Update vom 24. Juni, 17.50 Uhr: Auf dem Linken-Parteitag entschuldigte sich Partei-Chefin Janine Wissler erstmals öffentlich bei den von den MeToo-Vorwürfen betroffenen Frauen. Bei den Parteimitgliedern sammelte sie laut dpa damit Punkte, dass sie die Sexismusvorwürfe in ihrem eigenen hessischen Landesverband offensiv ansprach und als Schwäche der Partei bezeichnete.
„Bei allen Frauen, denen wir bisher nichts oder wenig anbieten konnten, wenn ihnen Unrecht widerfahren ist, möchte ich mich aufrichtig entschuldigen“, sagte sie. Sie kündigte am Rande des Parteitags neue Sanktionsmöglichkeiten gegen Mitglieder der Partei an, die sich Übergriffen schuldig machen.
Update vom 24. Juni, 16.54 Uhr: Linken-Chefin Janine Wissler hat ihre angeschlagene Partei in einer kämpferischen und umjubelten Rede zum Auftakt des Bundesparteitags auf einen Neustart eingeschworen.
„Die russische Führung trägt die Verantwortung für diese Eskalation. Der verbrecherische Angriffskrieg ist durch nichts zu rechtfertigen“, sagte Wissler zum Ukraine-Krieg. Damit ging sie auf Distanz zum Lager der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht.
Zugleich plädierte Wissler für einen Einsatz ihrer Partei für ärmere Menschen und eine konsequente Klimawende mit sozialer Absicherung. „Die drohende Klimakatastrophe erfordert ein demokratisches Eingreifen in die Wirtschaft. Wir brauchen das größte Investitionsprogramm aller Zeiten.“ Das solle anstelle des 100-Milliarden-Programms für die Bundeswehr treten, das die Linke ablehne.
Von ihrer Partei forderte sie Einigkeit und ein geschlossenes Auftreten nach außen hin. Die Linke dürfe keine widersprüchlichen Signale senden. „Linke Politik muss provozieren, polarisieren und zuspitzen, immer entlang von ‚oben‘ und ‚unten‘ und niemals von ‚unten‘ nach ‚noch weiter unten‘“, betonte Wissler. „Wir sollten nicht die eigene Wähler- und Mitgliedschaft polarisieren, sondern zwischen uns und dem politischen Gegner.“
Update vom 24. Juni, 16.37 Uhr: Bodo Ramelow hat seine Partei gehörig zurechtgestutzt. „Die Linke hat nicht das Recht, sich mit sich selbst zu beschäftigen“, sagte Thüringens Ministerpräsident auf dem Bundesparteitag in Erfurt.
Die Linke, die immerhin in vier Landesregierungen mitregiere, dürfe sich nicht verrückt machen und dafür Zeit verschwenden, statt für soziale Belange der Menschen zu streiten. Als großes Problem sehe er angesichts der dramatisch gestiegenen Preise eine drohende Energiearmut von Menschen, die nur über geringe Einkommen verfügen.
Update vom 24. Juni, 14.39 Uhr: Linken-Chefin Janine Wissler hat in einer flammenden Rede die Partei zu einem grundlegenden Neustart aufgerufen. „Unsere Partei, die wir vor 15 Jahren gegründet haben, befindet sich in einer tiefen Krise“, sagte Wissler. „Wir haben Niederlagen bei der Bundestagswahl und den letzten Landtagswahlen erlebe, zu viele Mitglieder haben die Partei verlassen.“ Es komme darauf an, die Partei zu verändern.
„Zur Wahrheit gehört auch, dass wir in den letzten Jahren häufiger verloren haben, als es zu verschmerzen gewesen wäre“, sagte Wissler vor den Delegierten auf dem Parteitag. Die Partei habe immer wieder den Eindruck hinterlassen, als wären ihr „die Kämpfe untereinander“ wichtiger als das Engagement für die Menschen. „Das müssen wir jetzt kritisch festhalten und vor allem: Das müssen wir ändern.“ Die Partei werde als zerstritten wahrgenommen und müsse sich fragen, warum sie die Menschen nicht mehr erreiche.
Update vom 24. Juni, 13.12 Uhr: Die Linke will als Reaktion auf Vorwürfe zu sexuellen Übergriffen in den eigenen Reihen weitere Sanktionsmöglichkeiten schaffen. „Bisher haben wir unter dem Parteiausschluss keine weiteren Sanktionsmöglichkeiten bei einem problematischen Verhalten von Mitgliedern“, sagte Parteichefin Janine Wissler am Rand des Linke-Bundesparteitags, der am Freitag in Erfurt begann.
Beraten werden solle deshalb eine Satzungsänderung. Bei festgestellten Fällen sexueller und rassistischer Übergriffe soll der Parteivorstand mit Zweidrittelmehrheit anordnen können, dass die Mitglieder für ihr Fehlverhalten einzelne oder alle ihre Ämter und Funktionen ruhen lassen müssen. Innerhalb von sechs Wochen soll ein Schiedsverfahren eröffnet werden, das eine endgültige Entscheidung trifft.
Update vom 24. Juni, 12.02 Uhr: Aussagen von Linken-Politikern vor dem Start des Parteitags um 13 Uhr lassen erahnen, wie innerlich zerstritten die Partei ist. „Die Linke muss sich gut überlegen, wie lange sie sich diese unproduktive Selbstbeschäftigung noch leisten kann“, sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow der Rheinischen Post und dem Bonner General-Anzeiger.
Bundestags-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung: „Der Parteitag ist die Chance auf den Start eines Comebacks der Linken.“ Das Signal müsse lauten: „Wir haben verstanden, wir reißen uns zusammen.“
„Wir dürfen uns am Wochenende nicht im Klein-Klein verzetteln, sondern müssen schauen, wie wir den Menschen die gerade schwierigen Umstände im Hier und Jetzt erleichtern können“, appellierte Europapolitiker und Vorsitzkandidat Martin Schirdewan. „Denn das ist die Aufgabe einer linken Partei, nicht die Selbstbeschäftigung“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Update vom 24. Juni, 09.39 Uhr: Im Vorfeld des Parteitags der Linken hatte sie noch gewettert, die Parteispitze brauche neue Gesichter, selbst anwesend sein wird sie allerdings nicht. Sahra Wagenknecht sagte ihre Teilnahme auf dem Messegelände in Erfurt ab.
Sie sei krank, sagte die frühere Fraktionschefin der Deutschen Presse-Agentur. „Ich werde leider nicht zum Parteitag der Linken fahren können, da ich seit Mittwoch krankgeschrieben bin und aufgrund eines Kontakts der Verdacht besteht, dass ich mich mit Corona angesteckt habe. Das bedaure ich sehr.“
„Der Parteitag wird mit seinen Beschlüssen und dem Ausgang der Wahlen wahrscheinlich darüber entscheiden, ob die Linke eine Zukunft hat oder nicht“, erklärte Wagenknecht, die der Parteispitze vorwarf, im Ukraine-Krieg mit der Friedenspolitik zu brechen, weiter. „Da wäre ich gern vor Ort gewesen und hätte mich in die Debatten eingebracht. Das wird nun leider nicht möglich sein.“
Erstmeldung vom 23. Juni 2022: Erfurt - Die Linke will auf ihrem Parteitag 2022 in Erfurt den Reset-Knopf drücken. Gründe für einen Neustart gibt es zuhauf. Bei der Bundestagswahl konnte der GAU nur durch eine Sonderregel abgewendet werden, in den ersten drei Landtagswahlen kam die Partei in keinem Bundesland über drei Prozent, innerparteilich ist die Linke zerstritten wie nie.
Auf dem Programm steht für die Linke von Freitag (24. Juni) bis Sonntag (26. Juni) die Analyse der vielen Wahlschlappen, Debatten zur Neuausrichtung der Partei, und die Wahl einer neuen Parteiführung. Auch die Politik mit Blick auf den Ukraine-Konflikt wird wichtiges Streitthema, vor allem der Umgang mit Waffenlieferungen.
Nach dem Rücktritt von Linken-Co-Chefin Susanne Hennig-Wellsow führt aktuell nur noch Janine Wissler die Partei. Die 41-Jährige bewirbt sich erneut um das Amt der Bundesvorsitzenden. „Diese Partei hat sehr viel mehr Gemeinsamkeiten als Differenzen“, erklärte Wissler am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. „Wer für die Partei spricht, muss die Position der Partei vertreten.“ Wer dies nicht könne, sollte sich öffentlich zurückhalten oder nur Privatmeinungen äußern.
Wissler nannte niemanden namentlich. Zuletzt hatten sich bekannte Politiker der Linken öffentlich gestritten. Die frühere Fraktionschefin Sahra Wagenknecht hatte die heutige Parteispitze kritisiert und „neue Gesichter“ verlangt. Gregor Gysi hatte daraufhin ein Ende der Denunziation gefordert.
Auf dem Linken-Parteitag 2022 in Erfurt sind insgesamt 28,5 Stunden für Debatten, Sitzungen und Reden eingeplant. Gerade einmal vier Minuten davon erhält der derzeit erfolgreichste Linken-Politiker Bodo Ramelow, der die Partei für das schlechte Ergebnis bei der Bundestagswahl heftig kritisiert hatte. Das bestätigte Thüringens Ministerpräsident dem Spiegel. Deshalb soll sich bereits Unmut breit gemacht haben. Das Tagungspräsidium kann kurzfristig noch Änderungen am Zeitplan vornehmen. (mt)