Ukraine ändert Strategie: Sabotage? Militär-Schläge treffen russischen Nachschub - Experte glaubt an Wende

Die russischen Invasionstruppen geraten im Süden der Ukraine offenbar in Bedrängnis. Das hat wohl mit Raketenangriffen auf den Nachschub und mit Sabotage auf der Krim zu tun.
München/Krim/Cherson - Es sind Szenen, wie sie an Filme zum Zweiten Weltkrieg erinnern. Auf einer Eisenbahnstrecke geht wegen zerstörter Gleise nichts mehr, die wichtige Verkehrstrasse ist für den Nachschub mit militärischer Ausrüstung nicht mehr geeignet. Genau das passiert offenbar gerade im Ukraine-Krieg auf der Krim, die von Moskau 2014 völkerrechtswidrig vom westlichen Nachbarn annektiert worden war.
Im Krieg mit Russland: Attacken auf Nachschublinien - Verfolgt die Ukraine eine neue Strategie?
Ein Beispiel: Am Dienstag (16. August) gab es laut der russischen Krim-Verwaltung eine Explosion in einem provisorischen Munitionslager im Nordosten der Schwarzmeer-Halbinsel. Fotos zeigen eine hohe Rauchsäule nahe des Asowschen Meeres.
Neben dem Depot seien zivile Infrastruktur wie eine Hochspannungsleitung, ein Kraftwerk, eine Bahnstrecke und mehrere Häuser beschädigt worden, teilten die Behörden mit. Der Leiter des ukrainischen Präsidialamts, Andrij Jermak, nannte die Explosion im Online-Dienst Telegram dagegen eine „Operation zur Entmilitarisierung“ der Krim und bezeichnete sie als „Meisterleistung der ukrainischen Streitkräfte“.
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Ein zweites Beispiel: Am Dienstag eine Woche zuvor (9. August) war es zu schweren Explosionen auf einem russischen Militärstützpunkt ebenfalls auf der Krim gekommen. Dabei wurden angeblich ein Mensch getötet, acht Flugzeuge und erhebliche Mengen Munition zerstört, erklärten die Behörden der Schwarzmeer-Halbinsel.
Das ukrainische Militär deutete hierzu konkret einen Angriff an, Moskau sprach zunächst von einem Verstoß gegen den Brandschutz, der angeblich zu der Explosion geführt habe. Am Mittwoch (17. August) hieß es dann aus Moskau, eine „sechsköpfige terroristische Zelle“ sei verhaftet worden. Unabhängig überprüfen lassen sich die jeweiligen Informationen nicht. Bleibt die Frage: Steckt eine neue Strategie Kiews hinter den Explosionen auf den russischen Nachschublinien im Süden und auf der Krim?
Cherson und Krim: Angriffe auf Infrastruktur - Ukraine-Truppen wollen Nachschub der Russen unterbinden
Viel spricht dafür. Ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Mykhailo Podolyak, kündigte im Gespräch mit der britischen Zeitung The Guardian an, dass die Ukraine mit Angriffen auf die Versorgungslinien „Chaos innerhalb russischer Truppen“ stiften wolle. „Ich denke, wir werden mehr davon sehen“, erklärte Podolyak. Ein Militär-Experte glaubt sogar, dass durch die Explosionen auf der Krim die russische Besatzung der Großstadt Cherson in der Südukraine gefährdet sei.
Ich denke, die Russen werden sich bald aus Cherson zurückziehen.
„Ich denke, die Russen werden sich bald aus Cherson zurückziehen“, erklärte Dmitri Alperovitch, Vorsitzender der in Washington ansässigen Denkfabrik „Silverado Policy Accelerator“ laut t-online: „Es wird unhaltbar. Es ist wirklich schwierig, die Streitkräfte wieder aufzufüllen.“ Damit nicht genug: Der stellvertretende Chef der ukrainischen Verwaltung von Cherson, Yuri Sobolevsky, behauptete auf Telegram sogar, dass bereits weite Teile des russischen Militärkommandos die Stadt verlassen hätten.
Ukraine-Krieg: Setzt Kiew im Kampf gegen die russische Armee eine neue Rakete ein?
Es gibt mittlerweile mehrere externe Einschätzungen, die eine neue Strategie Kiews im Kampf gegen die russische Invasion ausmachen. Laut der US-Denkfabrik „Institute for the Study of War“ zielen die Angriffe gezielt darauf ab, Russlands Versorgung für die Ukraine-Front zu unterbrechen. Demnach würden ukrainische Truppen mit ihren Artillerie-Bombardements aktuell Brücken in der Region Dnipro mit dem gleichnamigen Fluss ins Visier nehmen. Militärische Logistik-Zentren in der Region Cherson seien ebenfalls im Visier.
Auch die Angriffe auf der Krim würden dazu passen, meinen die US-Experten zudem. Bei ihrer modifizierten Strategie setzt die Ukraine offenbar auf ihre neue ballistische Rakete des Typs Hrim-2. Diese kann angeblich eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern zurücklegen. Militärexperte Klaus Wittmann schließt ein solches neues ukrainisches Waffensystem nicht aus, das „wir noch nicht kennen und das eine so große Reichweite hat“, meinte der General a.D. im Gespräch mit der Welt - und nannte auch Sabotage als mögliches Mittel.

Ukraine-Krieg: Laut Washington bis zu 80.000 getötete und verwundete russische Soldaten
Währenddessen hakt es auf russischer Seite offenbar nicht nur am Nachschub von Material und Kriegsgerät. „Die Russen haben vermutlich 70.000 bis 80.000 Opfer in weniger als sechs Monaten erlitten“, erzählte der US-amerikanische Pentagon-Vertreter Colin Kahl am 8. August vor Journalisten. Die Verluste Moskaus seien „ziemlich bemerkenswert angesichts dessen, dass die Russen nicht eines der von Wladimir Putin zu Kriegsbeginn genannten Ziele erreicht haben“. Mit Opfer sind in diesem Zusammenhang getötete und verwundete Soldaten gemeint.
Zudem habe die russische Armee „drei- oder viertausend“ gepanzerte Fahrzeuge verloren. Kahl meinte weiter, Putin habe keines seiner Ziele erreicht: „Sein übergeordnetes Ziel war es, das gesamte Land zu überrennen, einen Regimewechsel in Kiew herbeizuführen und die Ukraine als unabhängige, souveräne und demokratische Nation auszulöschen. Nichts von alledem ist geschehen.“ (pm)