Update vom 27. August 2019, 20.35 Uhr: Bereits Anfang August hatte Sachsens AfD-Spitzenkandidat Jörg Urban mit einem besonders drastischen Motiv auf Twitter und Facebook-Wahlwerbung gemacht - und mit heftigen Behauptungen in Sachen Ausländerkriminalität. Nun, kurz vor der Wahl, hat ein Medium Urbans Darstellungen wiederlegt. Der Werbespruch könnte für den sächsischen AfD-Fraktionsvorsitzenden zum Bumerang werden.
Die Worte „jede zweite Messerattacke in Sachsen wird von Ausländern verübt - CDU lässt Messereinwanderung zu“ waren nebst Urbans Konterfei und einem offensichtlich Blut symbolisierenden roten Farbklecks auf dem Motiv zu lesen. „Die ausufernde Kriminalität werden wir mit allen Mitteln stoppen“, versprach der AfD-Politiker dazu im Text des Posts. In beiden Aussagen hat Focus Online nun gravierende Fehler entdeckt.
Falsch ist den Recherchen der Webseite zufolge schon die Rede von einer ausufernden Kriminalität: Laut der aktuellsten umfassenden Polizeilichen Kriminalstatistik für das Bundesland sei 2018 sowohl die Gewaltkriminalität als auch die Zahl von Zuwanderern verübten Straftaten zurückgegangen.
Etwas komplexer ist dem Bericht zufolge die Lage bei der Frage nach „Messerkriminalität“: In Sachsen wird nach Angaben der Behörden keine gesonderte Statistiken zu mit Messern verübten Attacken geführt. In einer Antwort auf eine Landtagsanfrage der AfD nennt die sächsische Staatsregierung jedoch Zahlen für die allgemein registrierten „Straftaten mit Waffen“. Hier seien von Januar 2017 bis Ende Juni 2018 3063 deutsche und 1292 „nichtdeutsche“ Tatverdächtige ermittelt worden. Dass das Verhältnis im Fall von Messerattacken also bei 50/50 steht, erscheint äußerst unwahrscheinlich.
Nach Angaben von Focus Online wollte ein Sprecher der AfD-Landtagsfraktion die Frage nach den Quellen für Urbans Behauptungen nicht beantworten. Das Posting auf Facebook wurde mittlerweile gelöscht - auf Twitter war der Post am Dienstagabend allerdings weiter abrufbar.
Für die AfD ist es nicht der erste Flop in Sachen Messerattacken. Die Landtagsfraktion im Saarland hatte vor einiger Zeit eine ungewöhnliche Anfrage gestellt - und erhielt eine für sie wohl ernüchternde Antwort.
15.10 Uhr: Zwischen den Grünen und der CDU in Sachsen gibt es nach Ansicht von Parteichef Robert Habeck "kaum Gemeinsamkeiten". Mit Blick auf die Regierungssuche nach der Landtagswahl sagte er am Dienstag: "Wir wissen aber trotzdem, dass wir uns der Verantwortung stellen müssen." Habeck warnte vor einer durch die AfD tolerierten CDU-Landesregierung. Dies sei "kein Schreckgespenst", betonte er mit Blick auf kommunalpolitische Kooperationen der beiden Parteien in Sachsen.
Die sächsische CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer habe zwar eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen. "Aber die Tolerierung eines Ministerpräsidenten ohne Vereinbarung ist davon nicht erfasst", sagte Habeck nach einer Klausurtagung des Grünen-Bundesvorstands in Dresden.
Neben einer Minderheitsregierung gebe es die Variante schwieriger Koalitionsverhandlungen in Sachsen. "Die CDU war für unsere Partei immer Gegner", sagte Habeck. "Im Grunde gibt es kaum Gemeinsamkeiten." Von der Sicherheitspolitik bis zum Thema Ökologie seien beide Parteien auf gegensätzlichen Positionen. Es gehe aber darum, "das andere Szenario nicht eintreten zu lassen", betonte er mit Blick auf eine AfD-Tolerierung.
Update vom 27. August 2019, 8.00 Uhr: Knapp eine Woche vor der Landtagswahl in Sachsen haben sich die Spitzenkandidaten der größeren Parteien am Montag einen letzten verbalen Schlagabtausch im Fernsehen geliefert. Bei der Wahlarena des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) ging es zunächst um den Klimaschutz. Dabei spielte der Strukturwandel in den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen eine Rolle.
Wirtschaftsminister und SPD-Chef Martin Dulig sprach sich gegen Sonderwirtschaftszonen aus, so wie sie von der CDU-Bundesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer oder Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer ins Spiel gebracht wurden. Dulig befürchtet, dass es in solchen Zonen Dumping-Löhne geben könnte und das Engagement von Investoren nicht nachhaltig sein würde.
An der „MDR-Wahlarena - SpitzenkandidatInnen im Bürgercheck“ nahmen neben Kretschmer und Dulig auch Rico Gebhardt von den Linken, Jörg Urban (AfD), Katjan Meier (Grüne) und Holger Zastrow von der FDP teil. Bei der Veranstaltung konnten Bürger ihre Fragen stellen - und somit entscheiden, über welche Themen an diesem Abend diskutiert werden soll.
Update vom 21. August 2019: Anderthalb Wochen vor der Landtagswahl in Sachsen haben sich die Spitzenkandidaten von sechs Parteien einen Schlagabtausch über die Themen innere Sicherheit und Bildung geliefert. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte am Mittwochabend bei der Gesprächsrunde in Dresden, wichtig sei, dass die Polizei an Kriminalitätsschwerpunkten wie in den Großstädten und Grenzregionen Präsenz zeige.
"Wir wollen das sicherste Bundesland werden", sagte Kretschmer. Falls die tausend zusätzlichen geplanten Polizeistellen nicht ausreichten, werde es mehr geben. Auch SPD-Spitzenkandidat Martin Dulig verwies darauf, dass die derzeitige schwarz-rote Koalition den Stellenabbau bei der Polizei gestoppt habe.
Der AfD-Spitzenkandidat Jörg Urban forderte die Wiedereinführung von Grenzkontrollen. Die offenen Grenzen seien Ursache für die Kriminalität. Zudem forderte er die Abschiebung krimineller Ausländer. Wer kein Aufenthaltsrecht habe, müsse das Land verlassen. Die Grünen-Politikerin Katja Meier sagte hingegen, das größte Problem "in diesem Land ist Rechtsextremismus und nicht Ausländerkriminalität".
Im Bereich Bildung zeigten sich SPD, Grüne und Linke einig in der Forderung nach einem längeren gemeinsamen Lernen in der Schule. Das sei "ein zentrales Thema für die SPD auch für einen Koalitionsvertrag", machte SPD-Chef Dulig deutlich. Auch die Grüne Meier betonte, es gehe nicht darum, das bisherige Schulsystem aus Gymnasium und Oberschule über den Haufen zu werfen, sondern Gemeinschaftsschulen zu ermöglichen.
Ministerpräsident Kretschmer widersprach und verwies darauf, dass das Schulsystem in Sachsen "sehr erfolgreich" sei. Priorität habe die Einstellung von Lehrern.
An der von drei großen regionalen Tageszeitungen organisierten Wahldebatte nahmen auch Rico Gebhardt von der Linkspartei und FDP-Spitzenkandidat Holger Zastrow teil. In Sachsen wird ebenso wie in Brandenburg am 1. September ein neuer Landtag gewählt. Seit Monaten liefern sich AfD und CDU in Sachsen in Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. In Umfragen hat Schwarz-Rot keine Mehrheit mehr.
Um die Kontroverse des in Sachsen populären Hans-Georg Maaßen ging es am Mittwochabend bei Maischberger. Besonders deutlich bezog Bayerns Ministerpräsident Markus Söder dabei gegen die AfD Stellung. Kraftklub-Sänger will übrigens Chemnitz verlassen, wenn die AfD mitregieren darf.
Erstmeldung vom 20. August 2019:
Sachsen - Die Lage der Regierungsbildung nach der Wahl in Sachsen scheint mehr als verzwickt zu werden. Die CDU muss mit großen Verlusten rechnen, während auch die möglichen Koalitionspartner schwächeln.
Die aktuellen Umfragen aus Sachsen halten die politische Debatte in Atem. Der CDU sowie dem aktuellen Koalitionspartner SPD droht jeweils ein drastischer Absturz von etwa zehn Prozent. Eine große Koalition scheint nicht mehr groß genug für eine Mehrheit und auch bei einem Wiedereinzug der FDP dürfte es nicht für Schwarz-Gelb reichen.
CDU-Wahlkampfberater Werner Pazelt sinnierte über die Regierungsbildung. Der Politologe präferiere zwar eine Partnerschaft mit den Grünen, schloss aber auch eine Minderheitsregierung nicht aus.
Sachsens Ministerpräsident hatte bereits klar formuliert, weder mit AfD noch mit den Linken zusammenarbeiten zu wollen. Eine Einbindung der Grünen war bereits nach der vergangenen Landtagswahl 2014 gescheitert und gilt auch heute als unwahrscheinlich.
So wurde Michael Kretschmer gar von Parteikollege Hans-Georg Maaßen gedrängt, einen konservativeren Kurs zu verfolgen als die Bundes-CDU. Auch ohne diesen möglichen Ruck nach rechts, dürfte zwischen Bündnis 90 und Union schon bei Klima- und Migrationsfragen ausreichend Diskussionsbedarf bestehen. Seine Aussagen hatten derweil auch zu einem handfesten Streit innerhalb der Union geführt.
Starke Koalitionspartner für die CDU sind also Fehlanzeige. Eine normale Regierungsbildung nach der Landtagswahl 2019 in Sachsen scheint beinahe unvorstellbar. Die Notlösung durch eine Minderheitsregierung steht berechtigterweise im Raum, wird nun aber von Ministerpräsident Kretschmer in einem am Mittwoch im Tagesspiegel erscheinenden Interview kategorisch ausgeschlossen.
„Ich mache keine Minderheitsregierung“, wird der Regierungschef von der Deutschen-Presse Agentur, die vorab Einblick in das Gespräch bekommen hatte, zitiert, „Minderheitsregierung heißt, auf Zufälligkeiten zu setzen - die Dinge werden unkalkulierbar.“
Er fürchte ein „freies Spiel der Kräfte“ und empfiehlt dringend Besonnenheit in den Sondierungsgesprächen: „Es muss möglich sein, dass erwachsene Menschen sich zusammensetzen und so lange miteinander reden, bis sie einen Plan haben für fünf Jahre.“
Mit Blick auf die Positionierung der Parteien bleibt so einzig eine Lösung aus Schwarz-Rot-Grün. Was den Grünen zu einer hervorragenden Verhandlungspostition verhilft. Eine mehrheitsfähige Koalition in Sachsen hängt im Endeffekt an ihrer Beteiligung.
FDP-Spitzenkandidat Holger Zastrow hingegen sieht kein Problem in einer Minderheitslösung. Öffentlich bekannte er sich sogar gegenüber dem WDR dazu, dafür zu werben. Eine Regierungsbeteiligung schließt er ebenfalls nicht aus.
Die Fragezeichen werden knapp zwei Wochen vor dem Wahltag immer größer. Eine endgültige Entscheidung wird sehr schwierig zu treffen.
mb