Plötzlich stehen sie ohne da

Plötzlich stehen sie ohne sportliche Führung da: Wenige Tage nach dem offiziellen Ausscheiden Steffen Friedrichs, offiziell Teammanager, aber auch wichtiger Ideengeber und Netzwerker im Hintergrund, zog sich nun überraschend auch Jörg Müller als Sportlicher Leiter beim Fußball-Regionalligisten KSV Hessen Kassel zurück. Überraschend vor allem deshalb, weil der 63-Jährige erst im April seinen Vertrag bei den Löwen verlängert hatte.
„Ja, es kam auch für mich überraschend“, sagt KSV-Vorstandsmitglied Jens Rose, der am Dienstagmorgen von Müllers Entscheidung erfahren hatte. Und wie begründet Müller selbst seinen Schritt? „Es hat sich zuletzt immer mehr abgezeichnet. Wenn das Gleichgewicht zwischen Unzufriedenheit und Spaß nicht mehr stimmt, dann ist es an der Zeit, die Reißleine zu ziehen. Wir haben in den vergangenen drei Jahren sehr viel auf die Beine gestellt, aber zuletzt hatte ich das Gefühl, dass mir in meinen Aufgaben- und Entscheidungbereich zu viel hineingeredet wurde. Deshalb habe ich die Konsequenzen gezogen“, erklärte Müller gestern.
Auch nach dem Rückzug des Sportlichen Leiters ist sich Rose sicher: „Wir sind mittlerweile gut aufgestellt und können mit solchen Situationen umgehen.“ Schnellen personellen Ersatz schließt Rose aus, ebenso eine professionelle Lösung von Außen. Denn: „Wir sind schon bei Marc Arnold oder nun bei Steffen Friedrich gut damit gefahren, jemanden von innen aufzubauen. So werden wir es wahrscheinlich wieder machen.“
Friedrich ist mittlerweile zu Agentur „Projekt b“ von Marc Kosicke gewechselt. Er galt beim KSV als derjenige mit tiefergehenden Beziehungen in den Fußball, war der, der neben Trainer Tobias Damm Kontakte zu potenziellen Neuzugängen von außerhalb aufbaute. Müller galt als derjenige, der eher die Jugend der Region auf dem Schirm hatte. Das war wichtig für die stark regional ausgerichteten Löwen, aber auch schon Gegenstand von Kritik an Müller.
Im Vorjahr hatte Trainer Damm nach zahlreichen Abgängen bei zunächst ausschließlich neuen Akteuren aus dem eigenen Nachwuchs und der Region Alarm geschlagen. Hinter den Kulissen gab es deshalb wohl auch Kritik. In gewisser Weise ist die Situation diesmal ähnlich. Der KSV hat mit dem Training begonnen, die beiden hochkarätigen Neuzugänge, die der Verein präsentieren will, sind aber nicht in Sicht. Das ist natürlich nicht allein Müller anzukreiden.
Wer findet nun die Spieler, der noch gefunden werden müssen? Rose sagt: „Wir haben ein funktionierendes Team. Wir stehen nicht unter Druck.“ Er weiß aber: Der KSV will attraktiver werden, näher an die Spitze heranrücken. Die beiden ausstehenden Transfers müssen also sportlich wie menschlich passen. Keine leichte Aufgabe.
Gelöst werden soll das im Team. Trainer Damm natürlich, Rose, Aufsichtsratchef Enno Gaede. Und sicher auch zwei Ex-Spieler: Michael Voss, der bereits als Teammanager die Arbeit aufgenommen hat. Und natürlich Ingmar Merle, der in bisher noch nicht näher definierte Vereinsarbeit eingebunden werden soll. Auch Thorsten Hirdes ist ein Name, der die Runde macht. Heute wollen sich die Verantwortlichen ein erstes Mal zusammenschalten.