widerspruch zur Schulpflicht stehen würde.

Schule schickt Kinder nach Hause: Falsche Kleidung führt zum Ausschluss und zu Wut bei den Eltern.
Schule schickt Kinder nach Hause: Falsche Kleidung führt zum Ausschluss und zu Wut bei den Eltern. (Symbolbild) © Daniel Karmann/dpa

„Sie (die Kleiderordnung, Anm. d. Red.) stellt im Bereich Schule einen legitimen Eingriff in die freie Äußerung und Entfaltung dar, da ihrem Kind innerhalb dieses Rahmens zahlreiche Möglichkeiten zum freien Ausdruck offen stehen“, heißt es in einem Elternbrief der Schule in Wermelskirchen. In dem auf Montag (13. März) datierten Brief droht die Schule bereits an, Schülerinnen und Schüler bei Verstößen nach Hause zu schicken.

Suspendierung von Schülern: Schule spricht von „Einzelfällen“ – Mutter sind über 50 Fälle bekannt

Während die Sekundarschule in ihrem Schreiben davon spricht, sie würde sich „im Einzelfall vorbehalten, Schüler:innen mit unangemessener Kleidung nach Hause zu schicken, um sich umzuziehen und in angemessener Kleidung ihrer Schulpflicht nachzukommen“, scheint die Situation laut der Elternschaft eine andere zu sein: Bereits über 50 Kinder sollen bereits aufgrund von Verstößen gegen die Kleiderordnung nach Hause geschickt worden sein, wie die Mutter Katja Willumat gegenüber der Rheinischen Post angibt.

Ihren Ursprung sollen die Maßnahmen in einem Konferenzbeschluss aus dem Jahr 2018 haben, wie die Schule in dem oben erwähnten Elternbrief schreibt. Im Zuge der Entscheidung wurde sich auch auf einen Artikel der Willy Brandt Schule in Mühlheim bezogen und ein Piktogramm aus diesem übernommen.

Schaubild, auf das sich die Sekundarschule bezieht.
Schaubild, auf das sich die Sekundarschule in Wermelskirchen bezieht. © Hintergrund: Alberto Paredes, Vordergrund: Screenshot der Website der Sekundarschule Wermelskirchen

Jogginghosen-Verbot in Wermelskirchen: Schule veröffentlicht Zeichnung

„Mir ging es schlichtweg auf die Nerven, dass ich mich als Lehrer ständig rechtfertigen musste, wenn Kevin mal wieder in seiner schlabbrigen Jogginghose zur Schule kam“, wird beispielsweise ein Lehrer in dem Artikel aus Mühlheim zitiert. Die Zeichnung aus dem Artikel wurde im Jahr 2018 von der Sekundarschule in Wermelskirchen mit „Konferenzbeschluss“ übernommen.

Hierfür gibt es Ärger an der Sekundarschule Wermelskirchen
Verhüllter Kopf:Sonnbrillen, Jacken, Mützen und anderes sind im Unterricht tabu. (Außer aus religiösen Gründen)
Haut im Bauchbereich:Bachnabel und Bauch müssen bedeckt sein.
Leggins:Nur in Kombination mit einem zweiten Kleidungsstück darüber erlaubt.
Tiefe Einblicke:Ausschnitte sind ebenso verboten, wie das zeigen von Teilen der Unterwäsche.
Text und Bild:Die Kleidung darf keine Aufdrucke haben, die Rassismus, Sexismus, Drogen oder Gewalt verherrlicht.
Zu sportliche Kleidung:Trainingsanzug und Jogginghose sind untersagt.
Quelle: Website der Sekundarschule Wermelskirchen

„Der Bildungsalltag der Schule erstreckt sich auch auf die Vorbereitung auf ein Leben in der Öffentlichkeit und im Arbeitsleben“, begründet die Schule ihre Kleidervorschriften. Der Kleidungsstil, den die Kinder in der Öffentlichkeit tragen, sollte sich von dem im Schutzraum „zu Hause“ unterscheiden, schreibt die Schule weiter.

Jogginghose im Arbeitsalltag: Auch der Chef braucht einen Grund für das Verbot

Tatsächlich ist es mit Kleidungsvorschriften in Deutschland nicht so ohne weiteres möglich. Denn in Artikel 2 des Grundgesetzes das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit festgeschrieben.

Artikel 2 Abs. 1 des deutschen Grundgesetzes

Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

Wenn beispielsweise Arbeitgeber ihren Angestellten eine gewisse Kleidungswahl vorschreiben, müssen sie diese auch begründen können. Die Kleiderordnung wird hier häufig mit Sicherheitsaspekten oder Kundenkontakt begründet. Für das in Krafttreten ist hierfür, soweit vorhanden, die Zustimmung des Betriebsrates notwendig, wie es von der Gewerkschaft verdi heißt.

Die Schule in Wermelskirchen hat bislang auf eine schriftliche Stellungnahme nicht geantwortet. Übrigens: 77 Prozent der Kinder in Deutschland fordern eine Veränderung in der Schulpolitik. (Lucas Meier)

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