Also die Tage waren top. So wie wir die Saison gespielt haben, so haben wir auch gefeiert. Wir haben uns bemerkbar gemacht. Ich sage mal so: Hätten wir ein Spiel da unten gehabt, dann hätten wir es gewonnen.
Also haben Sie nicht überlegt, ob Sie lieber zuhause bleiben sollten?
Nein. Die Jungs haben sich das verdient. Nach dem Auswärtsspiel beim Bahlinger SC (am 23. April, 3:2-Sieg, Anm. d. Red.), als der Klassenerhalt dann rechnerisch feststand, wurde die Fahrt noch im Bus fixgemacht.
Wie viel hat in dieser Saison gepasst?
Viel bis sehr viel. Natürlich hatten wir zwischendurch Spiele, die wir nicht hätten verlieren dürfen, aber verloren haben. Aber die gibt es und stehen der Mannschaft zu. Und die wird es auch in Zukunft geben. Das gehört auch zu einer Entwicklung.
Auffällig war: Gegen die Großen hat Ihre Mannschaft immer gut ausgesehen, die Ausreißer gab es eher gegen Teams von unten. Wird dieser Punkt im Fokus stehen?
Wir dürfen nicht den Fokus darauf setzen und dabei die andere Qualität vernachlässigen. Wir wollen jedes Spiel offen gestalten.
Mit Platz sieben haben Sie Erwartungen geschürt. Haben Sie Angst, dass das zu viel Druck erzeugt?
Dass wir Erwartungen geschürt haben, das wird so sein. Dafür kenne ich Kassel zu gut. Aber ich stelle mich diesen Erwartungen. Gleichzeitig mache ich keinem Spieler Druck. Wir wollen uns in der kommenden Saison weiterentwickeln. Aber klar: Wir wollen uns wieder verbessern, besser abschneiden als Platz sieben. Unser Anspruch ist, näher an die Spitzenmannschaften heranzukommen. Wir waren in diesem Jahr das beste Nicht-Profiteam. Alle über uns arbeiten unter Profi-Bedingungen. Bei uns arbeiten oder studieren 70 Prozent der Spieler.
Es gibt aber Beispiele, die zeigen, dass es nach einer guten Saison auch schnell wieder um den Klassenerhalt gehen kann.
Klar, es kann sein, dass du wieder unten reinrutschtst. Das geht in der Liga ganz schnell, haben wir zuletzt beim FSV Frankfurt gesehen. Klar ist: 90 Prozent der Spieler bleiben. Wir sind schnell zusammengewachsen nach dem Umbruch im vergangenen Sommer. Wir müssen die Neuzugänge, die es geben wird, integrieren. Wir gehen es professionell an. Aber ich kenne auch die Belastung, weiß, was die Jungs leisten.
Es wurde zuletzt von den Verantwortlichen geäußert, dass es in absehbarer Zeit um den Aufstieg gehen soll. Realistisch?
Wirtschaftlich ergibt das derzeit keinen Sinn. Dazu müssten wir erst mal alles auf Profitum umstellen. Dazu gehört dann auch, zweimal die Woche vormittags zu trainieren.
Blickt man auf die Zuschauerzahlen, dann wurden die guten Leistungen nicht wirklich honoriert. Sie haben das auch schon angesprochen. Ärgert Sie das?
Klar. Ich habe das damals während der Pressekonferenz gesagt, weil ich der Meinung bin, dass die Mannschaft mehr Unterstützung verdient hat. Weil sie gute Leistungen gezeigt hat. Ich will nicht sagen, dass das honoriert werden muss. Aber ich habe mir mehr gewünscht. Ich habe auf meine Aussagen damals viele Rückmeldungen bekommen. 98 Prozent waren positiv, zwei Prozent aber auch negativ. Da hieß es dann: Was sollen wir im Stadion, wenn ihr um Platz sieben oder acht spielt. Mit solchen Aussagen kann ich wenig anfangen. Man muss sehen, wo wir als Mannschaft herkommen. Und diese Saison war einfach ein Erfolg.
Auffällig ist auch: In Ihrer Mannschaft gibt es eigentlich durchweg vernünftige Charaktere, keine schwierigen Köpfe.
So lange ich hier Trainer bin, wird das auch immer so sein. Ich brauche keine Spieler, die einen Pfeil im Kopf haben. Ich brauche Spieler, die sich zu 100 Prozent mit dem Verein identifizieren und erfolgreich sein wollen.
Wie lange sind Sie denn noch hier Trainer? Man kann sich vorstellen, dass es nach so einem Jahr Angebote gibt.
Ja, die hat es gegeben. Ich muss jetzt erst einmal meine A-Lizenz machen. Da bekomme ich in den nächsten Tagen Bescheid, dauert ein halbes Jahr. Es gibt Präsenzphasen in Duisburg, einen Teil online, viel kann ich hier im Verein machen.
Also werden Sie Trainer des KSV bleiben?
Ja, das werde ich. Ich habe einen bis 2023 gültigen Vertrag. Und den werde ich auch erfüllen.
Sie haben gesagt, es werde Neuzugänge geben. Als Anforderungsprofil galt: Stürmer und Außenbahnspieler. Ist das noch so?
Definitiv. Wir wollen einen Spieler, der die gesamte linke Bahn bearbeiten kann, bestenfalls einen Linksfuß. Es gibt Gespräche, noch nichts Konkretes. Aber es wäre gut, wenn die beiden, die kommen sollen, beim Trainingsauftakt am 25. Juni da sind. Es sollen keine Spieler sein, die ihre Laufbahn ausklingen lassen wollen. Sie sollen erfolgshungrig sein, vielleicht Regionalliga- oder Drittligaerfahrung haben.
Mehr ist nicht geplant?
Nein. Außer es verlässt uns noch ein Spieler, der einen Vertrag hat.
Dafür müsste dann eine Ablöse gezahlt werden.
Ja.
Im vergangenen Jahr haben Sie an dieser Stelle gesagt: Der Umbruch ist zu groß. War er das?
Ja, daran halte ich fest. Er war zu groß. Aber wir sind gut damit umgegangen.
Auch Ihr Verdienst.
Das müssen andere beurteilen.
Hatten Sie einen schönsten und einen schlimmsten Moment der Spielzeit?
Die schönsten waren sicher Brian Schwechels Tor gegen Stuttgart in der Hinrunde kurz vor dem Abpfiff zum 3:2. Als Marco Dawid gegen Balingen zwei Tore erzielt hat. Da freut man sich als Trainer nach seiner langen Leidenszeit. Der 4:0-Sieg gegen Großaspach zuhause. Aber auch der Erfolg beim FSV Mainz II, als wir gerade keine gute Phase hatten. Der Derbysieg in Offenbach. Negativ war das Pokal-Aus gegen den FSV Frankfurt. Wir wollten unbedingt das Halbfinale zuhause gegen den OFC.
Und wie sehr freuen Sie sich jetzt schon auf Mallorca 2023?
Da warte ich erst mal die Saison ab und entscheide dann kurzfristig.
Tobias Damm (38) wurde in Homberg geboren und lebt heute dort. Für Mainz 05 kam er in der Bundesliga zum Einsatz. Seit 2010 ist er beim KSV Hessen. 2017 beendete er seine aktive Karriere und wurde Co-Trainer, seit Oktober 2019 ist er Cheftrainer. Damm ist verheiratet und hat zwei Kinder, eine Tochter (13) und einen Sohn (11).
Von Maximilian Bülau Und Torsten Kohlhaase