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Russland bereitet Offensive vor – doch es gibt zwei Probleme

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Von: Tobias Utz

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Kriegsforscherinnen und -forscher sind sich sicher: Russlands Bemühungen, die Region Charkiw zu erobern, sind zum Scheitern verurteilt.

Charkiw/Moskau – Geht es nach den Kriegsforscherinnen und Kriegsforschern des „Institute for the Study of War“ bereitet die russische Armee aktuell ihren nächsten Offensivversuch in der Ukraine vor. Die im Ukraine-Krieg viel zitierten Fachleute prognostizieren, dass Russlands Präsident Wladimir Putin die Einnahme der Stadt Charkiw und des umliegenden Oblasts, im Nordosten des Landes, zum Zwischenziel erklärt hat.

Grundlage der Einschätzung sind Truppenbewegungen rund um die Stadt Isjum, südöstlich von Charkiw. „Die russischen Streitkräfte haben nordwestlich und südwestlich von Isjum wieder örtlich begrenzte Bodenangriffe unternommen und schaffen möglicherweise die Voraussetzungen für offensive Operationen weiter westlich in der Oblast Charkiw oder in Richtung der Stadt Charkiw“, heißt es im Lagebericht des Forschungsinstituts. Den erwähnten Bodenangriffen gingen demnach zahlreiche Aufklärungseinsätze russischer Soldaten in der Region voraus.

News zum Ukraine-Krieg: Russlands Offensive offenbar aussichtslos

Die Stadt Charkiw und die umliegende gleichnamige Region einzunehmen, halten die Forscherinnen und Forscher für ein utopisches Ziel Putins. Charkiw ist mit rund 1,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern die zweitbevölkerungsreichste Stadt nach der Hauptstadt Kiew. Im gesamten Oblast Charkiw (circa 31.400 Quadratkilometer an Fläche) leben rund 2,6 Millionen Menschen. Doch nicht nur die Größe von Stadt und Umland sind ungünstige Faktoren für eine militärische Offensive der russischen Truppen, die von schweren Verlusten gebeutelt sind, wie es in der Analyse heißt. „Das Tempo der russischen Fortschritte im Donbass und die anhaltenden Probleme beim Truppenaufbau und der Logistik“ sind für die Fachleute weitere Faktoren.

Ukraine-Krieg
Ein Soldat der russischen Armee. (Symbolfoto) © Delil Souleiman / AFP

Teil der Experteneinschätzung ist jedoch auch die Möglichkeit, dass die Aufklärungsmissionen bei Isjum Ablenkungsmanöver der russischen Streitkräfte sein könnten. Auf diese Weise könnten etwaige ukrainische Gegenoffensivversuche verhindert werden. Dies lässt sich jedoch nicht abschließend verifizieren.

Unabhängig von möglichen Bodenoffensiven in der Region Charkiw greift Russland seit geraumer Zeit aus der Luft an. Die Berichte von Raketenangriffen häufen sich. Immer häufiger werden „zivile Gebäude“, wie es in der Militärsprache heißt, getroffen. Viele Menschen aus der Zivilbevölkerung verlieren auf diese Weise ihr Zuhause – oder ihr Leben.

News zum Ukraine-Krieg: „Glatte Lüge“ der russischen Regierung

Aus Moskau heißt es seit Invasionsbeginn Ende Februar immer wieder, dass russische Truppen keinerlei zivile Infrastruktur angreifen würden. Vor allem Präsident Wladimir Putin positioniert sich gerne dahingehend. Wolfgang Benedek, Leiter der OSZE-Expertenkommission zu Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte auf dem Territorium der Ukraine, bezeichnete dies jüngst als „glatte Lüge“. „Wir sehen hier ein eindeutiges Muster an Verletzungen des humanitären Völkerrechts, das die Zivilisten eigentlich schützen soll“, sagte Benedek der Deutschen Welle.

Die Vereinten Nationen rechnen mittlerweile mit Tausenden zivilen Opfern im Ukraine-Krieg, auch in der Region um Charkiw. Abseits dokumentierter Fälle sei die Dunkelziffer wohl sehr hoch, erklärte die UN mehrfach. Das Recherchekollektiv Bellingcat fasst die Angriffe auf die zivile Infrastruktur in der Ukraine seit Kriegsbeginn in einer Karte zusammen. (tu)

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