Russland zerbombt Ukraine weiter - Selenskyj dennoch siegessicher: „Keine Chance“
Das Zentrum des Ukraine-Kriegs ist derzeit Cherson. Prorussische Behörden fordern Zivilisten auf, die Stadt sofort zu verlassen. Alle Infos im News-Ticker.
- Russland wirft Ukraine Beschuss vor: In Belgorod soll die Ukraine Energieinfrastruktur beschossen haben.
- Feuer auf russischem Gebiet: Nach Beschuss entfacht ein Brand auf einer Industrieanlage.
- Putins Soldaten im Dilemma: Für Russland wird die Lage in Cherson immer brenzliger.
Update vom 23. Oktober, 21.24 Uhr: US-Experten nennen Putins Ziele – und zweifeln am Erfolg: Alle weiteren Informationen zur militärischen Lage im Ukraine-Krieg finden Sie in unserem neuen News-Ticker. Wladimir Putins Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat unterdessen schwere Vorwürfe gegen die Ukraine erhoben. Die Hintergründe und Bedeutung der Äußerungen im Check.
Update vom 23. Oktober, 8.15 Uhr: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht die Truppen seines Landes trotz der massiven russischen Raketenangriffe weiter auf dem Vormarsch in den von Moskau besetzten Gebieten. Die ukrainischen Streitkräfte kämen jeden Tag an der Front voran, die Schläge gegen die Infrastruktur von russischer Seite könnten sie nicht aufhalten, sagte Selenskyj in seiner am Samstagabend in Kiew verbreiteten Videobotschaft. „Die Ukrainer sind vereint und wissen genau, dass Russland keine Chance hat, diesen Krieg zu gewinnen.“
„Die russischen Streitkräfte versuchen wahrscheinlich, den Kampfeswillen der Ukraine zu schwächen und die ukrainische Regierung zu zwingen, zusätzliche Ressourcen für den Schutz der Zivilbevölkerung und der Energieinfrastruktur einzusetzen, anstatt diese Ressourcen für die Gegenoffensive der Ukraine im Osten und Süden zu verwenden“, so der aktuelle Bericht der US-Kriegsexperten des Institute for the Study of War (ISW) vom Samstag. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in dieser Woche bereits mitgeteilt, dass durch die russischen Angriffe mit Raketen und Drohnen rund 40 Prozent der Energie-Infrastruktur des Landes zerstört seien.
Nach Angaben des Gouverneurs der ostukrainischen Region Donezk, Pavlo Kyrylenko, töteten russische Streitkräfte am Samstag zwei Personen, wie die ukrainische Zeitung Kyiv Independent am Sonntag berichtete. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig verifizieren.
Ukrainische Streitkräfte erzielen offenbar Geländegewinne in Oblast Cherson
Update vom 22. Oktober, 21.30 Uhr: Die ukrainischen Streitkräfte erzielen im Oblast Cherson offenbar weitere Geländegewinne. Der ukrainische Generalstab meldete die Eroberung von zwei weiteren Siedlungen in der Region. Russische Truppen seien aus Chariwne und Chklowe vertrieben worden, erklärte der Generalstab. Russische Soldaten würden die besetzten Gebiete von Cherson weiterhin verlassen, wobei Plünderungen und Diebstahl immer öfter vorkommen würden. Indes rufen pro-russische Behörden in Cherson die Bewohner dazu auf, die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen.
Russland wirft Ukraine Beschuss vor — Kiew soll Energieinfrastruktur beschossen haben
Update vom 22. Oktober, 17.25 Uhr: Der Gouverneur der russischen Grenzregion Belgorod hat der Ukraine erneut schweren Beschuss des Gebiets vorgeworfen. Zwei Menschen seien dabei am Samstag in der Grenzstadt Schebekino getötet worden, teilte Wjatscheslaw Gladkow mit. Elf Menschen seien verletzt worden, vier von ihnen schwer. Zuvor war von fünf Verletzten berichtet worden. Gladkows Angaben zufolge wurde bei dem Beschuss auch Energie-Infrastruktur getroffen. Details nannte er nicht. Rund 15.000 Menschen seien aber zeitweilig ohne Strom, Heizung und Wasser gewesen. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig verifizieren. Die Ukraine teilte nach massiven russischen Raketenangriffen mit, dass am Samstag 1,5 Millionen Menschen im Land ohne Strom gewesen seien.
Das Gebiet Belgorod beklagt mit anderen Grenzregionen wie etwa Kursk und Brjansk schon seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine immer Feuer von der Gegenseite. Eingeräumt hat die Ukraine die Vorwürfe nicht. Russland hatte immer wieder gedroht, noch härter in dem Krieg vorzugehen und auch Kommandozentralen in Kiew ins Visier zu nehmen, wenn der Beschuss nicht aufhöre.
Nach Darstellung des Gouverneurs hat sich die Lage in den vergangenen Wochen weiter verschärft. Wer sehr nah an der Grenze zur Ukraine lebe, solle deshalb in der Nähe von Moskau untergebracht werden, sagte er. Gladkow ordnete zudem eine strengere Bewachung von Objekten der Energie-Infrastruktur an. Er hatte auch die Herbstferien vorgezogen und verlängert, wegen der angespannten Lage.
Prorussische Behörden fordern alle Zivilisten auf, südukrainische Stadt Cherson „sofort“ zu verlassen
Update vom 22. Oktober, 14.37 Uhr: Angesichts des Vormarschs der ukrainischen Streitkräfte haben die pro-russischen Behörden am Samstag alle Zivilisten aufgefordert, die südukrainische Stadt Cherson „sofort“ zu verlassen. Wegen der angespannten Lage an der Front, der erhöhten Gefahr von Bombardierungen der Stadt und der „Bedrohung durch terroristische Anschläge“ müssten alle Zivilisten die Stadt umgehend verlassen und zur linken Seite des Fluss Dnipro übersetzen, erklärten die Behörden in den Online-Netzwerken. Die Evakuierungen über den an Cherson grenzenden Fluss sind seit Mittwoch in Gange.

Bei Beschuss auf russisches Grenzgebiet Belgorod wurden offenbar fünf Menschen verletzt
Update vom 22. Oktober, 13.32 Uhr: Der Gouverneur des russischen Grenzgebiets Belgorod, Vyacheslav Gladkov, teilte am Samstag mit, dass die Stadt Schebekino beschossen und fünf Menschen verletzt worden seien, wie die ukrainische Zeitung Kyiv Independent berichtete. Die russische staatliche Nachrichtenagentur Interfax behauptete, der Angriff sei „von der Seite der Ukraine“ aus erfolgt, die Ukraine nahm dazu nicht unmittelbar Stellung. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig verifizieren.
Russische Behörden meldeten aus dem grenznahen Gebiet Belgorod bereits in der vergangenen Woche immer wieder Angriffe. So war vor einer Woche Angaben des Gouverneurs zufolge ein Treibstofflager beschossen worden, nach einem Angriff auf ein Elektrizitätswerk sei teilweise der Strom ausgefallen.
Ukrainischer Generalstab meldet „Konflikte“ zwischen russischen und belarussischen Soldaten
Russland und Belarus riefen kürzlich eine gemeinsame Militäreinheit ins Leben. Putin stationierte im Zuge dessen amtlichen Angaben zufolge 9000 Soldaten in Belarus. Offenbar soll es nun „Konflikte“ zwischen russischen und belarussischen Soldaten geben, die in der Nähe der ukrainisch-belarussischen Grenze stationiert sind. Das teilte der ukrainische Generalstab am Samstag mit, nannte allerdings keine Einzelheiten. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig verifizieren.
Die Militäreinheit von Russland und Belarus ist nach britischen Erkenntnissen in erster Linie ein Ablenkungsmanöver. „Die Ankündigung ist wahrscheinlich ein Versuch, russisch-belarussische Solidarität zu demonstrieren und die Ukraine dazu zu bringen, Truppen zum Schutz ihrer nördlichen Grenze abzuziehen“, teilte das britische Verteidigungsministerium am Freitag unter Berufung auf Geheimdienstinformationen mit.
Russland greift nach ukrainischen Angaben am Samstag erneut Infrastruktur an
Update vom 22. Oktober, 11.46 Uhr: Russland hat nach ukrainischen Angaben am Samstag erneut Infrastruktur der Energieversorgung im Westen der Ukraine angegriffen. Bei den Raketenangriffen seien mehrere Energieanlagen getroffen worden, meldete der Versorger Ukrenergo. Das Ausmaß der Schäden sei „mit den Folgen der Angriffe vom 10. bis 12. Oktober vergleichbar oder könnte diese sogar noch übertreffen“, erklärte Ukrenergo in den Online-Netzwerken. Beamte in mehreren Regionen berichteten von Stromausfällen.
Russland hatte Anfang vergangener Woche Städte im ganzen Land massiv angegriffen und dabei vor allem auf die Infrastruktur zur Energieversorgung abgezielt. Erstmals seit Monaten wurden auch die Hauptstadt Kiew und die westukrainische Stadt Lwiw wieder getroffen. Zeitweise wurde die Stromversorgung rationiert. Die Menschen im ganzen Land sind zum Energiesparen aufgerufen. Rund 40 Prozent der Energie-Infrastruktur der Ukraine sollen laut Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bereits zerstört sein.
Weitere russische Raketenangriffe: Insgesamt bereits 40 Prozent der Energieinfrastruktur der Ukraine zerstört
Update vom 22. Oktober, 10.17 Uhr: Russland hat am Samstag mit neuen Raketenangriffen auf die Ukraine landesweit Luftalarm ausgelöst. Ukrainische Behörden und Medien berichteten über Explosionen in Riwne im Nordwesten des Landes, im Gebiet Kiew, in Odessa und anderen Regionen. Die Luftabwehr sei aktiv, teilte die Behörden in der ukrainischen Hauptstadt mit. In sozialen Netzwerken teilten Staatsbeamte Videos, die etwa einen ukrainischen Kampfjet dabei zeigten, wie er eine russische Rakete abgeschossen haben soll.
Der Berater des ukrainischen Präsidentenbüros, Olexij Arestowytsch, sagte, dass fünf auf Kiew gerichtete Raketen abgefangen worden seien. In anderen Teilen des Landes gebe es teils Folgen der Angriffe und durch die abgeschossenen Raketen, sagte er. Details nannte Arestowytsch nicht. Den Abschuss der Raketen in Kiew bestätigte auch Bürgermeister Vitali Klitschko. „Der Luftalarm geht weiter. Bleiben Sie in den Schutzbunkern und achten Sie auf Ihre Sicherheit“, sagt er.
Einem Bericht der ukrainischen Zeitung Kyiv Independent zufolge sei in den Regionen Riwne, Chmelnyzkyj und Wolyn am Samstagmorgen kritische Infrastruktur von russischen Raketen getroffen worden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte bereits zuvor gesagt, dass durch die russischen Angriffe inzwischen 40 Prozent der Energie-Infrastruktur des Landes zerstört seien.
Ukraine-Krieg: Frauen können sich durch neues Gesetz freiwillig ukrainischer Armee anschließen
Update vom 22. Oktober, 9.37 Uhr: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat der osteuropäischen Medienplattform Nexta zufolge, ein Gesetz erlassen, welches es Frauen ermöglicht, sich auf freiwilliger Basis von der Armee rekrutieren zu lassen. Die Plattform beruft sich dabei auf den ukrainischen Fernsehsender 5 Kanal. Das Gesetz zielt auf Frauen ab, die bereits im Vorfeld einem Beruf nachgingen, der im militärischen Zusammenhang nützlich sein kann.
Ukraine-Krieg: Feuer in russischer Industrieanlage
Update vom 21. Oktober, 19.28 Uhr: In der Region Belgorod in Russland brach nach Angaben der örtlichen Behörden aufgrund von Beschuss ein Feuer in einer Industrieanlage aus. Das berichtete das Nachrichtenportal Pravda am Freitagabend. Ein direkter Treffer eines Projektils soll den Brand verursacht haben, teilte der Gouverneur der Region, Vyacheslaw Gladkow, im Nachrichtendienst Telegram mit. Von ukrainischer Seite gab es zunächst keine Reaktion auf den Vorfall. In der russischen Grenzregion Belgorod kam es zuletzt häufiger zu Angriffen.
Ukrainische Gegenoffenisve in der Region Cherson: Russland will Stadt zu einer „Festung“ machen
Update vom 21. Oktober, 16.10 Uhr: Die Lage um Cherson im Süden der Ukraine rückt immer stärker in den Fokus. „Die Situation ist wirklich schwierig“, erklärte jetzt auch der stellvertretende pro-russische Verwalter der Region, Kirill Stremousow, hinsichtlich der ukrainischen Gegenoffensive. Man werde die Stadt zu einer „Festung“ machen und „bis zum Ende“ verteidigen, versicherte der pro-russische Beamte laut staatlicher Nachrichtenagentur Ria Nowosti. „Unsere Aufgabe ist es, Menschen zu retten, Verteidigungsanlagen aufzubauen und die Stadt zu schützen“, sagte er in einer Videobotschaft.
Putins Soldaten im Dilemma — Cherson verlassen oder Umzingelung riskieren?
Update vom 21. Oktober, 15.22 Uhr: Russische Truppen in Cherson befinden sich angesichts der ukrainischen Gegenoffensive in einer schwierigen Lage. Darauf machte nun auch der ehemalige britische Air Vice Marshal Sean Bell aufmerksam. „Die Schlinge um russische Truppen in Cherson zieht sich enger“, sagte er dem britischen Sender Sky News. „Wenn sie bleiben, dann riskieren sie, umzingelt, isoliert und womöglich ausgelöscht zu werden“, betonte Bell. „Und wenn sie gehen, dann wird es eine wirklich, wirklich große Niederlage für Russland werden.“
Russischen Beamten sei befohlen worden, Cherson zu verlassen. Gleichzeitig gebe es auch Berichte über russische Soldaten, die in zivil unterwegs sind. Das Kalkül dahinter laut Bell: Beim Verlassen von Cherson soll es nicht nach einem militärischen Exodus aussehen. Darüber hinaus habe der oberste Militärführer der Invasionstruppen, General Surowikin, „Schwierigkeiten in Cherson“ eingeräumt, was „wirklich ungewöhnlich“ für einen russischen Beamten sei. Bell hält dies für den ersten Schritt zur Vorbereitung des Rückzugs aus Cherson.
Ukraine-Krieg: Ukrainischer Militärsprecher lobt IRIS-T — „Feuertaufe bestanden“
Update vom 21. Oktober, 14.00 Uhr: Laut dem Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Yuri Ignat, hat das deutsche Iris-T-Luftabwehrsystem die erste „Feuertaufe“ bestanden und sich beim jüngsten Beschuss durch russische Truppen gut bewährt.
„IRIS-T ist ein mächtiges deutsches System“, zitierte die ukrainische Nachrichtenagentur Unian den ukrainischen Soldaten aus einem Briefing. Es handle sich um die „neueste und modernste Ausrüstung“. Nirgendwo auf der Welt gebe es dieses System, doch die Ukraine habe es bekommen. Der einzige negative Punkt sei, „dass es nur wenige davon gibt“, so Ignat. Der ukrainische Luftwaffensprecher äußerte seine Hoffnung auf eine schnellere Produktion der Systeme, „damit die Ukraine so viele wie möglich erhält“.
Bislang hat Deutschland nur ein IRIS-T-System von insgesamt vier zugesagten geliefert. Die restlichen drei Luftabwehrsysteme sollen im kommenden Jahr an das ukrainische Militär geliefert werden. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zufolge ist dabei die Unterstützung bei der Luftabwehr wichtiger als die Panzer-Frage. Die Ukraine fordert schon seit langem deutsche Kampfpanzer.

Ukraine-Krieg: Kriegseintritt von Lukaschenko? — Angriff aus Belarus unwahrscheinlich laut London
Update vom 21. Oktober, 11.05 Uhr: Offenbar erwartet das britische Verteidigungsministerium keine ernsthafte Bedrohung für die Ukraine aus Belarus. Wladimir Putin und Alexander Lukaschenkos Plan für eine gemeinsame Truppe hatte Befürchtungen über einen Kriegseintritt von Belarus verstärkt. Daneben tauchten Videos von russischen Soldaten und Panzern in dem Nachbarland auf. Es sei aber weiterhin unwahrscheinlich, dass Russland tatsächlich eine hohe Zahl an zusätzlichen Truppen in das Land verlegt habe, so die britische Einschätzung. Auch sei zu bezweifeln, dass Moskau neue kampfbereite Einheiten in der angegebenen Größe schaffen könne, da sich die Truppen in der Ukraine befinden. Zuvor hatte Minsk die Einreise von rund 9000 russischen Soldaten gemeldet.
Zudem habe das belarussische Militär selbst höchstwahrscheinlich nur minimale Fähigkeiten zur Durchführung von „komplexen Operationen“, hieß es aus London. Dem Bericht zufolge ist die Erklärung von Putin und Lukaschenko mit Blick auf eine gemeinsame Truppe vielmehr ein Versuch, die Ukraine davon zu überzeugen, ihre Truppen an die nördliche Grenze zu verlegen. Aktuell sind russische Truppen besonders im Süden und Nordosten der Ukraine unter Druck.
Ukraine-Krieg: „Sechs Wochen Zeitfenster“ — USA halten Cherson-Einnahme für möglich
Update vom 21. Oktober, 9.20 Uhr: Den USA zufolge hat die Ukraine ein sechs Wochen langes Zeitfenster für weitere Erfolge gegen das russische Militär. Das berichtet die New York Times (NYT) unter Berufung auf amerikanische Geheimdiensteinschätzungen. Demnach könnte das ukrainische Militär sowohl im Süden als auch im Nordosten nur noch in diesem Zeitraum neue Gewinne erzielen, bevor Wetterverhältnisse wie Wolken und schlammiger Boden beide Seiten zu einer Pause zwingen werden.
Zwar sei es unwahrscheinlich, dass russische Truppen weiträumig kollabieren und ähnlich wie in den letzten Wochen erneut große Landstücke an das ukrainische Militär verlieren würden, so die US-Beamten gegenüber der NYT. Allerdings könne der andauernde ukrainische Druck zu einem Bruch in individuellen russischen Einheiten führen und die Zurückeroberung von sowohl Städten im Donbass als auch von Cherson ermöglichen. Dabei gehört das Oblast Cherson zu den von Kreml-Chef Wladimir Putin illegal annektierten ukrainischen Regionen. Zudem urteilten US-amerikanische und ukrainische Beamte im Gespräch mit der Zeitung, der Krieg werde wohl noch mehrere Monate dauern.
Ukraine zeigt Kampfeswillen — Selenskyj spricht von „russischer Gemeinheit“ nach Angriffen
Update vom 21. Oktober, 6.07 Uhr: Die Ukraine zeigt trotz massiver russischer Luftangriffe auf Kraftwerke und andere Infrastruktur ungebrochen Kampfeswillen. „Russische Truppen greifen unsere Kraftwerke weiterhin mit Raketen und Drohnen an. Am Ende wird auch eine solche russische Gemeinheit scheitern“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag in seiner abendlichen Videoansprache.
Russland wolle das Energiesystem der Ukraine zerstören und das Land noch mehr leiden lassen. „Aber dies mobilisiert nur die internationale Gemeinschaft, uns noch mehr zu helfen und noch mehr Druck auf den Terrorstaat auszuüben“, so Selenskyj weiter.

Das ukrainische Versorgungsunternehmen Ukrenerho teilte am Abend mit, es erwarte am Freitag infolge der beschädigten Anlagen im ganzen Land vorübergehende Einschränkungen im Energieverbrauch. Bereits am Donnerstag war das Unternehmen zu Stromabschaltungen gezwungen. Der Berater im Präsidialamt in Kiew, Olexij Arestowytsch, schloss längerfristige Probleme nicht aus. „Wir können durchaus vor einer Situation stehen, in der wir Wochen oder sogar Monate ohne Wasser, ohne Licht und Wärme oder mit großen Einschränkungen sitzen werden.“ Er sei aber sicher, dass die Ukrainer die Probleme bewältigen würden (siehe vorheriges Update).
Selenskyj nannte die Lage an der Front schwierig. Dies betreffe besonders den Donbass im Osten und einige Richtungen im Süden. „Aber wir behaupten uns. Wir verteidigen unser Land. Wir bewegen uns allmählich vorwärts und verdrängen den Feind.“ Die Ukraine werde siegen. „Terroristen verlieren immer. Freiheit gewinnt immer.“
Update vom 20. Oktober, 22.25 Uhr: Die Ukraine schließt längerfristige Energieprobleme nach den massiven russischen Luftangriffen auf Kraftwerke und andere Infrastruktur nicht aus. „Wir können durchaus vor einer Situation stehen, in der wir Wochen oder sogar Monate ohne Wasser, ohne Licht und Wärme oder mit großen Einschränkungen sitzen werden“, sagte der Berater im Präsidialamt in Kiew, Olexij Arestowytsch.
In Kiew rief Gebietsgouverneur Olexij Kuleba die Bewohner der Hauptstadt auch für Freitag zum Stromsparen auf. Insbesondere am Vormittag sollten keine energieintensiven Geräte wie Heizungen und Waschmaschinen eingeschaltet werden, sagte Kuleba. „Jedes eingesparte Kilowatt ist eine Hilfe für unser Stromnetz.“
Ukrainische Gegenoffensive: Kreml befürchtet Vorrücken in Cherson
Erstmeldung vom 20. Oktober: Cherson – Die Region Cherson ist eines von vier Gebieten, die Russlands Präsident Wladimir Putin per Referendum annektierte. Am Mittwoch verhängte der Kremlchef in den Oblasten Cherson, Saporischschja, Donezk und Luhansk das Kriegsrecht. Wie Kiew unmittelbar mitteilte, ändere das nichts an der geplanten Gegenoffensive. In Cherson könnte die nächste Schicksalsschlacht im Ukraine-Krieg drohen.
Die russische Armee befürchtet bereits einen großen Angriff der Ukraine, um die Stadt Cherson und das Gebiet auf dem nördlichen rechten Ufer des Flusses Dnipro zu befreien. Der Kreml sprach zuletzt offen von ukrainischen Erfolgen.
Laut dem Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, rücken die ukrainischen Streitkräfte weiter vor. Bei russischen Panzerangriffen seien dem ukrainischen Militär jedoch schwere Schläge versetzt worden. Putins neuer General, Sergej Surowikin, sprach gar von einer „angespannten Lage“. Außerdem werde man auch „schwierige Entscheidungen“ treffen. Eine Andeutung für einen Rückzug? Oder Strategie?
Zur militärischen Lage in Cherson äußert sich die Ukraine seit Tagen nicht. Ukrainische Truppen rückten rund um die Frontlinie zuletzt aber immer weiter vor und befreiten mehrere Ortschaften. Laut britischem Geheimdienst erwägt die russische Führung daher einen größeren Rückzug ihrer Truppen aus dem Gebiet um Cherson westlich. London stufte Surowikins Äußerungen als „höchst ungewöhnlich“ ein, da sie von der bisherigen Kremlkommunikation abwichen.
Cherson-Rückzug? Kreml plant offenbar Staudamm-Attacke unter falscher Flagge
Ein möglicher Rückzug könnte allerdings schwierig werden. Alle permanenten Brücken über den einen Kilometer Meter breiten Fluss Dnipro seien schwer beschädigt, hieß es vom britischen Geheimdienst. Greift Russland daher zu einer False-Flag-Aktion, einem russischen Angriff unter falscher Flagge, den der Kreml der Ukraine in die Schuhe schiebt?
Brisant: Laut dem US-Think Tank „Institute for the Study of War“ (ISW) will Russland das Wasserkraftwerk Kachowka angreifen, um einen Staudamm zu brechen. Surowikin hatte am Mittwoch noch öffentlich erklärt, dass die Ukraine eine solche Attacke plane und von zerstörerischen Überschwemmungen gesprochen.
Die Strategie des Kreml laut ISW: „Das russische Militär könnte glauben, dass die Durchbrechung des Staudamms seinen Rückzug vom rechten Ufer des Dnipro-Flusses decken und den ukrainischen Vormarsch über den Fluss verhindern oder verzögern könnte.“ Russland würde dann die Ukraine für den Angriff verantwortlich machen – und gleichzeitig ruhiger aus Cherson abziehen. (as)