Update vom 10. August, 12.20 Uhr: Bei den Protesten gegen den Ausgang der Präsidentenwahl in Belarus (Weißrussland) hat es landesweit mehr als 3000 Festnahmen gegeben. Das teilte das Innenministerium Medien zufolge in der Hauptstadt Minsk am Montag mit. Es seien zudem fast 100 Verletzte auf beiden Seiten - bei den Sicherheitsorganen und den Bürgern - gezählt worden, hieß es.
Das Ministerium betonte, dass es keinen Todesfall gegeben habe. Die Menschenrechtsorganisation Wesna hatte zuvor mitgeteilt, dass ein junger Mann durch die Gewalt der Sicherheitskräfte ums Leben gekommen sei. Es war aber weiter unklar, ob die Behörden in dem autoritär geführten Land die Wahrheit sagten. In den sozialen Netzwerken gab es Bilder von einem leblosen Körper.
Update vom 10. August, 11.40 Uhr: Die Bundesregierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Ablauf der Wahl in Belarus scharf kritisiert - will sich allerdings noch nicht final zur Frage äußern, ob man den Ausgang anerkennen wird. „Wir haben große Zweifel an der demokratischen Durchführung dieser Wahl“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montagmittag bei der Bundespressekonferenz - diese Zweifel würden nun allerdings auch mit den europäischen Partnern besprochen. Zugleich sei Gewalt gegen friedliche Demonstranten zu beobachten.
Entsprechende Gespräche in der EU liefen bereits, fügte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes hinzu. Er sprach von Repressionen im Umfeld des Urnengangs. Wahlbeobachter seien nicht zugelassen gewesen, das erschwere die Einschätzung der Geschehnisse. Es gebe aber erhebliche Zweifel daran, dass das verkündete Ergebnis dem Wählerwillen entspreche.
Update vom 10. August, 10.28 Uhr: Bei den Protesten gegen die Präsidentschaftswahl in Belarus sind nach Angaben von Aktivisten ein Demonstrant getötet und dutzende weitere verletzt worden. Ein junger Mann sei von einem Polizeiauto angefahren worden und habe eine schwere Kopfverletzung erlitten, teilte die Menschenrechtsorganisation Viasna am Montag mit. Sanitäter hätten sein Leben nicht mehr retten können. Dutzende weitere Menschen wurden demnach verletzt, als die Polizei mit Schockgranaten, Wasserwerfern und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vorging.
Im ganzen Land seien am Sonntag zudem mehr als 300 Menschen festgenommen worden, sagte der Viasna-Vertreter Sergej Sys der Nachrichtenagentur AFP. Allein in der Hauptstadt Minsk habe es mehr als 150 Festnahmen gegeben. Dutzende weitere Festnahmen gab es demnach in mindestens zehn anderen Städten. Die belarussische Polizei hatte zunächst keine Zahlen genannt. Das Innenministerium wies zudem die Angaben der Aktivisten zu dem Todesfall zurück. „Wir haben keinen Toten“, sagte eine Sprecherin AFP.
Update vom 10. August, 9.30 Uhr: Weißrussland hat allem Anschein nach eine erste von schweren physischen Konflikten geprägte Nacht überstanden - mit weiteren Protesten ist allerdings wohl zu rechnen: Die Wahlkommission hat Alexander Lukaschenko zum Sieger erklärt. Die Opposition berichtet unterdessen von schweren Verstößen. Teils sei die Wahlbeteiligung in einigen Lokalen über 100 Prozent gelegen, hieß es (siehe Update von 8.12 Uhr).
Ob eine Art „Revolution“ ansteht, bleibt abzuwarten. Eine erste Ikone hat die Gewalt-Nacht von Minsk allerdings womöglich schon hervorgebracht: Ein in mehreren Postings teils hunderttausendfach abgerufenes Twitter-Video zeigt einen jungen Mann, der auf ein Polizei-Auto und dahinterstehende Einsatzhundertschaften zuläuft - woraufhin die Beamten im Fahrzeug zurückweichen. Zwei schwer gepanzerte Polizisten nehmen kurz darauf nur halbherzig die Verfolgung des Mannes auf. Vergleiche mit dem „Tank Man" auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking kamen daraufhin auf. In Belarus war es in der Nacht zu teils blutigen Auseinandersetzungen von Polizei und Demonstrierenden gekommen.
Der Streit um den möglicherweise manipulierten Wahlausgang reicht unterdessen bis nach Deutschland: FDP-Chef Christian Lindner könnte ein Fauxpas aus dem Mai zum zweiten Mal auf die Füße fallen: Damals hatte Lindner in der ersten Hochphase der Corona-Pandemie den weißrussischen Honorarkonsul Steffen Göpel vor einem Berliner Promi-Restaurant umarmt. Nach dem Aufruhr über die Missachtung der Corona-Regeln rückt nun die Funktion von Lindners „Freund“ als Vertreter Lukaschenkos Regierung in den Fokus.
„Virologen sicher: Diese Umarmung hat Belarus mit Freiheit und Demokratie infiziert“, twitterte der Satiriker Jan Böhmermann am Sonntagabend. Bis zum Montagmorgen hatte das Posting bereits knapp 3.000 Likes erhalten.
Update vom 10. August, 8.27 Uhr: Die Wahlkommission in Belarus (Weißrussland) hat Staatschef Alexander Lukaschenko zum Sieger der Präsidentenwahl erklärt. Der 65-Jährige habe 80,23 Prozent der Stimmen bei dem Urnengang am Sonntag erzielt, teilte Wahlleiterin Lilija Jermoschina am Montag in Minsk als vorläufiges Ergebnis mit. Lukaschenkos Gegnerin, Swetlana Tichanowskaja, kam demnach nur auf 9,9 Prozent der Stimmen. Sie kündigte bereits an, eine Niederlage nicht anzuerkennen. Ihre Unterstützer hatten nachts zu Tausenden gegen Lukaschenko und Wahlfälschungen protestiert. Es gab viele Verletzte und Festnahmen (siehe Update von 8.12 Uhr).
Update vom 10. August, 8.12 Uhr: Nach blutigen nächtlichen Ausschreitungen im Zuge der Präsidentenwahl in Belarus (Weißrussland) hat sich die Lage im Land vorerst beruhigt. Die Menschen seien am frühen Montagmorgen nach Hause zurückgekehrt, auch in der Hauptstadt Minsk sei es ruhig, meldeten Staatsmedien. In sozialen Netzwerken kündigten Aktivisten
neue Proteste an, um gegen Wahlfälschung und gegen einen angeblichen Sieg von Staatschef Alexander Lukaschenko zu demonstrieren.
In der Nacht war es zu schweren Zusammenstößen von Sicherheitskräften mit Bürgern gekommen. Es gab dutzende Festnahmen und viele Verletzte. Die genaue Zahl war unklar. Das Innenministerium bestätigte den Einsatz von Spezialtechnik und Blendgranaten gegen die Demonstranten. Auf Videos waren im Gesicht blutende Schwerverletzte zu sehen. Sie berichteten davon, dass die Sicherheitskräfte mit Gummigeschossen und Wasserwerfern gegen die Menschen vorgegangen seien. Oppositionsnahe Medien meldeten, ein Polizei-Mannschaftswagen sei in die Menge gefahren.
Von Lukaschenko gab es zunächst keine Reaktion. Er hatte vor der Wahl am Sonntag angekündigt, seine Macht mit allen Mitteln zu verteidigen. Offizielle Wahlergebnisse lagen auch am Montag weiter nicht vor. Die Internetseite der Wahlleitung war nicht mehr abrufbar - wie die meisten Webportale im Land. Es funktionierte aber noch der Nachrichtenkanal Telegram.
„Eine tiefe, noch nie dagegewesene Krise zieht herauf“, sagte hingegen Maria Kolesnikowa, Mitstreiterin der Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja, am Abend bei einer Pressekonferenz. Sie warf der Regierung Wahlbetrug vor. So habe die Beteiligung in mehreren Wahllokalen bei mehr als 100 Prozent gelegen. „Die Behörden sollten eingestehen, dass die Mehrheit auf der anderen Seite steht“, sagte Kolesnikowa. Die Opposition hatte bereits vor dem Urnengang erklärt, sie rechne mit Wahlbetrug.
Update vom 10. August, 6.35 Uhr: Nach der Präsidentenwahl in Belarus bleibt die politische Lage in der Ex-Sowjetrepublik ungewiss. In der Nacht zum Montag demonstrierten landesweit zehntausende Menschen gegen Wahlfälschung. Es kam zu blutigen Zusammenstößen mit der Polizei. Es wurde damit gerechnet, dass am Montag erste offizielle Wahlergebnisse vorliegen. Der Zeitpunkt war angesichts der Proteste aber ungewiss. Mit Spannung wird erwartet, ob sich Staatschef Alexander Lukaschenko äußern wird. Von ihm gab es zunächst keine Reaktionen. Geäußert hatte sich dagegen die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja. Auf ihr ruhen nun die Hoffnungen der Menschen.
Die 37-Jährige soll nach Prognosen staatlicher Meinungsforscher die von Manipulationsvorwürfen überschatteten Wahl verloren, Staatschef Lukaschenko sie dagegen gewonnen haben. Die Wahlkommission veröffentlichte aber auch Stunden nach Schließung der Wahllokale keine ersten offiziellen Ergebnisse. Es war lediglich die Rede von einem Sieg Lukaschenkos. Die Internetseite der Wahlleitung war zunächst nicht abrufbar - wie viele andere Webseiten in Belarus.
Tichanowskaja wollte eine Niederlage nicht einräumen: „Es kann keine Anerkennung eines solchen Wahlergebnisses geben“, sagte Sprecherin Anna Krasulina der dpa. Es sei damit zu rechnen gewesen, dass die staatlichen Prognosen Lukaschenko rund 80 Prozent der Stimmen zuschreiben würden: „Das ist fern jeder Realität.“ Von Lukaschenko gab es nach der Abstimmung keine Reaktion.
Nach Angaben von Beobachtern sollen sich in der weißrussischen Hauptstadt Minsk bis zu 100.000 Menschen an den Demonstrationen beteiligt haben. Auf Videos war etwa zu sehen, wie Demonstranten aus Müllcontainern Barrikaden errichteten. Menschenmassen zogen durch die Straßen - auch in anderen Städten des Landes. In sozialen Netzwerken wurden immer wieder Szenen veröffentlicht, wie Polizisten brutal auf Menschen einprügelten. Aber auch Demonstranten attackierten Polizisten, um Festnahmen zu verhindern. Einige bewarfen die Einsatzkräfte mit Flaschen und Steinen. Es gab viele Bilder von blutüberströmten Menschen. Wie viele Bürger verletzt wurden, war zunächst nicht bekannt.
Einzelne örtliche Wahlkommissionen traten am Abend vor die Menschenmengen und verkündeten Ergebnisse, nach denen Staatschef Lukaschenko eine schwere Niederlage erlitten habe. Teils kam Tichanowskaja demnach auf 80 bis 90 Prozent der Stimmen.
In einzelnen Orten kam es auch zu ersten Siegesfeiern für die Oppositionskandidatin. Die Menschen riefen die Uniformierten auf, sich dem Wählerwillen zu beugen und dem Volk anzuschließen. In einzelnen Ortschaften habe die Polizei kaum Widerstand leisten können gegen die Menschenmengen, berichteten oppositionsnahe Portale im Internet, das landesweit zeitweise nicht funktionierte. Auch für Montag wird mit Protesten in Belarus gerechnet.
Update vom 9. August, 22.19 Uhr: Nach Ende der Präsidentenwahl in Belarus (Weißrussland) ist es am Sonntagabend in mehreren Städten des Landes zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen. Tausende Menschen versammelten sich auf zentralen Plätzen, um gegen Wahlfälschungen zu demonstrieren. In sozialen Netzwerken wurden Videos veröffentlicht, die etwa in der Hauptstadt Minsk zeigten, wie Polizisten auf Menschen einschlugen. Wiederum andere Passanten attackierten daraufhin die Sicherheitskräfte, um eine Festnahme zu verhindern. In Minsk setzten die Beamten Leuchtgranaten ein, um die Menschen zu vertreiben.
Den Videos zufolge waren allein in der Hauptstadt Minsk schätzungsweise 10 000 Menschen im Zentrum unterwegs. Autos hupten auf den Straßen. Die Sicherheitskräfte sperrten viele Metro-Stationen ab. Bürger berichteten, dass das Internet landesweit nicht funktionierte. Hundertschaften wurden am Präsidentenpalast zusammengezogen.
Die Polizei nahm viele Demonstranten fest. Eine genaue Zahl lag zunächst nicht vor. Die Menschenrechtsorganisation Wesna sprach am Abend von zunächst mehr als 50 Festnahmen. Es soll auch viele Verletzte gegeben haben. Videos auf Twitter zeigen dramatische Bilder.
Zuvor hatte Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja hat den offiziell verkündeten Sieg von Amtsinhaber Alexander Lukaschenko bei der Präsidentschaftswahl angezweifelt. „Ich glaube an das, was ich mit eigenen Augen sehe und ich sehe, dass die Mehrheit hinter uns steht“, sagte Tichanowskaja am Sonntagabend nach der Veröffentlichung einer offiziellen Prognose, wonach Lukaschenko die Wahl mit knapp 80 Prozent der Stimmen gewonnen hat. „Ich glaube, dass wir schon gewonnen haben, weil wir unsere Angst, unsere Apathie und unsere Gleichgültigkeit besiegt haben“, sagte Tichanowskaja.
Update vom 9. August, 19:32 Uhr: In Belarus ist die Wahlbeteiligung an der Präsidentenwahl höher als erwartet gewesen. Hunderte Bürger warteten noch vor den Wahllokalen, als diese schon keine Stimmzettel mehr ausgeben konnten. Inzwischen haben die Wahllokale geschlossen. Viele der rund 6,8 Millionen Wahlberechtigten konnten wegen des großen Andrangs bis 19 Uhr MESZ ihre Stimme nicht mehr abgeben. Wahlleiterin Lilija Jermoschina sagte am Abend, dass die Anzahl der Stimmzettel nicht ausreichte. Niemand habe mit so einer hohen Beteiligung gerechnet, betonte sie.
Die Staatsmedien sehen bereits einen hohen Wahlsieg für den regierenden Staatschefs Alexander Lukaschenko. Den sogenannten Exit Polls zufolge soll er 79 Prozent der Stimmen geholt haben, wie die Staatsagentur Belta am Abend meldete. Die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja soll demnach nur 6,8 Prozent der Stimmen zugesprochen bekommen.
Befragt wurden den Angaben nach mehr 12.000 Wahlberechtigte nach dem Urnengang. 30 Prozent von ihnen hätten keine Antwort geben wollen, hieß es. Unabhängigen Nachwahlbefragungen im Ausland zufolge soll Tichanowskaja 71 Prozent geholt haben, Lukaschenko erhielt demnach 10 Prozent. In Moskau kam es am Abend zu spontanen Protesten Hunderter Lukaschenko-Gegner. Sie riefen „Hau ab!“
Beobachter gehen davon aus, dass der langjährige Amtsinhaber Alexander Lukaschenko seine Wiederwahl für eine sechste Amtszeit sicherstellen wird. Beobachter und Oppositionelle dokumentierten massive Wahlmanipulationen. Internationale Beobachter sind zu der Abstimmung nicht zugelassen. Schon die vergangenen vier Urnengänge in der ehemaligen Sowjetrepublik wurden wegen Betrugs und Einschüchterungen von unabhängigen Beobachtern nicht anerkannt.
Experten gehen davon aus, dass Lukaschenko auch dieses Mal seinen Sieg mithilfe von Wahlfälschungen sichern wird. Zumal eine Rekordzahl von 41,7 Prozent der Wahlberechtigten nach Angaben der Wahlkommission von der Möglichkeit Gebrauch machten, schon Tage vorher ihre Stimmen abzugeben - und damit genügend Zeit für Manipulationen blieb. Die Opposition hat Proteste für den Abend gegen Wahlfälschung angekündigt.
Auch bei den belarussischen Botschaften im Ausland sammelten sich extrem viele Menschen. In der russischen Hauptstadt Moskau bildete sich eine Hunderte Meter lange Schlange vor der diplomatischen Vertretung.
Update vom 9. August, 17:28 Uhr: Bürger, Journalisten und Aktivisten beklagten am Wahltag in Belarus (Weißrussland) massive Probleme mit dem Internet. Vor allem viele regierungskritische Seiten waren in Belarus nicht abrufbar. Der Stab der Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja warnte vor einer kompletten Abschaltung des Netzes. Auf diese Weise wollten die Behörden organisierte Proteste verhindern. Insgesamt waren in dem Land zwischen Polen und Russland 6,8 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen. Zu Wahl standen noch drei weitere Kandidaten, die aber als chancenlos galten. Staatschef Alexander Lukaschenko hatte vor der Wahl Andeutungen gemacht, bei einer Wahlniederlage seine Macht mithilfe des Militärs zu erhalten.
Update vom 9. August, 17.12 Uhr: Die Präsidentschaftswahl in Belarus (Weißrussland) am Sonntag ist unter dem Eindruck beispielloser Fälschungsvorwürfe und massiver Polizeigewalt verlaufen. Es ist ein hoher Sieg, den Staatschef Alexander Lukaschenko, der die ehemalige Sowjetrepublik seit mehr als einem Vierteljahrhundert mit harter Hand regiert, erwartet. Vor den Wahllokalen bildeten sich jedoch Schlangen wie noch nie. Die politisch nur wenig erfahrene Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja (37) wurde bejubelt. Viele riefen „Sweta, Sweta!“
Lukaschenko gilt oft als „Europas letzter Diktator“, der noch immer die Todesstrafe vollstrecken lässt. Ruhig war es, um die Stimmabgabe des Präsidenten. Der 65-Jährige warf seinen Wahlzettel in kleinem Kreis an der Universität in der Hauptstadt Minsk ein. Vor der Wahl hatte er mit dem Einsatz der Armee gedroht, sollte jemand versuchen, ihm die Macht zu entreißen. Der Staatsagentur Belta zufolge sagte er: „Es kann keine Rede davon sein, dass mit dem morgigen Tag im Land Chaos und Bürgerkrieg ausbrechen. Es gerät nichts außer Kontrolle. Das garantiere ich.“
Scheinbar keine leere Drohung. Denn in sozialen Netzwerken wurden Videos von Militärfahrzeugen veröffentlicht, die an den Straßen nach Minsk Stellung bezogen. Auch am Wahltag kam es wieder zu zahlreichen Festnahmen, darunter ein Team des russischen Internet-Fernsehkanals Doschd. „Ich will, dass die Wahl ehrlich verläuft“, sagte Tichanowskaja bei der Stimmabgabe. Es gab Dutzende Videos von Manipulationen an den Stimmzetteln in den sozialen Netzwerken und Klagen von Bürgern über Verstöße.
Die Opposition bezweifelt, dass Lukaschenko in der Lage ist, eine Abstimmung ohne massive Fälschungen zu gewinnen. Seine Gegner haben deshalb friedliche Proteste angekündigt, die sich mehrere Tage hinziehen könnten. Tichanowskaja hat die Unterstützung von anderen nicht zur Wahl zugelassenen Oppositionskandidaten - nicht nur von ihrem Mann Sergej, einem regierungskritischen Blogger, auch vom früheren Banken-Chef Viktor Babariko. Beide sitzen in Haft wegen Anschuldigungen, die als politisch inszeniert gelten.
Kollegen und Mitstreiterinnen Tichanowskajas wurden ebenfalls in Gewahrsam genommen, darunter Maria Kolesnikowa von ihrem Wahlkampfstab. Sie kam nach kurzer Zeit am Samstag wieder frei. Schon im Wahlkampf waren Hunderte Menschen festgenommen worden. Wahlleiterin Lilija Jermoschina erklärte die Präsidentenwahl bereits gegen Mittag für gültig, nachdem die Mindestbeteiligung von 50 Prozent erreicht war. Gegen 16.00 Uhr (15.00 Uhr MESZ) wurde sie mit mehr als 73 Prozent angeben.
„Belarus hat noch nie einen solchen Zulauf an den Wahlurnen gesehen. Das ist Ausdruck für den starken Wunsch nach Veränderung“, sagte die Politologin Maryna Rakhlei der Deutschen Presse-Agentur. Es seien auch viele 40- bis 50-Jährige unter den Wählern gewesen, die erstmals überhaupt abgestimmt hätten. Rakhlei wertete das als Zeichen gegen Lukaschenko.
Update von 14.09 Uhr: Die ehemalige Sowjetrepublik Belarus (Weißrussland) hat am Sonntag unter dem Eindruck massiver Polizeigewalt einen neuen Präsidenten gewählt. Überschattet wird die Wahl von Protesten und Festnahmen. Der amtierende Staatschef Alexander Lukaschenko versicherte, alles sei unter Kontrolle. „Das Land wird morgen nicht ins Chaos oder einen Bürgerkrieg stürzen“, sagte Lukaschenko nach der Stimmabgabe in der Hauptstadt Minsk. „Das garantiere ich.“ Der 65-Jährige ist seit mehr als einem Vierteljahrhundert an der Macht.
Update von 12.37 Uhr: In angespannter Atmosphäre wählen die Menschen in Belarus ihren Präsidenten. Beobachter gehen von einem Sieg des langjährigen Amtsinhabers Alexander Lukaschenko aus. Doch fühlt er sich durch die 37-jährige Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja, die in den Wochen vor der Wahl massiv an Zustimmung gewonnen hatte, offenkundig unter Druck gesetzt. Am Sonntag erklärte Lukaschenko, er werde nicht die „Kontrolle über die Lage verlieren“. Internationale Beobachter sind zu der Abstimmung nicht zugelassen. Schon die vergangenen vier Urnengänge in der ehemaligen Sowjetrepublik wurden wegen Betrugs und Einschüchterungen von unabhängigen Beobachtern nicht anerkannt.
Schon vor dem Wahltag haben sich zahlreiche Menschenrechtler besorgt über ein mögliches brutales Vorgehen bei Protesten nach der Abstimmung geäußert. Das Recht auf friedliche Versammlungen und Proteste müsse sichergestellt werden, hieß es am Samstag in einem Aufruf, den unter anderem die Organisation Wesna und das Belarussische Helsinki-Komitee unterzeichneten.
Experten gehen davon aus, dass Lukaschenko auch dieses Mal seinen Sieg mit Hilfe von Wahlfälschungen sichern wird. Zumal eine Rekordzahl von 41,7 Prozent der Wahlberechtigen nach Angaben der Wahlkommission von der Möglichkeit Gebrauch machten, schon Tage vorher ihre Stimmen abzugeben - und damit genügend Zeit für Manipulationen blieb. Die Kandidatur von Tichanowskaja hat den 65-jährigen Amtsinhaber aber vor unerwartete Herausforderungen gestellt. Sie war angetreten, nachdem ihr Mann inhaftiert und von der Wahl ausgeschlossen wurde. Ihr Programm besteht vor allem aus zwei Punkten: Sie will neue, freie Wahlen ansetzen, an denen auch Kandidaten wie ihr Mann teilnehmen können, die inhaftiert oder nicht zugelassen wurden.
„Wir warten auf Veränderungen“, sagte eine 60-jährige Wählerin, die ihren Namen nicht nennen wollte. 26 Jahre Lukaschenko seien eine „sehr lange Zeit, wir brauchen frisches Blut“, sagte eine 33-jährige Geschäftsfrau und fügte hinzu: „Ich habe für Tichanowskaja gestimmt“. Obwohl die Behörden vor der Wahl massiv gegen die Opposition vorgingen, hatten Zehntausende an den Wahlkampfveranstaltungen der Oppositionskandidatin teilgenommen.
Menschen berichteten derweil von Problemen, auf die Internetseiten unabhängiger Medien zuzugreifen. Die Internetseite der unabhängigen Wahlbeobachtungsgruppe Tschestnie Lijudi war ebenso wie die Seite der Wahlkommission nicht erreichbar. Die Video-Plattform YouTube, verschlüsselte Messengerdienste wie Telegram und VPN-Verbindungen waren stark verlangsamt.
In einer Videobotschaft am Vorabend der Wahl rief Tichanowskaja ihre Anhänger auf, alles dafür zu tun, dass die Belarussen „in einem neuen Land aufwachen“. Um Wahlfälschungen zu erschweren, sollten sie unter anderem erst so spät wie möglich ihre Stimmen abgeben. „Wenn Ihr seht, dass wir gewonnen haben, dann feiert unseren Sieg“, sagte sie. Zuvor hatte sie angekündigt, ihre Anhänger nach dem Urnengang nicht zu Protesten aufzurufen.
Update vom 9. August, 8.20 Uhr: Die Wahl im autoritär geführten Belarus hat begonnen. Rund 6,8 Millionen Menschen können seit Sonntagmorgen um sieben Uhr MESZ in den knapp 5800 Wahllokalen im ganzen Land abstimmen. Für Staatschef Alexander Lukaschenko könnte die Wahl nach mehr als einem Vierteljahrhundert im Amt entscheidend werden, denn die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja entwickelte sich in den vergangenen Wochen zur Hoffnungsträgerin für Lukaschenko-Gegner. Es gibt noch drei weitere Kandidaten. Mit ersten Prognosen wird nach Schließung der Wahllokale um 19 Uhr MESZ gerechnet. Beobachter gingen schon im Vorfeld von Wahlfälschungen aus.
Lukaschenko gilt als „letzter Diktator Europas“ und ging in den Wochen vor der Wahl besonders hart gegen Kritiker und Aktivisten vor. Auch Kollegen und Mitstreiterinnen Tichanowskajas wurden kurzzeitig in Gewahrsam genommen, darunter auch Maria Kolesnikowa. Sie ist die Wahlleiterin des nicht zugelassenen Bewerbers Viktor Babariko, der auch im Gefängnis sitzt. Sie wurde aber wieder freigelassen.
Die 37-jährige Tichanowskaja soll sich in der Nacht vor der Wahl in der Hauptstadt in Sicherheit gebracht haben. Sie habe aus Schutz nicht in ihrer eigenen Wohnung übernachtet und sei bei Kollegen geblieben, wie ihr Wahlstab mitteilte. Zuvor hatte sie bereits ihre zwei Kinder ins Ausland gebracht. Ihr Mann, der bekannte Blogger Sergej Tichanowski, sitzt im Gefängnis. Sie war an seiner Stelle als Kandidatin für die Wahl registriert worden.
Erstmeldung vom 7. August: Minsk - Am Sonntag finden die Präsidentschaftswahlen in Belarus statt, bei denen sich Amtsinhaber Alexander Lukaschenko seine sechste Amtszeit in Folge sichern möchte. Der 65-Jährige, der seit 1994 Präsident seines Landes ist, hat nun im Vorfeld der Wahlen auf einen Konfrontationskurs mit Russland eingeschlagen. Der Auslöser dafür war die Festnahme von 33 mutmaßlichen russischen Söldnern am vergangenen Mittwoch.
In diesen Streit zwischen Russland und Belarus hat sich nun auch die Ukraine eingemischt. Wie der Spiegel berichtet, hat Außenminister Dimitrij Kuleba gegenüber Minsk die Auslieferung der festgenommenen Söldner an die Ukraine. 28 der festgenommenen Männer sollen nach Angaben der Behörde aufseiten der prorussischen Separatisten in der Ostukraine gekämpft haben. Wolodymyr Selenskyj, der Präsident der Ukraine, habe dafür bereits am Mittwoch mit Lukaschenko telefoniert und auf eine Auslieferung gedrängt. Lukaschenko bezeichnete den Vorfall am Donnerstag als „ernstes Problem“, das nicht politisiert werden sollte. Russland fordert derweil weiterhin die Freilassung der Männer.
Wie der Kreml bereits in der vergangenen Woche bekannt gab, seien die Männer lediglich auf der Durchreise gewesen und hatten keine Absicht in Belarus zu bleiben. Der Aufenthalt hätte nichts mit dem Land an sich zu tun, beteuerte Kreml-Sprecher Dimitrij Peskow am vergangenen Freitag. Die Söldner hatten demnach Flugtickets nach Istanbul bei sich und wollten in die Türkei weiterreisen.
Präsident Lukaschenko hatte diesen Schilderungen jedoch prompt widersprochen. „Es gab gar kein Istanbul“, sagte der 65-Jährige auf die Ausführungen des Kreml-Sprechers. „Es ist klar, dass diese Gruppe andere Ziele hatte“ und die Aufgabe sei es jetzt diese herauszufinden. Die Männer sollen nach Informationen der Behörden der privaten russischen Söldner-Gruppe Wagner angehören. Minsk wirft diesen vor, vor der Wahl am Sonntag Unruhe stiften zu wollen.
Beobachter schlossen jedoch nicht aus, dass es sich bei der Aktion um ein inszeniertes Wahlkampfmanöver von Lukaschenko handeln könnte, um seine Chancen zur Wiederwahl zu verbessern. In den vergangenen Wochen gab es immer wieder große Demonstrationen gegen den Präsidenten. (fd) *Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.
Eine Expertin bewertet die angespannte Lage in Belarus - und den Einfluss Russlands. Putin könnte Lukaschenko sogar fallen lassen, so ihre Einschätzung. Derweil gibt es in Deutschland überraschende Neuigkeiten zu Karl-Theodor zu Guttenberg. Kommt es nun zum Polit-Comeback?