„Nichts als Verachtung für ihn“: Hat Altkanzler Schröder in seinem Podcast zu viel ausgeplaudert?

Gerhard Schröder meldet er sich via Podcast zu Wort. Angela Merkel wird sich über sein Lob nicht beklagen - dafür erzürnt der Altkanzler einen Diplomaten.
- Altkanzler Gerhard Schröder geht neue Kommunikationswege.
- Er startet seinen eigenen Podcast „Die Agenda“.
- Ein Politiker bekommt es in der ersten Folge besonders ab (siehe Update 27. Mai).
- Schröders Ehefrau begeistert derweil mit nie dagewesenen Einblicken in das Privatleben des Altkanzlers.
Update 30. Mai 2020: Mit Lob für Kanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat Altkanzler Gerhard Schröder seinen neuen Podcast eigentlich eher unkontrovers eröffnet - zumindest einen Mann haben die Äußerungen aber offenbar erheblich erzürnt: Andrij Melnyk, den ukrainischen Botschafter in Deutschland. Den hatte der Politiker a.D. als „Zwerg aus der Ukraine“, dessen Kritik niemanden interessiere, tituliert.
Der Geschmähte konterte am Samstag. „Herr Schröder wird in die Weltgeschichte als ein zynischer Kreml-Lobbyist in Deutschland eingehen, der Putins aggressive Politik verharmlost sowie die Kriegsverbrechen Russlands in der Ostukraine und auf der Krim schamlos schönredet“, sagte Melnyk der dpa in einem Interview.
Schröder, der von 1998 bis 2005 Kanzler war, ist heute Aufsichtsratsvorsitzender des russischen Ölriesen Rosneft. Der Konzern ist von EU-Sanktionen betroffen, die 2014 wegen des Ukraine-Konflikts verhängt wurden. „Wir Ukrainer empfinden nichts anderes als Mitleid gegenüber Herrn Schröder“, sagte Melnyk. „Diese wiederholten Aufrufe sind ja ein Akt purer Verzweiflung. Denn all die langjährigen Bemühungen Schröders, eine Lockerung der Sanktionen in Berlin zu erwirken, waren und bleiben vergeblich.“
Melnyk entrüstete sich auch über die Bezeichnung als „Zwerg“. „Herr Schröder versucht einen coolen Elder Statesman zu spielen, verliert aber immer mehr den Boden unter den Füßen. Und die Nerven. Einen Diplomaten als Zwerg zu bezeichnen ist eine Demütigung vor allem für den Staat, den er vertreten darf, sowie für seine Nation.“
In und um das Kanzleramt schwelt unterdessen weiter der Streit um Corona-Maßnahmen.
Altkanzler Schröder bedauert etwas in der Corona-Krise: „Hätte die Kanzlerin mich angerufen ...“
Update 28. Mai 2020: Sieben Jahre lang regierte Gerhard Schröder als Bundeskanzler in Berlin, ehe er von seiner Nachfolgerin Angela Merkel in den politischen Frühruhestand geschickt wurde. Doch auch 15 Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Bundeskanzleramt hat ihn die Politik nie ganz losgelassen, wie man unter anderem an seinem neuen Podcast „Die Agenda“ sehen kann, in dem er sich unter anderem über Angela Merkel und ihren Umgang mit der Corona-Krise geäußert hat (Siehe Update 27. Mai 2020).
Schröders Ehefrau So-yeon Schröder-Kim, mit der er seit 2018 verheiratet ist, gewährt nun auf Instagram einen ganz privaten Einblick in den Alltag des Altbundeskanzlers. So hat man Gerhard Schröder wohl noch nie gesehen. „Souverän ist er immer noch, aber zu Hause eher an der Bratpfanne“, schreibt Schröder-Kim zu einem Bild, das ihren Ehemann am heimischen Herd zeigt. Auf einem zweiten Bild überreicht Schröder seiner Frau einen selbst gepflückten Blumenstrauß und auf einem weiterem Schnappschuss schneidet Schröder-Kim dem sichtlich nicht begeisterten Altbundeskanzler Corona-bedingt zu Hause die Haare. Einblicke in das Privatleben von Gerhard Schröder, die man wohl zuvor noch nie hatte. Schröder-Kims Followern scheinen diese aber wohl zu gefallen.
"Hätte die Kanzlerin mich angerufen ..." - Schröder wusste eine Sache in der Corona-Krise besser
Update 27. Mai 2020: Ein Satz im Podcast von Gerhard Schröder ist angesichts der neuesten bundespolitischen Entwicklung zwischen Kanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten* besonders bemerkenswert. Man könnte Schröder, wenn man es negativ auslegen will, hier vorwerfen, ein Besserwisser zu sein. Vielleicht ist es aber tatsächlich als wohlwollender „Elder Statesman“-Rat des Altkanzlers an seine Nachfolgerin gemeint, die mittlerweile jedoch weitaus mehr Amtsjahre hat als er selbst erreicht hat.
Zwar lobte Schröder zunächst in seiner ersten Podcast-Folge die Arbeit der Kanzlerin und der ganzen Bundesregierung in der Corona-Krise. Merkel habe einen „guten Job gemacht, kann man doch nicht bestreiten“. Doch Schröder wäre nicht Schröder, wenn es nicht zumindest eine Einschränkung geben würde. Dass Merkel in der Corona-Krise versuche gegenüber den Ministerpräsidenten gelegentlich eine „Basta“-Politik durchzusetzen, könne nicht funktionieren. „Wenn sie mich angerufen hätte, hätte ich gesagt: Bleiben Sie doch vorsichtig! Die wurden von Kohl früher Zaunkönige genannt, aber sie können gelegentlich auch beißen.“
Altkanzler Gerhard Schröder lobt Söder - bei der Kanzlerfrage hat er einen Rat für ihn
Erstmeldung, 26. Mai 2020: Hannover - Wo sich deutsche Politiker bisher in sozialen Medien meistens via Twitter oder Videobotschaften zu Wort gemeldet haben, traut sich einer jetzt den nächsten Schritt: Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) lässt ab sofort in seinem eigenen Podcast „Die Agenda“ von sich hören. Am Dienstag (26. Mai) startete die erste Folge unter anderem auf Spotify und Apple Podcasts. Weitere sieben Episoden folgen immer dienstags.
Gerhard Schröder in erster Podcast-Folge: Zwischen Privatem und Politik
Das Setting des Podcasts: Schröders ehemaliger Regierungssprecher Béla Andra wird den Altkanzler in seiner Anwaltskanzlei in Hannover bei Wasser oder auch mal Tee befragen. Im Mittelpunkt der ersten Folge steht - wie kann es auch anders sein - die aktuelle Corona-Krise. Dabei switchen die beiden immer wieder zwischen Privatem und Schröders Blick auf die derzeitige politische Arbeit seiner Nachfolger.
Mit einem soften Einstieg lässt das Podcast-Duo die erste Episode anlaufen. Wie Gerhard Schröder den achtwöchigen Lockdown* - der einer Situation ähnelte, die es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben habe - erlebt hat, will Andra von ihm wissen. Schröder als Privatperson habe diese Zeit als „weniger dramatisch“ empfunden. Ein bisschen mehr Bewegung hätte nicht geschadet und er bedauert, dass seine Lieblingssportarten Golf und Tennis nicht möglich waren - hätte hier der Mindestabstand doch qua natura gewahrt werden können. In dieser Sache hätte man also mehr „differenzieren“ können, so der 76-Jährige. Alles in allem habe er jedoch nicht viel vermisst. Auch sonst habe er sich zusammen mit seiner Ehefrau, die kürzlich ein pikantes Ehe-Detail ausplauderte, „verhalten, wie alle anderen auch“, ohne dabei irgendwelche Privilegien in Anspruch zu nehmen.
Altkanzler Gerhard Schröder in erster Podcast-Folge: „Das war ein Irrtum“
Differenzierung scheint für ihn nicht nur bezogen auf seine Sportarten ein wichtiges Stichwort zu sein. Positiv sieht er es jetzt auch im politischen Zusammenhang. Entgegen seiner frühen Aussage „möglicherweise käme der Föderalismus an sein Ende“, gesteht Schröder sich und der Öffentlichkeit ein: „Das war ein Irrtum.“
Gerade jetzt sehe man, dass sich dieses Organisationsprinzip auszahlt, wenn es um die Vorgehensweise in der Corona-Krise geht. „Es gibt in dem ein oder anderen Land entsprechend dem Infektionsgeschehen Differenzierungen“, beobachtete der Altkanzler und bemerkt bezogen auf Bundesländer wie beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern, die weniger von Infektionen als beispielsweise Bayern betroffen sind: „Warum kann man dann nicht sagen, wir können eher ein Risiko eingehen“.

Schröder lobt in Podcast die Bundesregierung - und spricht über „Idioten“ bei Corona-Demos
Bevor das Gespräch zur großen Frage kommt, wie es in Deutschland mit Corona weitergehen wird, hat Schröder noch ein paar lobende Worte für den Status quo zu verteilen. „Ich bin eigentlich nicht zuständig für das Lob der Bundesregierung“, dennoch: „Allen in allem hat Deutschland das gut gemacht. Auch die Bundesregierung“, so sein bisheriges Fazit, wenn man es im europäischen Maßstab vergleicht. Zwar war Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zeitweise zu arg auf die schwarze Null, die „von der Union in den Rang einer heiligen Zahl exportiert wurde“, fixiert. Doch als es notwendig war, habe der Parteikollege sich gelöst, so Schröder. Auch am Umgang mit dem Kurzarbeitergeld* gab es für ihn in Bezug auf Bundesminister Hubertus Heil (SPD) nichts auszusetzen.
Aber nicht nur die Politiker haben laut Schröder gut gehandelt. Sein Eindruck war: „Die Deutschen waren sehr diszipliniert“, was die Einhaltung der Corona-Maßnahmen* betraf. Dennoch weiß auch er, „Idioten auf dieser Welt gab‘s immer“ und meint damit Verschwörungstheoretiker, die derzeit vermehrt aus dem Boden sprießen und sich zu Demonstrationen versammeln. Dahinter stecke für ihn ganz klar die „hilflose Bewältigung von Angst und teilweise idiotisches Kalkül, damit Politik zu machen“, so Schröder. Besondere Gefahr sehe er in sozialen Medien, von denen man jetzt sehe, dass sie „alles andere als sozial sind“. Denn „wenn die da völlig unkontrolliert rumalbern können“, weiß der Altkanzler, „dann ist das schon eine Bedrohung für die demokratische Substanz.“
Gerhard Schröder holt in Podcast gegen Trump aus: „Das scheint der nicht kapiert zu haben“
Andra und Schröder richten ihren Blick schließlich auch noch außerhalb von Deutschland und auch von Europa. In ihren Fokus rücken die USA, ganz besonders aber die Vorgehensweise des amerikanischen Präsidenten Donald Trump*. Als „katastrophal, was der da macht“, sieht Schröder vor allem dessen Angriff gegen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) an. „Die WHO zu schwächen, heißt Afrika im Stich zu lassen“, weiß Schröder und holt schließlich schroff gegen Trump aus: „Das scheint der nicht kapiert zu haben. Der kapiert ja ohnehin wenig, vom Business mal abgesehen“, so Schröders Einschätzung.
Corona-Krise: Altkanzler Schröder spricht über Söder in Podcast
Anders sieht er da die Arbeit des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). „Der macht das sehr professionell“ und sei geradezu das, was man ein „political animal“ nennt. Zweifel meldet er dann jedoch bei Andras Frage „Kann er Kanzler?“ an. „Berlin ist ein verdammt hartes Pflaster“, weiß der ehemalige Kanzler, „und jeder der in den Ländern reüssiert, ist noch lang kein König in Berlin.“ Mit dieser Formulierung wird dann nach einer halben Stunde das Ende der ersten Podcast-Folge eingeläutet. Reden und Unterhalten kann Schröder also, das steht nach der Premiere fest.
Der Virologe Hendrik Streeck erwartet keine zweite Infektionswelle, siegt aber auch keinen Grund für eine Entwarnung.
Markus Söder wird nach dem Ende der Maskenpflicht gefragt - seine Antwort fällt extrem aus.
Der Corona-Hotspot Ischgl hat einen großen Einfluss auf die Infektionsrate in Deutschland - zu diesem Schluss kommt eine Studie.
Um weitere Amtszeiten als Präsident und mehr Macht geht es für Wladimir Putin im Referendum in Russland.
Der Auftritt Gerhard Schröders im Wirtschaftsausschuss des Bundestags war keine Sternstunde des deutschen Parlamentarismus. Als Staffage für eine billige Lobbyisten-Show sollten sich unsere Abgeordneten zu schade sein. Ein Kommentar von Merkur-Chefredakteur Georg Anastasiadis*.
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jbr