Heikler Corona-Bericht über plötzlichen Sinneswandel vor Merkel-Treffen: Jetzt schlägt Drosten gegen den Spiegel zurück
Bundesweit wurden coronabedingt die Schulen geschlossen. Stark beeinflusst hat diesen Schritt Christian Drosten. Ein Bericht über seine Ratschläge hat ihn nun verärgert.
- Aufgrund von Corona* wurden in ganz Deutschland die Schulen geschlossen.
- Maßgeblich dafür verantwortlich war ein Meinungsumschwung von Christian Drosten*.
- In einem Bericht wurde die Begründung seiner Empfehlung scharf kritisiert. Nun hat der Virologe sich dazu geäußert - und er zeigt sich verärgert.
- Hier finden Sie die grundlegenden Fakten zum Coronavirus und die Corona-News aus Deutschland. Außerdem bieten wir Ihnen in einer Karte die aktuellen Fallzahlen in Deutschland.
Update vom 25. Juni 2020: Charité-Virologe Christian Drosten hat nach dem beim Spiegel erschienen Bericht über seinen Einfluss auf Schulschließungen wegen der Corona-Pandemie schwere Vorwürfe gegen das Magazin erhoben. So schrieb er bei Twitter, die aktuelle Titelgeschichte („Verhängnisvolle Dynamik“) sei „extremst verzerrt“.
Coronavirus: Drosten empfiehlt Schulschließungen - doch seine Begründung macht stutzig
Das Nachrichtenmagazin beschreibt in dem Artikel, wie Drosten sich am 12. März in der Ministerpräsidentenkonferenz plötzlich und unerwartet für Schulschließungen aussprach, während er zuvor stets dazu geraten hatte, Schulen geöffnet zu lassen (wir berichteten). Einen der anwesenden Ministerpräsidenten zitierte der Spiegel mit den Worten „Ich war baff“.
In Bezug auf Drostens Begründung für den Umschwung, dass er vor dem Termin von einer Kollegin aus den USA eine Studie geschickt bekommen habe, heißt es im Artikel: „Ein 13 Jahre altes Paper, das im Internet öffentlich zugänglich ist, hat also die Trendwende für Schulschließungen in Deutschland maßgeblich mit eingeleitet – mit gravierenden Folgen.“
Coronavirus: Kultusminister wollten zunächst weitgehend keine Schulschließungen durchführen
Besonders verheerend: Bis zum 12. März sollen sich die verantwortlichen Kultusminister der Länder „ungewöhnlich einig“ gewesen sein, die Schulen offen zu halten. Doch nach Drostens Empfehlung waren sie chancenlos.
Doch die Spiegel-Vorwürfe lässt Drosten nicht unkommentiert. Er wirft dem Magazin nun vor, möglicherweise auf eine Kampagne gegen ihn hereingefallen zu sein. So sagt Drosten, dass der Artikel „auf zwei anonymen“ Informanten beruhe. „Ob sie sich abgesprochen haben, kann der Spiegel nicht überprüfen“, lautet das Statement des Virologen bei Twitter.
Coronavirus: Drosten richtet Vorwürfe an Magazin - Autorin weist sie zurück
Das Magazin hat auf Drostens Anschuldigungen bereits reagiert - und sie zurückgewiesen. Lydia Rosenfelder (37), die Autorin des Artikels, fragte Drosten ebenfalls bei Twitter: „Wie kommen Sie zu dieser Behauptung? Wir haben mehr als zwei Quellen.“ Insgesamt habe der Spiegel mit fünf Personen gesprochen, „die in der Ministerpräsidentenrunde saßen und unsere Darstellung bestätigten, darunter auch Bundesminister.“
Bleibt abzuwarten, ob der Twitter-Zoff zwischen Drosten und dem Spiegel in eine nächste Runde geht. Der Virologe scheint mittlerweile jedenfalls genug von dem Medienrummel um seine Person zu haben. Das macht er unter anderem in Twitter-Postings deutlich.
Und auch sein Podcast in Zusammenarbeit mit dem NDR soll nun erst einmal längere Zeit pausieren.
Coronavirus: Schulschließungen von Drosten empfohlen - nun gibt es Wirbel
Erstmeldung vom 21. Juni 2020:
Berlin - Coronabedingt wurden in ganz Deutschland die Schulen geschlossen - diese Entscheidung wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Lange wollte man die Schulschließungen vermeiden, schließlich kam es doch so weit. Dabei spielte auch die Meinung von Virologe Christian Drosten eine wichtige Rolle - und die änderte sich plötzlich, wie der Spiegel jetzt berichtet.
Coronavirus: Schulschließungen? Ungewöhnliche Einigkeit bei Kultusministerkonferenz
Das Leben kehrt nach und nach zurück, Geschäfte, Cafés und Restaurants dürfen wieder öffnen, nur Kitas und Schulen bleiben für viele Kinder geschlossen. Ein fatales Signal für die soziale Gerechtigkeit. Das sahen wohl auch die Kultusminister der Länder so. Wie Recherchen des Spiegel zeigen, herrschte bei der Kultusministerkonferenz am 12. März ungewöhnliche Einigkeit: Demnach sollten Schulen grundsätzlich geöffnet bleiben, in Einzelfällen seien auch Schließungen möglich.
Die parallel dazu stattfindende Ministerkonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten entschied sich jedoch anders - obwohl eine Mehrheit anfangs ebenfalls klar gegen Schulschließungen war. Für den Meinungsumschwung mitverantwortlich: Virologe Christian Drosten. Er las am Abend des 11. März einen Artikel, der bereits 2007 erschienen war. Dabei handelt es sich um eine Auswertung von Daten über die Spanische Grippe in 43 amerikanischen Städten. Der Text wurde dem Virologen von einer amerikanischen Kollegin weitergeleitet, wie der Spiegel weiter berichtet.
Coronavirus: Schulschließungen? Drosten zunächst „Das bringt nicht so viel“
Noch am Mittag hatte Drosten über Schulschließungen gesagt: „Das bringt nicht so viel“. Er vertrat die Ansicht, dass sich die Ansteckungsgefahr* nur verlagern würde, etwa wenn Nachbarskinder miteinander spielten. Außerdem könnten Eltern nicht mehr arbeiten gehen. „Wir müssen andere Dinge machen, die keinen großen Schaden in der Organisation der Gesellschaft anrichten oder im wirtschaftlichen Leben", sagte der Virologe damals.
23 Stunden später ging die nächste Folge seines NDR-Podcasts online, in dem Drosten seit Beginn der Pandemie über seine Erkenntnisse berichtet. Dort berichtete er von dem „sehr wertvollen wissenschaftlichen Artikel“. „Die Konsequenz des Papers ist: Es nützt extrem viel, zwei oder mehr Maßnahmen zu kombinieren. Veranstaltungsstopp und Schulschließungen in Kombinationen sind extrem effizient - vor allem wenn man das mehr als vier Wochen durchhält. Und dann je früher, desto besser“, so Drosten.
Schwedens Chef-Virologe hat derweil den Sonderweg seines Landes als Fehler bezeichnet und von „schrecklichen“ Todeszahlengesprochen.
Coronavirus: 13 Jahre alter Artikel ändert Drostens Meinung zu Schulschließungen
Der Virologe Drosten schien nun für Schulschließungen zu sein, wie der Spiegel weiter berichtet. Kitas und jüngere Grundschüler nahm er in dem Podcast zunächst aus, ohne das virologisch zu begründen. Er sorgte sich, dass arbeitende Eltern kleinerer Kinder keine Betreuung finden könnten. Ein 13 Jahre altes Papier hat also offensichtlich die Wende für Schulschließungen in Deutschland miteingeleitet - mit gravierenden Folgen.
Drosten bewertete neue Erkenntnisse nach seinem damaligen Wissensstand und teilte seine Erkenntnisse als einer der wichtigsten Berater der Bundesregierung sofort mit. Heute ist aber klar, wie begrenzt die Studie auf die aktuelle Pandemie übertragbar ist. Denn anders als bei der Spanischen Grippe scheinen Kinder weniger anfällig für das neuartige Coronavirus zu sein als Erwachsene.
Zudem gelangten Wissenschaftler in China mit einer Studie zum Krankheitsverlauf von Corona-Infizierten zu neuen Erkenntnissen*.
Schulschließungen/Coronavirus: Laschet kontert Virologe Christian Drosten
Drosten stellte klar, dass er immer darauf hingewiesen habe, dass die Situation 1918 eine ganz andere gewesen sei. Trotzdem beeinflusste sein Umschwung die Entscheidung zu Schulschließungen wohl maßgeblich mit.
Nachdem Drosten den Artikel am Mittwoch gelesen hatte, war er Donnerstag ins Kanzleramt eingeladen, wie der Spiegel berichtet. Dort tagte Kanzlerin Merkel (die unterdessen erneut von US-Präsident Donald Trump wegen der deutschen Verteidigungsausgaben angegangen wird) mit den Ministerpräsidenten und Drosten teilte seine neuen Erkenntnisse mit. Armin Laschet richtete direkt eine Frage an den Virologen: „Herr Drosten, Sie haben gestern noch gegen Schulschließungen argumentiert.“ Drosten bejahte dies und erläuterte, was ihm die Kollegin aus den Amerika zugesandt hatte.
Coronavirus: Drosten ändert Meinung zu Schulschließungen: „Ich war baff“
„Ich war baff“, sagt einer der Ministerpräsidenten heute, „der Hauptakteur gegen Schulschließungen war plötzlich anderer Meinung." Die Argumentation derjenigen, die Bedenken hatten gegen einen Shutdown der Schulen, sei plötzlich hinfällig gewesen. Drosten erklärte in dem Gespräch, dass Kinder Infektionsbrücken seien und unterstrich, dass Schulen eine besondere Funktion in sozialen Netzwerken hätten. Dieses Motiv, glaubt ein Gesprächsteilnehmer, habe sich bis heute im Kanzleramt gehalten, heißt es in dem Spiegel-Bericht. Drosten selbst sagt heute, er habe empfohlen, die Situation zu beobachten und bei Bedarf über regionale Schließungen zu entscheiden.
Coronavirus: Schulschließungen: Drosten ändert Meinung, Söder drängt
Einige Bundesländer seien laut Spiegel zurückhaltender mit Schließungen gewesen, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder machte dagegen Druck. Bayern war ganz besonders von der Krise betroffen. Durch Söders Drängen und Drostens Erklärungen sei eine Dynamik entstanden, die nicht mehr aufzuhalten gewesen sei, berichteten Teilnehmer. „Plötzlich mussten sich nicht mehr diejenigen rechtfertigen, die schließen wollten, sondern die, die dagegen waren", so schilderte es ein Teilnehmer laut Spiegel. Am Ende waren die Ministerpräsidenten nachdenklich und verunsichert. Laschet sagte demnach: Er sei zwar nicht restlos überzeugt, aber wenn das alle machten, was bleibe ihm dann anderes übrig.
Am Ostermontag - die Schulen waren schon rund vier Wochen geschlossen - warnten Forscher der Nationalakademie Leopoldina, dass sich die soziale Ungerechtigkeit durch geschlossene Schulen und Kitas verstärken könnte. Sie empfahlen eine baldige Öffnung. Doch gegen das Vorhaben gab es in der Politik zugleich Vorbehalte - was auch mit neuen Erkenntnissen von Drosten zu tun hatte, wie der Spiegel berichtet.
Coronavirus: Schulschließungen? Drosten mit „Blitzaktion“
Am 30. April wollte die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten nach rund sechs Wochen über einen Weg aus dem Lockdown diskutieren. In den Tagen davor machte Drosten eine „Blitzaktion“, wie er es selbst nannte. Eine „grobe, schnell gemachte Studie“. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass auch Kinder mit geringen Symptomen eine hohe Viruslast haben. Es ist allerdings umstritten, dass die Viruslast überhaupt aussagt, wie ansteckend eine Person ist. Kinder könnten genauso infektiös wie Erwachsene sein, war allerdings Drostens Fazit in einem Satz. Der Spiegel bezeichnete den Satz als eine Quelle der Missverständnisse.
Ein Ministerpräsident sagte demnach während einer Videokonferenz, es sei die hartnäckige These von der Gefährlichkeit der Kinder gewesen, die eine rasche Wiederöffnung der Schulen gebremst habe. Landeschefs wie Tschentscher fragte auf einer Schalte im April sogar „ob wir noch mit der richtigen These unterwegs sind" - sie fand kaum Gehör.
Drosten selbst änderte mittlerweile seine Empfehlungen für Kitas und Schulen: „Ganz klar, die müssen wir öffnen, und zur Hälfte öffnen kann man sie auch nicht. Auch wenn wir immer noch nicht genau wissen, wie ansteckend Kinder sind", sagte der Virologe in einem Spiegel-Gespräch. Auf Twitter und in seinem Podcast allerdings betont er jedoch weiterhin die Rolle junger Menschen bei der Virusverbreitung, wie der
berichtet.
Nach dem Massen-Ausbruch bei Tönnies gibt es nun den nächsten Hotspot: In einer Wiesenhof-Fabrik in Oldenburg ist das Coronavirus erneut ausgebrochen.*
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