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„Zur Abschreckung gegen Russland“: Bundeswehr-Schreiben nennt geheime Details zur Neuaufstellung

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Von: Patrick Mayer

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Hauptwaffe des Bundeswehr-Heeres: der Leopard 2 A6.
Hauptwaffe des Bundeswehr-Heeres: der Leopard 2 A6. © Peter Steffen/dpa

Die deutsche Bundeswehr steht vor dem Hintergrund des Russland-Ukraine-Kriegs vor einer riesigen Neuaufstellung. Jetzt werden neue Maßnahmen im Heer bekannt.

München/Berlin - Es ist der größte Teil der deutschen Bundeswehr: das Heer. In den Landstreitkräften dienen laut letzter Aktualisierung der Bundeswehr vom 30. April 2022 aktuell 63.132 Soldatinnen und Soldaten. Zum Vergleich: In der Luftwaffe (27.220) ist es weniger als die Hälfte.

Deutsche Bundeswehr: Details zu Neuaufstellung des Heeres sickern durch

16 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr, das 100 Milliarden Euro schwer ist, sollen laut Angaben des Bundesverteidigungsministeriums in eben jenes Heer fließen. Davon sollen die vorhandenen (und eigentlich modernen) Puma-Schützenpanzer nachgerüstet werden. Denn: Laut Ministerium waren zuletzt von 350 vorhandenen Exemplaren nur rund 150 einsatzbereit. Weitere Modelle des leichten Radpanzers, der Panzergrenadiere geschützt transportiert, sollen beschafft werden.

Es ist insgesamt eine riesige Herausforderung. Der Russland-Ukraine-Krieg hat alles verändert. Der Inspekteur des Heeres, Alfons Mais, hat seinen Soldatinnen und Soldaten in einem internen Schreiben jetzt eine Generalüberholung der Organisationsstruktur angekündigt. Aus dem Schreiben zitiert die Bild. Demnach erklärt der 60-jährige Mais: „Das Aufgabenpaket lässt sich aus der heutigen Grundaufstellung des Heeres (…) nicht mehr bewerkstelligen.“

Deutsche Bundeswehr:Soldatinnen und Soldaten:
Truppenstärke insgesamt183.427
Heer63.132
Streitkräftebasis27.836
Luftwaffe27.220
Sanitätsdienst19.777
Marine15.988
Cyber- und Informationsraum14.276
Bundeswehr-Universitäten8009
Nachgeordnete Dienststellen3331
Bereich Aufrüstung1802
Bundesministerium der Verteidigung1104
Infrastruktur952

Quelle: Personenzahlen der Bundeswehr, bundeswehr.de, Stand 30. April 2022

Bundeswehr in Zeiten des Russland-Ukraine-Kriegs: Weitere Brigade in Litauen an der Nato-Ost-Flanke

Zur Prämisse müsse der Grundsatz „train (and organize) as you fight“ werden. Zu Deutsch: „Übe (und organisiere) so, wie du kämpfst.“ Es sollen „nicht nur die Fähigkeitslücken der Vergangenheit“ geschlossen werden, zitiert die Bild Mais, sondern das Heer solle nun auch auf die sich veränderten Aufgaben der Zukunft vorbereitet werden. Zur Einordnung: Bisher war die deutsche Bundeswehr auf kleinere Auslandseinsätze eingerichtet, sie stellte einzelne Verbände, meist Bataillone mit um die 1000 Soldatinnen und Soldaten.

Zum Beispiel hat Deutschland aktuell die Führung der sogenannten Battlegroup „Enhanced Forward Presence“ in Litauen. Die Bundeswehr stellt 1100 von insgesamt 1600 Soldatinnen und Soldaten in Rukla - unweit der Grenze zu Putin-Partner Belarus. Bei seinem Besuch in Litauen hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Anfang Juni der Regierung in Vilnius zugesichert, das Bundeswehr-Kontingent im Rahmen der Nato-Präsenz zur Abschreckung gegen Russland in dem baltischen Land aufzustocken. Wie Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch (15. Juni) erklärte, werde Deutschland sein Kontingent im Baltikum verdoppeln.

Im Video: Kompakt - Die wichtigsten News zum Russland-Ukraine-Krieg

So stellt Deutschland dort künftig eine weitere feste und ständig einsatzbereite Brigade zur Verteidigung der Nato-Ost-Flanke. Alle acht Länder an besagter Ostflanke, von Bulgarien am Schwarzen Meer bis nach Estland an der Ostsee, sollen eine eigene Battlegroup erhalten. Unter der Führung eines großen Nato-Staates.

Während die deutsche Bundeswehr in Litauen federführend ist, steht die NATO-Battlegroup Poland im vergleichsweise großen Polen unter der Führung der USA. Jene Vereinigten Staaten hatten spätestens nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine den Druck auf den Nato-Bündnispartner Deutschland erhöht.

Bundeswehr in Zeiten des Russland-Ukraine-Kriegs: Deutschland übernimmt bald „Nato-Speerspitze“

Laut Bild sei Mais‘ Ziel für das Heer nun eine sogenannten Kaltstartfähigkeit. Heißt: Großverbände mit Brigaden von circa 5000 Soldatinnen und Soldaten sollen binnen kurzer Zeit als Gesamtes einsatzbereit sein. Ziel sei es ferner, dass das Heer ab 2025 über eine voll ausgestattete Division unter Anleitung der 10. Panzerdivision verfügt.

In den kommenden Jahren will die Bundesregierung eigenen Angaben zufolge neben der 1. und der 10. eine dritte Panzerdivision organisieren. Zur Einordnung: Die Panzerdivisionen zählen bis zu 18.000 Soldatinnen und Soldaten. Mais geht es laut dem internen Schreiben zudem um eine schnelle Digitalisierung der Truppe und um neue Führungsstrukturen. Verbände sollen zusammengefügt, enger verzahnt und/oder umgewandelt werden. „Zur Abschreckung gegen Russland muss die ganze Bundeswehr einsatzbereit werden“, erklärte der ehemalige Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels der Bild: „Dafür braucht sie voll aufgestellte, organische Kampfverbände und kein Hin- und Her-Leihen von Truppenteilen und Gerät.“

Very High Readiness Joint Task Force (VJTF)

Unter diesem Begriff versteht man die schnelle Eingreiftruppe des transatlantischen Bündnisses Nato. Diese hatte die Größe einer Brigade mit 5000 Soldatinnen und Soldaten. Jahr für Jahr übernimmt ein anderer Mitgliedstaat die Führung. 2019 war Deutschland schon an der Reihe, 2020 Polen, 2021 die Türkei, aktuell leiten die französischen Streitkräfte die VJTF mit Truppen aus der Deutsch-Französischen Brigade. Die „Nato-Sperrspitze“ soll in bis zu 72 Stunden überall im Bündnisgebiet im Verteidigungsfall einsatzbereit sein.

Erst kürzlich hatte Verteidigungsministerien Christine Lambrecht (SPD) ein neues „Territoriales Führungskommando“ angekündigt. Dieses soll Truppenverlegungen innerhalb der Bundesrepublik und den Transport alliierter Kräfte durch Deutschland hindurch organisieren. Die nächste große Herausforderung für das Heer ist: 2023 wird Deutschland erneut die Führung über die VJTF übernehmen, die schnelle Eingreiftruppe des transatlantischen Verteidigungsbündnisses, auch „Nato-Sperrspitze“ genannt. Bis dahin sollen die Umstrukturierungen angelaufen sein. (pm)

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