Iran verhängt erste Todesstrafe nach Protesten – Ex-Präsident fordert „Selbstreform des Systems“
Die Proteste im Iran gehen weiter. Ein Gericht in Teheran hat erstmals ein Todesurteil gegen einen Demonstranten verhängt. Alle Infos im News-Ticker.
- Unterdrückung von Demonstranten im Iran: EU will Sanktionen gegen Teheran verschärfen
- Todesstrafe im Iran: Teheran verhängt nach Protesten erstes Urteil
- Proteste in Iran: Teheran reagiert mit drastischen Worten auf Äußerungen von Bundeskanzler Olaf Scholz.
- Der News-Ticker zur den Protesten in Iran ist beendet. Weitere Entwicklungen im neuen Ticker.
Update vom 14. November, 20.22 Uhr: Das iranische Außenministerium hat am Montag den deutschen Botschafter in Teheran einbestellt. Dabei sei es um die Verbindung deutscher Staatsbürger zu den seit Wochen andauernden Protesten im Iran gegangen, erklärte Ministeriumssprecher Nasser Kanani. Botschafter Hans-Udo Muzel wurden demnach „Informationen, Beweise und Erklärungen“ gezeigt und eine diplomatische Antwort wurde eingefordert.
Ex-Präsident des Iran Mohammed Chatami lehnt politischen Systemwandel ab, aber befürwortet Reformen
Update vom 14. November, 14.44 Uhr: Ex-Präsident Mohammed Chatami lehnt einen politischen Systemwandel im Iran ab, aber befürwortet nach eigenen Angaben Reformen. „Ein Umsturz ist weder möglich noch wünschenswert“, sagte Chatami laut der Nachrichtenagentur Insa. „Die Fortsetzung der gegenwärtigen Situation wird die Gründe für den sozialen Zusammenbruch erhöhen, die kostengünstigste und nützlichste Lösung ist die Selbstreform des Systems“, erklärte der Politiker weiter.
Ex-Präsident Chatami wird dem Reformlager zugeordnet. Dennoch lehnen viele Menschen, die sich bei den Protesten im Iran engagieren, seine Positionen ab. Ein Großteil von ihnen hält sie für unmöglich. Chatami sagte weiter: „Die neue Generation - die ihre eigene Welt hat - ist unser großes Kapital für heute und morgen. Wenn wir ihre Forderungen nicht erfüllen wollen oder können, sollten wir zumindest ihre Mentalität, ihre Hoffnung und ihren Protest verstehen.“

Unterdrückung von Demonstranten im Iran: EU will Sanktionen gegen Teheran verschärfen
Update vom 14. November, 12.14 Uhr: Die Außenminister der Europäischen Union verschärfen die Sanktionen gegen den Iran. Die neuen Strafmaßnahmen richten sich nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell gegen „Verantwortliche für die Unterdrückung der Demonstranten“ in dem Land, wie er nun in Brüssel sagte. Nach Angaben des luxemburgischen Außenministers Jean Asselborn sollen mehr als 30 Verantwortliche und Organisationen mit Einreise- und Vermögenssperren belegt werden.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte in Brüssel, die neuen Strafmaßnahmen träfen insbesondere „den inneren Machtzirkel der Revolutionsgarden“ und diejenigen, die die Armee des Iran finanzieren. „Wir nehmen diejenigen in die Verantwortung, die für diese Menschenrechtsverbrechen verantwortlich sind“, betonte sie. Die Verantwortlichen glaubten, „ohne Konsequenzen ihre eigenen Menschen unterdrücken, einschüchtern und töten zu können“. Man arbeite auch an weiteren Maßnahmen.

Der UN-Menschenrechtsrat befasst sich zudem auf Antrag Deutschlands und Islands in einer Sondersitzung am 24. November mit der Lage im Iran. Die 47 Mitgliedsländer des Rates können keine Sanktionen verhängen. Sie können aber per Resolution die Gewalt verurteilen und einen Mechanismus in Gang setzen, um die Situation genauer zu untersuchen.
Proteste im Iran: Revolutionsgarden greifen Ziele im Nordirak an
Update vom 14. November, 9.54 Uhr: Die iranischen Revolutionsgarden (IRGC) haben erneut Ziele im benachbarten Nordirak angegriffen. Mit Raketen und Drohnen seien Stützpunkte kurdischer Separatistengruppen angegriffen worden, meldete die Nachrichtenagentur Tasnim am Montag. Bereits in den vergangenen Wochen hatte der Iran immer wieder Stellungen im Nordirak bombardiert.
Teheran wirft den kurdischen Gruppen im Nordirak vor, die landesweiten Proteste zu unterstützen. In den Kurdenprovinzen des Iran geht der Sicherheitsapparat mit Härte gegen Demonstranten vor.

Unruhen im Iran: Gericht in Teheran verhängt erstes Todesurteil
Update vom 14. November, 7.07 Uhr: Im Iran ist erstmals ein Todesurteil im Zusammenhang mit anhaltenden Protesten gegen die Führung des Landes verhängt worden. Ein Gericht in der Hauptstadt Teheran habe die Todesstrafe ausgesprochen, teilte die Justizbehörde auf ihrer Website Misan Online am Sonntag mit. Die verurteilte Person sei unter anderem schuldig befunden worden, ein Regierungsgebäude angezündet, „die öffentliche Ordnung gestört“ und die „nationale Sicherheit“ bedroht zu haben.
Ihr wird demnach auch „Korruption auf Erden“ vorgeworfen sowie ein „Feind Gottes“ zu sein - einer der schwersten Straftatbestände des iranischen Rechts. Über die Identität oder das Alter des oder der Verurteilten wurde nichts bekannt.

Ein weiteres Teheraner Gericht verurteilte laut Misan Online zudem fünf Angeklagte zu Haftstrafen von fünf bis zehn Jahren wegen „Verschwörung zu Verbrechen gegen die nationale Sicherheit und Störung der öffentlichen Ordnung“. Die Betroffenen können noch Berufung einlegen.
Proteste in Iran: Teheran kritisiert Äußerungen Scholz` zum gewaltsamen Vorgehen gegen Demonstranten
Update vom 13. November, 9.03 Uhr: Teheran hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wegen dessen Äußerungen zum gewaltsamen Vorgehen gegen Demonstranten im Iran scharf kritisiert. „Die Bemerkungen des deutschen Kanzlers waren provokativ, einmischend und undiplomatisch“, sagte Außenamtssprecher Nasser Kanaani am Sonntag.
Eine historische Beziehung zu sabotieren, könnte nach Kanaanis Worten „langfristige Schäden“ anrichten, daher sollte Berlin gegenüber dem Iran verantwortungsbewusster und achtungsvoller vorgehen. „Wir empfehlen der Bundesregierung, zurück zur Besonnenheit zu finden, um weitere Verwirrungen in den bilateralen Beziehungen zu vermeiden“, so der Sprecher laut Webseite des iranischen Außenministeriums.

Scholz hatte die iranische Führung angesichts der schweren Menschenrechtsverletzungen im Land scharf kritisiert. „Was sind Sie für eine Regierung, die auf die eigenen Bürgerinnen und Bürger schießt? Wer so handelt, muss mit unserem Widerstand rechnen“, sagte er in seinem am Samstag veröffentlichten Videopodcast.
Proteste in Erinnerung an den „Blutigen Freitag“ in Sahedan in mindestens sechs Städten
Erstmeldung: Teheran – Die Proteste im Iran gehen weiter, teilweise ist bereits von einer Revolution die Rede. Eine Petition zur Untersuchung der Verbrechen der Sicherheitskräfte im Iran fand indes weltweit über eine Million Unterzeichner. Die Europäische Union legte zudem neue Sanktionen auf, die am Montag beschlossen werden sollen – der Iran reagierte mit Drohungen.
Die Kurdin Mahsa Jina Amini war am 16. September in Polizeigewahrsam gestorben, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen eines angeblich nicht korrekt sitzenden Kopftuchs festgenommen worden war. Dies hatte landesweit Proteste ausgelöst, die auch rund zwei Monate später noch andauern.
Zwar ist die allgemeine Protestbeteiligung im Iran laut der aktuellen Analyse der US-Experten des Institute for the Study of War (ISW) in den vergangenen Tagen zurückgegangen, doch am Freitag stieg sie in Sistan und in der Provinz Belutschistan erneut an. Dort fanden in Erinnerung an den „Blutigen Freitag“ vom 30. September an diesem Freitag laut ISW-Experten mindestens 14 Proteste in zwölf Städten in sechs Provinzen statt.
Eine Million Menschen unterzeichnen Petition gegen die Verbrechen der iranischen Sicherheitskräfte
Mindestens 330 Menschen sind laut Menschenrechtsorganisation HRANA seit Beginn der Proteste aufgrund des gewaltsamen Vorgehens der Sicherheitskräfte ums Leben gekommen. Amnesty International sprach von mindestens 100 Menschen, die allein in den vergangenen zwei Wochen in Sistan und Belutschistan starben. Zu den vielen Toten kommen über 14.000 Festnahmen und zahlreiche Todesurteile, die gegen Inhaftierte ausgesprochen wurden. Doch die Menschen gehen weiterhin mutig auf die Straße – teilweise nimmt der Protest neue Formen an.
Eine Petition der Menschenrechtsorganisation Amnesty International gegen die Willkür und Brutalität der iranischen Sicherheitskräfte fand indes eine Million Unterzeichner aus über 200 Ländern – rund ein Viertel der Unterschriften sollen aus dem Iran selbst gekommen sein. Die Petition forderte die Einrichtung eines unabhängigen UN-Mechanismus, um die Verbrechen der Sicherheitskräfte im Iran nach internationalem Recht zu untersuchen.
Proteste im Iran führen zu erneuten Sanktionen – und Drohungen der Islamischen Republik
Die Proteste im Iran haben auch außenpolitisch Konsequenzen für das Land. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die iranische Führung für die dortigen Menschenrechtsverletzungen scharf kritisiert und die geplanten neuen Sanktionen verteidigt. „Was sind Sie für eine Regierung, die auf die eigenen Bürgerinnen und Bürger schießt? Wer so handelt, muss mit unserem Widerstand rechnen“, sagte Scholz am Samstag. Die EU-Außenminister wollen am Montag in Brüssel das dritte Sanktionspaket gegen Teheran verhängen.
Der Iran kündigte im Falle von neuen Sanktionen eine „angemessene und entschlossene“ Reaktion an. US-Verteidigungsbeamte warnten indes laut ISW-Experten vor einem möglichen iranischen Angriff auf Saudi-Arabien oder den Irak als Vergeltung für die angebliche Rolle der USA, Israels und Saudi-Arabiens beim Anheizen der Proteste. Entsprechende Berichte waren zuvor auch im Polit-Magazin Politico sowie in der US-Tageszeitung Wall Street Journal erschienen.