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Belarus wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand - helfen nun ausgerechnet EU und USA?

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Von: Aleksandra Fedorska

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Alexander Lukaschenko, Präsident von Belarus, hört während eines Interviews mit der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) im Unabhängigkeitspalast Fragen zu.
Alexander Lukaschenko, Präsident von Belarus, hört während eines Interviews mit der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) im Unabhängigkeitspalast Fragen zu. © Markus Schreiber/dpa

Nach mehreren Sanktionsrunden kriegt Weißrussland die Folgen seiner Politik, doch zu spüren. Die wirtschaftliche Rezession könnte dieses Jahr zweistellig ausfallen.

Minsk - Es hat eine ganze Weile gedauert bis das Lukaschenkoregime die wirtschaftlichen Folgen, seiner brutalen Herrschaft zu spüren bekam. Die Wirtschaft schrumpfte nun im ersten Quartal dieses Jahres um 0,4 Prozent. Die Rezession wird voraussichtlich im Laufe des Jahres deutlich zunehmen. „Die Weltbank erwartet 2022 einen Rückgang des belarussischen BIP um 6,5 Prozent. Andere Schätzungen reichen von acht bis zwölf Prozent des BIP.” schreibt Lev Lvovskiy vom Belarusian Economic Research and Outreach Center (BEROC).

Belarus wurde im Zuge der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste nach den gefälschten Wahlen im Jahr 2020 mit Sanktionen belegt. Allerdings waren diese Sanktion nur halbherzig und beinhalteten lange Übergangsfristen. Das Regime konnte sich daher gut darauf einstellen und verbuchte im Jahr 2021 sogar einige Exporterfolge, was Zweifel an der Effektivität der Sanktionen aufwarf. Bei genauer Betrachtung handelte es sich aber um Bestellungen, die wegen Corona verschoben und später nachgeholt wurden. Einige Ausnahmen bezogen sich auf spezielle Warengruppen, wie z.B. die belarussische Holzprodukte, die tatsächlich von dem Materialmangel im Westen profitieren konnte.

Wirksame Sanktionen sind schnelle und klare Schnitte

Die Rolle Weißrusslands bei der russischen Invasion in der Ukraine ist nicht eindeutig, da die belarussischen Streitkräfte an Kampfhandlungen nicht teilnehmen. Allerdings nutzten die Russen das weißrussische Staatsgebiet und die militärische Infrastruktur des Landes für den Einmarsch in die Ukraine und für den Raketenbeschuss des Landes. Deshalb wurden am 2. März schärfere Sanktionen gegen Weißrussland verhängt. Das betraf den Export von Holz-, Metall- und Stahlprodukten. Am 8. April folgte der Transportausschluss für weißrussische Spediteure für die EU.

Infolgedessen brach der Export in Richtung Westen zusammen. Das gilt auch für den ukrainischen Markt. Die Ukraine war vor dem Krieg der zweitwichtigste Handelspartner Weißrusslands. Die Exporte in die Ukraine machten jährlich bis zu 5,5 % des BIP aus. Der massive Ausfall der Exportpotenziale zog weitere Probleme nach sich. Ausländische Investoren und Geschäftspartner ziehen sich seitdem aus Belarus zurück.

„Der belarussische Staat ist derzeit auch nicht in der Lage, seine Auslandsschulden zu refinanzieren, was nicht nur zu einem Rückgang der Devisenreserven führt, sondern zusätzlich die Solvenzprobleme verschärft.” schreibt der Weißrusslandexperte Kamil Kłysiński in seinem Bericht für das Centre for Eastern Studies (OSW).

Die Wirtschaftsaussichten für Belarus

Das Lukaschenkoregime wird es aus eigener Kraft kaum schaffen, aus der Wirtschaftskrise herauszukommen. Im Gespräch sind daher weitere Hilfen aus Russland für Belarus. Die Weißrussen wollen den Export über Russland weiter nach Asien umlenken und hoffen dabei auf die Unterstützung des Kremls.

Regimevertreter bemühen sich, die Tilgung der fälligen Kredite an Russland auf die Jahre 2027 - 2028 zu verschieben. „Lukaschenko hat sogar den Bau eines Güterterminals bei St. Petersburg ins Gespräch gebracht”, teilte das Centre for Eastern Studies (OSW) mit. Angeblich liegt die Genehmigung der russischen Behörden dafür schon vor. Allerdings würde der Bau einige Jahre dauern. Diese Strategien und Ideen werden aber vermutlich an Russland scheitern, da sich der Aggressor erstmal selbst ökonomisch retten muss
und ansonsten enttäuscht ist, dass sich die belarussische Streitkräfte aus dem Krieg in der Ukraine rausgehalten haben.

Belarus-Hilfe durch EU und USA wegen Ukraine-Getreide?

Bessere Chancen auf eine schrittweise Rückkehr zur Normalität hat hingegen eine andere Idee, die dem Zweck dienen soll, ukrainisches Getreide auf die Exportmärkte zu bringen, um die Hungerkrise im Nahen Osten und im Norden Afrikas zu verhindern. Es geht um einen Vorschlag der Europäischen Kommission, dass das Getreide über Belarus zu den EU-Häfen transportiert wird. Das Wall Street Journal berichtet, dass die Vereinigten Staaten die Möglichkeit einer sechsmonatigen Aufhebung der Sanktionen für den Export von belarussischem Kalidünger im Austausch für den Transit von ukrainischem Getreide in Erwägung ziehen.

Die Idee trägt den Namen „humanitärer Güterkorridor” und legt den geografischen Schwerpunkt auf die Verschiffung von Getreide über baltische Ostseehäfen. Diese Häfen müssten dafür jedoch vorbereitet werden. „Der Hafen von Klaipeda ist potenziell in der Lage, genug umzuschlagen – etwa 8 Millionen. Tonnen und diese Kapazität könnte durch Investitionen weiter erhöht werden. Leider ist es aufgrund von aktuellen Infrastruktureinschränkungen derzeit nur möglich 1-1,5 Millionen Tonnen ukrainisches Getreide pro Jahr nach Litauen zu bringen“, erklärte der litauische Transportminister Marius Skuodis.

Weißrussland könnte sich damit zumindest teilweise rehabilitieren und seine Wirtschaft retten, wenn es der freien Welt hilft, eine globale Hungerkrise zu verhindern.

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