Wenn Promis auf Tuchfühlung mit den Reichsbürgern gehen

Der Polizei gelingt ein Schlag gegen die „Reichsbürger“-Szene mit vielen Festnahmen. Doch welche Prominenten hatten bereits mit der Szene Kontakt?
Frankfurt/ Berlin - Am 7. Dezember wurde der Frankfurter Immobilienunternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß verhaftet. Er soll der Kopf eines Terror-Netzwerks der „Reichbürger“-Szene sein, das mutmaßlich einen gewaltsamen Umsturz in Deutschland geplant hat. Prinz Reuß war vor dem letzten Mittwoch den meisten eher unbekannt. Die Verschwörungs-Szene hat jedoch prominente Köpfe zu bieten, die sich zu „Reichsbürger“-Inhalten bekannten oder immer noch bekennen.
Dabei muss vorab betont werden, dass „Reichsbürger“ keine homogene Gruppe sind. Die Bundeszentrale für politische Bildung spricht jedoch von einem „verschwörungsideologischen Souveränismus“, der der Szene implizit ist. Damit ist das Bestreben gemeint, die „Volkssouveränität“ und die als natürlich begriffene Ordnung „gegen die herrschende politische Ordnung (wieder)herstellen zu wollen“. Die politische Ordnung sei Teil einer globalen Verschwörung mit dem Ziel der Vernichtung diverser Volksgruppen. „Verschwörungsideologischer Souveränismus in Deutschland ist personell und ideengeschichtlich eng mit Antisemitismus, Rechtsextremismus und Rechtslibertarismus verknüpft“, heißt es weiter.
„Reichsbürger“-Szene: Sänger Xavier Naidoo hielt Deutschland für ein besetztes Land
Der erfolgreichste Prominente mit eine Nähe zur „Reichsbürger“-Szene war wohl der Sänger Xavier Naidoo. Bereits 2009 hatte er in dem Lied „Raus aus dem Reichstag“ die Demokratie in Deutschland in Frage gestellt und zwei Jahre später im ARD-Morgenmagazin behauptet, dass Deutschland „ein besetztes Land“ sei - der Klassiker unter den „Reichsbürger“-Thesen. 2010 hatte er den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler erfolglos wegen Hochverrat angezeigt, weil dieser „Deutschland in die Währungsunion und die EU gebracht“, „dafür aber kein Mandat des eigentlichen Souveräns, nämlich des Volkes“ gehabt habe, wie er in einem Interview des österreichischen Kurier formulierte.
Auch nahm er 2014 an den damaligen „Mahnwachen für den Frieden“ teil, die mit der „Reichsbürger“-Szene durchzogen waren. Dort äußerte er etwa die Verschwörungserzählung, Deutschland sei „eigentlich gar kein richtiges Land“, „weil wir immer noch besetzt sind“. Im April 2022 entschuldigte er sich in einem Video dahingehend, dass viele seiner früheren Äußerungen „verstörend“ und er auf einem „Irrweg“ gewesen sei.
In der „Reichsbürger“-Szene aktiv: Rechtsextremist auf der Flucht, Attila Hildmann
Der rechtsextreme Kochbuch-Autor und Aktivist Attila Hildmann erlangte seine Berühmtheit im Zuge der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen. Hildmann gilt als einer, der keine Verschwörungserzählung auslässt. Im September 2020 hatte er den damaligen „Warntag“ als Startschuss für die endgültigen Unterwerfung des deutschen Volkes eingeordnet: „Wir können davon ausgehen, dass sie ab Mitte/Ende September (10.9.2020 Bundesweiter Warntag vom Katastrophenschutz) den zweiten Lockdown ausrufen und Deutschland in 5-km-Sektoren unterteilen.“
Auf einer Demo vor dem Berliner Reichtag schließlich verwies er „Reichsbürger“-konform auf die „lügenden Medien“ ebenso wie auf eine von Rothschild „installierten Regierung“ . Das „Schwert der Wahrheit“ (Hildmann) zieht er mittlerweile mutmaßlich in der Türkei. Dorthin flüchtete er, nachdem die Berliner Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl erlassen hatte.
Verschwörungs-Protagonist ist Ken Jebsen: „Querdenken“ und „Mahnwachen für den Frieden“
Bekannter Verschwörungs-Protagonist ist auch Ken Jebsen. Der Aktivist trat 2014 und 2015 als Führungspersönlichkeit bei den sogenannten „Mahnwachen für den Frieden“ auf und knüpfte an diese Aktivitäten bei den „Querdenken“-Demos 2020 - „mein Körper gehört mir“ - nahtlos an. Hauptfeind scheint Israel zu sein, zumindest schrieb Jebsen noch 2014 in einem offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel, „Nationalzionisten“ hätten „Israel okkupiert wie Nazis ‘33 Deutschland okkupiert haben“. Jebsen äußerte bereits die Überzeugung, die USA würden von jüdischen Menschen gesteuert, deren Ziel es sei, „ein israelisches Großreich“ zu schaffen.
Der Publizist Wolfgang Storz fasste Jebsens Positionen im Tagesspiegel zusammen: „Aus der Flut an Wortmeldungen können folgende Grundpositionen herausgefischt werden: Bei uns und im Westen herrschen Eliten (‚eine kleine Geldelite‘), die gegen das Volk regieren. Die Medien sind nicht frei, sondern nur im Dienste dieser Eliten tätig. Die Demokratie in Gänze ein gigantisches Täuschungsmanöver. Keine Kritik im Detail, eine Ablehnung im Prinzip.“ Das sind Positionen, wie sie auch Gruppen der „Reichsbürger“ eigen ist.
Publizist Jürgen Elsässer gilt als Vertreter einer rechtspopulistiuschen „Querfront“
Der Publizist Jürgen Elsässer, Gründer und Chefredakteur des rechtsaußen anzusiedlenden Monatsmagazins Compact, war auch bei den „Mahnwachen für den Frieden“ aktiv. Elsässer, der sich seit 2012 der AfD annähert und auf diversen AfD-Veranstaltungen als Redner auftrat, gilt als Vertreter einer populistischen „Querfront“, wie sie besonders 2014 und 2015 populär war. An den „Querdenken“-Demonstrationen, auf denen teils deutlich sichtbar Reichsfahnen geschwenkt wurden, beteiligte er sich ebenfalls.
Wie er im Compact-Magazin schrieb, markierten die Reichsfahnen einen „Popstatus“ des Reichs, weshalb die „Insignien von 1871“ innerhalb der „Querdenken“-Bewegung Anklang fänden. Schließlich sei dies „der letzte Staat auf deutschem Boden ..., der nicht oktroyiert war: Die Weimarer Republik wurde von den Versailler Siegermächten erzwungen, das Dritte Reich war im Würgegriff einer einzigen Partei, die DDR stand unter sowjetischer Kontrolle, und die Bundesrepublik war ein Provisorium der Westalliierten.“ Die angeblich fehlende Souveränität Deutschlands verbinde „Reichsbürger“ und die Mehrheit von „Querdenken“ - womit Elsässer die eingangs erwähnte Definition bestätigt. (ktho)