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Tschechien sucht dringend Alternativen zum russischen Erdgas: Ist eine Länder-Kooperation die Lösung?

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Von: Aleksandra Fedorska

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Ein riesiger katarischer LNG-Tanker fährt in das LNG-Terminal in Swinoujscie, Polen, ein.
Ein riesiger katarischer Flüssiggas-Tanker fährt in das LNG-Terminal in Swinoujscie, Polen, ein. © imago

Als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine wollen sich zahlreiche Länder vom Erdöl-Tropf Moskaus befreien. Eine Lösung könnte ein gemeinsames Projekt sein.

Warschau – Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Öl-Landkarte entscheidend verändert. Tschechien, Slowakei, Polen und die Ukraine wollen im eskalierten Ukraine-Konflikt vom russischen Erdgas wegkommen. Sogenannte LNG-Terminals bieten die Möglichkeit, Gas in flüssiger Form zu importieren. Das Flüssiggas wird dabei per Tanker verschifft. Dafür braucht es eine entsprechende Anlage, die das Flüssiggas entgegennimmt, wieder in Gas umwandelt und lagert. Im besten Fall findet das direkt an der Küste statt, mithilfe eines konventionellen LNG-Terminals. Deutschland hat bislang keine Möglichkeit, Flüssiggas entgegenzunehmen, hat aber einen beschleunigten Einsatz von FSRUs (Floating Storage and Regasification Unit) beschlossen.

Im Gegensatz zu einem stationären Flüssiggasterminal sind FSRU-Anlagen auf Schiffen untergebracht und befinden sich auf dem Wasser und nicht an Land. Diese Anlagen sind flexibel und können viel schneller in Betrieb gehen. Sie sind auch finanziell günstiger als der Bau eines regulären stationären LNG-Terminals. Ihr Nachteil ist eine relativ niedrige Kapazität, die je nach Schiff zwischen 5 bis 6 Milliarden Kubikmeter jährlich beträgt.

Polen ist da schon weiter. Ein konventionelles LNG-Terminal befindet sich direkt an der deutschen Grenze im polnischen Świnoujście. Neben dieser stationären Anlage, die gerade weiter ausgebaut wird, um bis zu 8,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas im Jahr verladen zu können, wird es bis 2025 ein FSRU-Terminal in der Bucht von Gdańsk geben. Die Kapazitäten werden hier rund 6 Milliarden Kubikmeter betragen.

Ukraine-Russland-Krieg verändert Öl-Landkarte: Ein neues gemeinsames LNG-Projekt soll helfen

Mit dem Zugang zur Ostsee und der bereits vorhandenen Infrastruktur ist Polen klar im Vorteil. Stark benachteiligt sind jedoch die südlichen Nachbarn Polens, Tschechien und die Slowakei. Auch für die Ukraine hat sich der Zugang zum Meer erheblich verschlechtert, seit Russland im Ukraine-Krieg die ukrainischen Häfen blockiert hat.

Wie die Presseagentur Reuters kürzlich berichtete, gibt es bereits Gespräche zwischen Polen, Slowakei und Tschechien über erhebliche LNG-Lieferungen, die über polnische Terminals verladen werden könnten. Mit großer Wahrscheinlichkeit geht der tschechische und slowakische Gasbedarf jedoch über die vorhandenen Kapazitäten hinaus. Deshalb wird über ein gemeinsames weiteres Projekt gesprochen. „Wir können verschiedene Optionen in Betracht ziehen. Wir könnten eine weitere FSRU-Einrichtung eröffnen und ein weiteres Schiff mieten, aber das liegt in die Verantwortung unserer Partner,“ sagte die polnische Klima- und Umweltministerin Anna Moskwa.

Noch ist unklar, wo das dritte Terminal ankern soll. Es wird jedoch angenommen, dass sich das zweite Schiff in direkter Nähe des ersten FSRUs befinden könnte, um auf diese Weise die Kapazitäten und die gemeinsame Infrastruktur effizienter nutzen zu können. Der Chefredakteur des polnischen Energiefachportals Biznesalert Wojciech Jakóbik sieht die Möglichkeit, dass die Ukraine an diesen Gesprächen teilnimmt und zu einem Partner Polens wird, der seinen Gasbedarf über die polnischen Terminals decken könnte.

Tschechien braucht das Erdgas – Ukraine könnte sich ebenfalls an LNG-Terminal beteiligen

Die Ukraine könnte somit grundsätzlich ein weiterer Staat sein, der sich an der Entstehung eines dritten LNG-Terminals in Polen beteiligt. Doch noch ist völlig unklar, wie sich die Bedarfssituation in der Ukraine kriegsbedingt entwickeln wird. Währenddessen ist gerade im Falle Tschechiens der Bedarf mit rund 9 Milliarden Kubikmeter Erdgas im Jahr relativ hoch. Deshalb versuchen die Tschechen dringend neue Bezugsquellen und Methoden zu finden, um ihre Versorgung zu sichern.

Der tschechische Industrieminister Jozef Síkela hat im Gespräch mit der Tageszeitung E15 gesagt, dass die Tschechische Republik über die Zusicherung von Kapazitäten mehrerer schwimmender LNG-Terminals mit den Niederlanden, Deutschland und Polen verhandelt. Im Gespräch ist außerdem die Ausweitung von Gasspeicherkapazitäten und der Einsatz von Flusstankschiffen. Jiří Gavor, Direktor des Verbandes unabhängiger Energieversorger, bewertet diese Maßnahmen jedoch skeptisch.

Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki (links stehend) und sein tschechischer Amtskollege Petr Fiala (rechts stehend), sehen zu, wie der rechts sitzende tschechische Verkehrsminister Martin Kupka und der polnische Minister für Infrastruktur und Entwicklung Andrzej Adamczyk auf einer Pressekonferenz nach einem gemeinsamen Treffen der tschechischen und polnischen Regierungen in Liechtenstein ein Memorandum unterzeichneten.
Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki (links stehend) und sein tschechischer Amtskollege Petr Fiala (rechts stehend), sehen zu, wie der rechts sitzende tschechische Verkehrsminister Martin Kupka und der polnische Minister für Infrastruktur und Entwicklung Andrzej Adamczyk auf einer Pressekonferenz nach einem gemeinsamen Treffen der tschechischen und polnischen Regierungen in Liechtenstein ein Memorandum unterzeichneten. © Vit Simanek / Imago

„Flüssiggasspeicher in der Tschechischen Republik können für die Versorgung von begrenzter Bedeutung sein. Aber die 9 Milliarden Kubikmeter Erdgas, die unsere Republik benötigt, zu ersetzen, ist sicherlich nicht mithilfe von Flusstankschiffen möglich. Es ist definitiv nichts, was einfach gelöst werden kann,“ sagte Gavor den tschechischen Medien. Laut Gavor braucht Tschechien eine konventionelle Gasleitung und einen direkten Zugang zu den Gaslieferungen.

Am 3. Juni trafen sich die tschechischen und polnischen Verkehrsminister Martin Kupka und Andrzej Adamczyk zu Beratungen über den Ausbau von gemeinsamen Verkehrsverbindungen. Dabei stand die Anbindung an das LNG-Terminal von Świnoujście auf der Agenda. Tschechien hat bereits Anfang dieses Jahres angekündigt, in Świnoujście investieren zu wollen, um sich auf diese Weise zukünftige Kapazitäten zu sichern. (Aleksandra Fedorska)

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