„Schlechte Nachrichten für Russland“: Kallas hat nach riesigem Wahlsieg in Estland Botschaft an Putin
Kaja Kallas bleibt Premierministerin von Estland. Sie gilt als vehemente Widersacherin von Wladimir Putins Imperialismus. Nun soll die Ukraine profitieren.
München/Tallin – Eine kompromisslose Widersacherin von Moskau-Machthaber Wladimir Putin bleibt vier weitere Jahre im Amt. Konkret: Kaja Kallas hat die Parlamentswahl in Estland mit ihrer Reformpartei deutlich gewonnen und ist weiterhin Premierministerin in dem kleinen baltischen Land mit seinen rund 1,3 Millionen Einwohnern.
Parlamentswahl in Estland: Kaja Kallas bleibt Premierministerin in Tallinn
Schon vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs durch den russischen Überfall am 24. Februar 2022 war ihre Regierung in Tallinn einer der größten Unterstützer Kiews. So gibt Estland mittlerweile ein Prozent seines Bruttoinlandproduktes (BIP) für Militär- und Wirtschaftshilfen für die Ukraine aus.
Und damit mehr als jedes andere Land auf der Welt in Relation zum BIP. Damit nicht genug: Die Kallas-Administration will jetzt weiter nachlegen und zudem bis zu drei Prozent des estnischen BIP für die eigenen Streitkräfte aufwenden. Unter anderem mit diesem Ziel war die 45-jährige Kallas in den Wahlkampf gegangen, der vom russischen Angriffskrieg überlagert wurde.

„Wir müssen in unsere Sicherheit investieren, unser aggressiver Nachbar ist nicht verschwunden und wird nicht verschwinden, also müssen wir damit arbeiten“, erklärte Kallas nach ihrem Wahlsieg bei einer Medienrunde in Tallinn. Die Reformpartei ist eine Mitte-rechts-liberale Partei, die insbesondere Unternehmer und junge Berufstätige anspricht. Bei der Parlamentswahl holte sie 31,2 Prozent der Stimmen, was ihr 37 Sitze im Parlament einbringt, das als Riigikogu bekannt ist.
Parlamentswahl in Estland: Koalition aus Kaja Kallas Reformpartei und der Zentrumspartei?
Kallas wird jedoch Juniorpartner für eine Koalition brauchen, weil erst über 50 Sitze die Mehrheit in der Legislative (101 Mandate) bedeuten. Die Premierministerin hatte bereits angekündigt, mit der Estnischen Zentrumspartei (Eesti Keskerakond) Koalitionsverhandlungen führen zu wollen. Die Mitte-links-Partei hatte mit 15,3 Prozent die drittmeisten Stimmen geholt.
Markant: Laut amerikanischem Nachrichtenmagazin Newsweek erhält die Zentrumspartei traditionell starke Unterstützung der russischen Minderheit Estlands, die mit mehr als 300.000 Menschen immerhin rund ein Viertel der Bevölkerung ausmacht.
Das sind sehr gute Nachrichten für alle: für die Ukraine, für unsere Verbündeten. Schlechte Nachrichten für Russland.
Etwa ein Drittel dieser Gruppe hat keinen estnischen Pass. Es wirkt, als wolle Kallas diese Bevölkerungsgruppe nun mehr einbinden. Noch vergangenen Spätsommer hatte ihre Regierungspartei für Aufsehen gesorgt, als sie russischstämmigen Bürgern in Estland den Waffenbesitz verbieten wollte.
Ukraine-Krieg: Estland gilt als großer Unterstützer von Kiew
Schon vor Beginn der Kampfhandlungen hatte sich ihr Kabinett derweil für Waffenlieferungen an die Ukraine starkgemacht. So hatte Estland Mitte Januar 2022 erklärt, dass es „Dutzende“ moderne Javelin-Panzerabwehrraketen und einige alte 122-mm-Haubitzen aus ehemaligen DDR-Beständen in die Ukraine schicken wolle.
Anfang April erklärte Staatssekretärin Tuuli Duneton, dass von bislang 1722 Tonnen Hilfslieferungen ihres Landes für die Ukraine 80 Prozent militärisch gewesen seien. „Mostly lethal“, meist tödlich, meinte sie auf einer Pressekonferenz. Mitte Januar 2023 kündigte Kallas selbst ein weiteres Militärpaket über 113 Millionen Euro für Kiew an. Haubitzen, Munition, Ausrüstung zur Artillerieunterstützung und Granatwerfer – „wir schicken die Waffen in die Ukraine, die sie am meisten brauchen. Die Ukraine hat Estland direkt um diese Hilfe gebeten“, erklärte die Regierungschefin damals.
Parlamentswahl in Estland: Parteien, die ins Parlament von Tallinn eingezogen sind
Estnische Parlamentswahl 2023: | Stimmen: | politische Ausrichtung: |
Reformpartei | 31,2 % | Mitte-rechts-liberal |
Estnische Konservative Volkspartei – EKRE | 16,1 % | Rechts-populistisch |
Estnische Zentrumspartei | 15,3 % | Mitte-links-liberal |
Eesti 200 | 13,3 % | sozialliberal |
Sozialdemokratische Partei (SDE) | 9,3 % | links-konservativ |
Isamaa | 8,2 % | konservativ |
Hinweis: Es gilt die Fünf-Prozent-Hürde.
Und Kallas hat offensichtlich noch nicht fertig. „Das sind sehr gute Nachrichten für alle: für die Ukraine, für unsere Verbündeten“, erklärte Marko Mihkelson, der für die Reformpartei zum sechsten Mal ins Parlament gewählt wurde, gegenüber Newsweek: „Schlechte Nachrichten für Russland. Aufgrund des Mandats, das Kaja, die Partei und die mögliche neue Koalition gestern erhalten haben, wird es eine noch aktivere und festere Position sein.“ (pm)