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Endlich wieder reisen: Merkels Regierung in Sorge über eigene Entscheidung? Spahn warnt vor „Ballermann“

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Von: Florian Naumann

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CDU-Bundesparteitag - Merkel und Spahn
CDU-Bundesparteitag - Merkel und Spahn © dpa / Michael Kappeler

Die Bundesregierung hat die Reisewarnungen aufgehoben - doch wohl ist offenbar nicht allen Ministern bei der Entscheidung. War das Zugeständnis an die Reise-Lobby zu groß?

Berlin/München - Ab Montag (15. Juni) kann offiziell wieder gereist werden: Vor allem die Reisewarnungen für Europa hat die Bundesregierung aufgehoben - und auch die deutschen Grenzen können wieder ohne Kontrollen passiert werden.

Damit ist ein Stück der lange vermissten „Normalität“ wieder zurück. Auch viele Reiseveranstalter dürften aufatmen. Doch pikanterweise scheint deutschen Spitzenpolitikern bei dieser weitreichenden Entscheidung nicht ganz wohl zu sein. Nicht zuletzt in der Regierung gibt es offenbar große Sorgen - gleich mehrere Minister mahnen nun zur Eigenverantwortung. Erste Stimmen mahnen, die Entscheidung für das Reisen sei womöglich stark von der Reise-Lobby getrieben worden.

Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) etwa warnte am Wochenende vor den Infektionsgefahren durch die bevorstehende Reisesaison. „Wenn Urlaubsrückkehrer aus einem Hotspot sich in ganz Deutschland verteilen würden und wir die Infektionsketten nicht erkennen könnten: Dann kommen wir sehr schnell wieder in eine Situation, in der wir bundesweite Maßnahmen ergreifen müssten“, sagte der CDU-Politiker der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Es sei jedoch die „Top-Priorität“ der Regierung, dass so etwas nicht wieder passiere. Er hofft nun auch auf die neue Corona-App.

Reisen in der Corona-Krise: Spahn warnt - „Party ist weniger angesagt“

Gesundheitsminister Jens Spahn hat die Deutschen aufgefordert, trotz der Aufhebung der Reisewarnung für 27 europäische Länder beim Reisen Vorsicht walten zu lassen. Jeder müsse sich überlegen, ob es jetzt eine weite Reise sein müsse, sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend im „Bericht aus Berlin“ der ARD

„Muss ich jetzt nach Lissabon, oder kann das vielleicht auch noch ein wenig warten?“, fragte Spahn. Er verwies auf Ischgl in Österreich, von wo aus das Virus im Winter europaweit Verbreitung fand. „Jetzt darf nicht der Ballermann sozusagen das nächste Ischgl werden.“ Spahn fügte hinzu: „Party feiern - würde ich mal sagen - ist dieses Jahr weniger angesagt.“

Grenzen offen: Reisen wieder möglich - Lauterbach warnt vor „Superspreadern“ im Bus

Und auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach meldete sich einmal mehr mit einer Mahnung zu Wort. Er selbst würde sich „nicht für viele Stunden in einen Bus setzen, der voll besetzt ist“, twitterte Lauterbach am Sonntag. „Es gibt keine Studien, die zeigen, was ein Superspreader dort verursachen würde.“ Auf jeden Fall aber müssten Masken getragen werden.

Die Gemengelage führt zu gewissem Argwohn bei einigen Beobachtern. Der österreichische Journalist Thomas Mayer etwa twitterte unter Verweis auf Brauns Warnung: „Regierungen müssten Bürgern vermutlich sagen: ‚Verzichtet heuer auf allzu ausgedehnte Urlaubsreisen, Corona ist nicht vorbei, passt auf, bleibt im überschaubaren Bereich.‘“ Das traue sich aber wegen des Drucks der Wirtschaft niemand.

Mayer räumte unter seinem Posting allerdings auch ein, es handle sich um ein „Dilemma“. Klar sei aber, dass der Massentourismus eine zweite Welle tendenziell begünstige.

Reisen in Corona-Zeiten: Vorsicht walten lassen? Reiseveranstalter sieht schon „Nachholeffekt“

Ob die Deutschen tatsächlich große Vorsicht walten lassen werden, bleibt abzuwarten. Der Reiseveranstalter Tui sieht derzeit einen Nachholeffekt. „Die ersten Pauschalreisen ab Montag nach Mallorca waren innerhalb von 36 Stunden ausverkauft. Neben den spanischen Inseln sind Griechenland, Kroatien und Portugal gefragt. Zypern liegt erstmals ebenfalls ganz vorn“, hieß es am Sonntag beim Reisekonzern.

Auch DER Touristik berichtete von deutlich anziehenden Buchungen für den Sommer im Ausland. Höhere Nachfrage gebe es unter anderem für Griechenland, die Türkei, Balearen und Kanaren sowie Tunesien und den Indischen Ozean.

Nach der Grenzöffnung will auch die Deutsche Bahn ihr Angebot an Verbindungen ins Ausland schrittweise wieder hochfahren. Bis Ende Juni werde der internationale Fernverkehr in alle erreichbaren Länder wieder aufgenommen, kündigte DB-Fernverkehrschef Michael Peterson am Sonntag an. Einige Strecken ins Ausland waren auch in den vergangenen Wochen schon bedient worden.

Urlaub trotz Corona: Grenzen wieder offen - zuletzt fast 200.000 Zurückweisungen laut Seehofer

Nach drei Monaten wird die weltweite Reisewarnung für Touristen am Montag für den größten Teil Europas aufgehoben. Ab Mitternacht will das Auswärtige Amt auf seiner Internetseite nicht mehr vor Reisen in voraussichtlich 27 Länder warnen. Dazu zählen Haupturlaubsländer der Deutschen wie Italien, Österreich, Griechenland, Frankreich und Kroatien. Gleichzeitig fallen am Montag die letzten noch verbliebenen Kontrollen wegen der Corona-Pandemie an den deutschen Grenzen weg.

Bei den coronabedingten Kontrollen an den Grenzen* hat die Bundespolizei bis zum 11. Juni rund 196.000 Zurückweisungen ausgesprochen. Diese Zahl nannte Innenminister Horst Seehofer der Bild am Sonntag.

Möglicherweise auch eine Klarstellung, die einige Deutsche von allzu weiten Fernreisen abhalten wird: Eine Rückholaktion für 240.000 Touristen, wie nach Ausbruch der Corona-Pandemie, wird es nach Angaben des Auswärtigen Amts nicht noch einmal geben. Die betreffenden Reisenden sollen bald ihre Rechnungen erhalten. „Die Teilnehmer werden individuell über den jeweils zu tragenden Kostenanteil in den nächsten Tagen und Wochen informiert“, hieß es am Samstag aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Zuvor hatte das ARD-Hauptstadtstudio über das Thema berichtet.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will im Sommerurlaub* verreisen - allerdings innerhalb Deutschlands. Dort verbringen Merkel, Seehofer und Söder ihren Urlaub. Erleichtert über die neue „Reisefreiheit“ könnte einige Erholungsgebiete in Deutschland sein. Etwa in Oberbayern waren einige Gebiete zuletzt hoffnungslos überrannt worden, wie Merkur.de* berichtete.

dpa/fn

*Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerkes.

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