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Fall Ritzenhoff zeigt: So sehr wehrt sich die CDU gegen Impulse von außen

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Von: Maximilian Kettenbach

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Andreas Ritzenhoff.
Andreas Ritzenhoff. © Jürgen Laackman

Die CDU freut sich über die neu gefundene Demokratie in der Partei. Gleich drei Kandidaten stellen sich zur Wahl - dabei hätten es durchaus mehr sein können.

München – Es ist eine Szene mit Symbolcharakter, die sich Mitte November auf der Regionalkonferenz in Lübeck abspielte. Die drei Favoriten Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn treten an, werden dort angekündigt als die einzigen drei Kandidaten auf die Nachfolge von Angela Merkel. Dabei gebe es Bewerber genug. Andreas Ritzenhoff etwa, der als einziger weiterer Kandidat in Lübeck anwesend ist. Als er sich zu Wort meldet und genau dies fragen will, muss das Fernsehteam des Hessischen Rundfunks (HR) seine Arbeiten einstellen. Ein Fragesteller dürfe nicht gefilmt werden, heißt es. Der Persönlichkeitsrechte wegen – und das, obgleich der HR Ritzenhoff zuvor um Erlaubnis gefragt hatte.

Gefilmt werden darf erst wieder die allgemeine Antwort Annegret Kramp-Karrenbauers. Ritzenhoff bekommt keine Vorstellung auf der Bühne, kein Wort des Grußes an einen Bewerber, der sich aus der Deckung gewagt hatte und für einen Politikwechsel innerhalb der CDU eingetreten war, als Angela Merkel ihren Vorsitz noch gar nicht offiziell abgeben wollte. Damals schien nach der Abwahl Volker Kauders als Fraktionschef durch Ralph Brinkhaus in der CDU für kurze Zeit alles möglich - eben auch, dass ein Politik-Neuling Stimmen gegen Merkel holen könnte.

Unseriöse CDU-Bewerber: Einige Personen nicht zu ermitteln, andere legen ganz schnell auf

Neben den drei Top-Kandidaten und Ritzenhoff hatten sich auch Matthias Herdegen, ein Professor aus Bonn (Kandidatur mittlerweile zurückgezogen), sowie Student Jan-Philipp Knoop beworben. Kurz nach Merkels Verkündung flatterten sechs weitere Bewerbungen ins Konrad-Adenauer-Haus. Namentlich kursierten die von Jörg Paulusch, Sabine Herrenbruch, Christian Fleisinger, Norbert Stegner, Detlef Felix Hartmann sowie Friedhelm Kölsch. Konkret wurde jedoch nichts. Einige dieser Personen sind gar nicht zu ermitteln, andere legen den Telefonhörer auf die Gabel, sobald man sich vorgestellt hat.

Eine Kandidaten-Liste in der CDU gibt es nicht. Sie würden zu schnell wechseln, da eine einfache Bewerbung via Email genüge, heißt es in der Partei. Mit anderen Worten: Beständig wechseln sich neue Zusagen mit Rückziehern ab. Außerdem würden einige Personen nicht in der Öffentlichkeit genannt werden wollen - wohlgemerkt: Personen, die sich auf das Amt des Vorsitzes der stärksten Partei Deutschlands bewerben, sich Pressekonferenzen stellen müssten.

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Ritzenhoff empfindet keine „Willkommenskultur“ in der CDU

Die CDU lässt sich Demokratie in diesen Tagen groß auf die Fahne schreiben, nachdem es erstmals seit 1971 wieder eine echte Wahl um den Parteivorsitz gibt. Öffnen wolle man sich auch für Menschen von außen. Doch das empfinden längst nicht alle so. Eine Prüfung der Ernsthaftigkeit ihrer Absichten verweigert die CDU. Stattdessen gilt: Erst wenn ein Mitglied es schafft, einen ganzen Wahlkreis hinter sich zu bringen, darf es auf einer Regionalkonferenz vorsprechen. Schwierig für eine Person, die kaum bis keine Kontakte in der Partei hat. Der Effekt: So können sich Bewerber von außen der Partei erst gar nicht vorstellen.

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Noch vor einer guten Woche sprach Bundesgeschäftsführer Klaus Schüler von 14 Bewerbungen. Wie viele mittlerweile neu dazu gekommen sind oder zurückgezogen haben, ist unklar. 

Ritzenhoff, Inhaber der Seidel GmbH, will nicht beleidigt sein, lässt aber durchblicken, dass die Christdemokraten das mit der Willkommenskultur in der Partei nicht so genau nehmen. Stallgeruch braucht man ganz offensichtlich, um oben mitspielen zu dürfen. Und mit der Hilfe - etwa im eigenen Kreisverband oder unter den Delegierten ist das so eine Sache. Einige Delegierte, die inhaltlich mit den Positionen des hessischen Unternehmers sympathisieren, haben einen Rückzieher gemacht. „Manche befürchten persönliche Nachteile, wenn sie das tun“, meint Ritzenhoff. Er will die Hoffnung aber nicht aufgeben, ist am Donnerstagabend zuversichtlich, dass sich bis Freitagmittag doch noch einer traut.

Ritzenhoffs Kreisverband erklärt sich: „Keine Veranlassung gesehen“

Leicht wird es ihm nicht gemacht: Seinem Kreisverband Marburg-Biedenkopf steht Hessens Finanzminister Thomas Schäfer vor. Auf Merkur-Nachfrage erklärt der Kreisvorstand: „Wir sind nach Beratung zu der Auffassung gelangt, dass sich mit Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn drei politisch sehr erfahrene und äußerst kompetente Kandidaten für den Vorsitz der CDU Deutschlands bewerben. Sie alle verfügen über eine langjährige Parteierfahrung und sind in höchstem Maße geeignet, die Funktion des Parteivorsitzenden auszuüben. Der Kreisvorstand hat vor diesem Hintergrund keine Veranlassung gesehen, weitere Vorschläge zu unterbreiten.“

Bereits kurz nach der erklärten Bewerbung Ritzenhoffs hatte Schäfer mit einem "verwundert"-Emoji auf Facebook reagiert. Dazu schrieb er: Die ersten Rückmeldungen aus der Partei seien ziemlich eindeutig. „Gerade die, die aktuell mit viel Einsatz Wahlkampf machen, empfinden eine ziemliche Distanz zu der medialen Selbstdarstellung eines einzelnen Mitglieds, das sich berufen sieht, die Welt - zumindest aber mal die Partei - zu retten!"

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Die Häme von Parteifreunden wie Schäfer perlt an Ritzenhoff ab. Sein Problem bleibt es dennoch: Hier fand er kein Gehör, obwohl er als Unternehmer eigentlich ordentlich vernetzt ist, bereits Minister in seiner Firma empfing. „Ich bin nicht Irgendjemand und erwarte keine Empfehlungen. Aber die Partei müsste endlich begreifen, dass eine Nominierung noch keine Wahl zum Vorsitzenden bedeutet.“

Andreas Ritzenhoff steht mit seinem Empfinden nicht alleine da

Ritzenhoff steht mit seinem Empfinden nicht alleine da. Friedhelm Kölsch ist ein anderer Kandidat, der sich auf den Vorsitz beworben hat. Seine Absichten bezeichnet er gegenüber Merkur.de als „sehr ernst“. Auf Regionalkonferenzen fuhr er allerdings nicht, auch sonst fragte er weder in seinem Kreisverband, noch unter den Delegierten nach Unterstützung. Er wolle nicht „schleimen“ und die CDU sei eben ein „eigener Kreis“, das habe er schon zu spüren bekommen.

Aus der Bundes-CDU heißt es lapidar: Ritzenhoff habe Antworten auf Fragen aus der Zentrale erhalten, durfte Flugblätter verteilen. Für alles weitere seien eben Regeln da - und die seien von Juristen geprüft worden. Das muss genügen. Interesse an einem Gespräch seitens der Parteiführung gab es dem 61-Jährigen zufolge zu keinem Zeitpunkt.

Merz und Spahn ignorierten den gestandenen Unternehmer - nur AKK kam vorbei

Ritzenhoff, der erst Anfang des Jahres der CDU beitrat, nach eigenen Angaben aber ein Leben lang politisch ist, verteilte nun auf allen acht Regionalkonferenzen seine Flugblätter. Merz und Spahn übrigens machten bei den Regionalkonferenzen stets einen Bogen um Ritzenhoff und dessen Flugblätter. Kramp-Karrenbauer kam einmal zum Smalltalk vorbei. Dabei erklärten alle drei Kandidaten stets die Partei öffnen zu wollen, Köpfe aus verschiedenen Richtungen zu holen. „Demokratie ja, aber bitte nicht zu viel ist das“, findet Ritzenhoff.

Die Favoriten auf den Merkel-Sitzr CDU: Regionalkonferenzen mit Merz, Kramp-Karrenbauer und Spahn.
Die Favoriten auf den Merkel-Sitzr CDU: Regionalkonferenzen mit Merz, Kramp-Karrenbauer und Spahn. © AFP / ODD ANDERSEN

Andreas Ritzenhoff: Sein Lieblingsthema sind die Chinesen - doch auch andere Ideen finden Gehör

Der Marburger hat Pläne, die Leute in der Partei zu begeistern, bekommt Schulterklopfer - auch von Delegierten. Einer von ihnen muss Ritzenhoff auf dem CDU-Parteitag vorschlagen. Sonst kann er formal gar nicht kandidieren. Er könnte der vierte Kandidat werden, doch Ritzenhoffs Chancen liegen wohl bei 0,1 Prozent. Er ist realistisch, dennoch war es ihm das wert. Er reiste in den wenigen Wochen gut 3000 Kilometer durch die Republik. Was für ein enormer Aufwand?! Doch er will lästig bleiben und seine Ideen vom starken Europa und dem Stop des „aggressiven Kapitalismus“ an die Leute bringen, dazu den Mittelstand Deutschlands stärken und die Afrika-Politik verändern.

Sein Lieblingsthema aber bleibt China. Ritzenhoff glaubt, Politiker in Berlin und Brüssel schauten naiv auf Pekings Expansion. Woran das liegt? Ein Blick in seine Geschichte ist notwendig: Ritzenhoff steckte viele Millionen in ein neues Geschäftsfeld. Er produzierte im großen Stil LED-Glühlampen, die wenig Strom verbrauchen, besonders leicht und ökologisch vorbildlich sind. Als Großkunden gewann er den Möbelriesen Ikea. Doch es dauerte nicht lange, bis die Schweden die Preise drücken wollten. Gegen chinesische Wettbewerber hatte der Marburger Unternehmer keine Chance.

Ritzenhoff will sich nicht anbiedern - aber gerne in der CDU einbringen

Hat er die am Freitag? Ritzenhoff will sich nicht anbiedern, aber er würde sich gerne einbringen und engagieren. Und das nicht als Irgendjemand, sondern als gestandener Unternehmer, der es mit 800 Beschäftigten auf 80 Millionen Euro Jahresumsatz bringt. Ein Rückzieher am Freitag ist jedenfalls ausgeschlossen. Kneifen geht jetzt nicht mehr.

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