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Der Experte erklärt, wann Sport förderlich oder sogar schädlich ist

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„Rauchen erhöht das Risiko für Herz- und Lungenerkrankungen stark. Es wirkt wie ein Brandbeschleuniger“: das sagt Dr. Henning Köhler. © Gina Eberhardt

Kardiologe Dr. Henning Köhler hat uns im Interview verraten, welcher Sport die Herzgesundheit fördert und wann Ausdauersport gefährlich werden kann.

Herr Köhler, was müssen Sportler beachten, die länger pausierten oder kaum Sport betrieben haben?

Wenn man älter als 40 Jahre ist, sollte man sich in jedem Fall untersuchen lassen, da ab diesem Alter die Risiken für Blutdruckerkrankungen, Diabetes oder Durchblutungsstörungen steigen. Es genügt ein Check beim Hausarzt. Gibt es bei dieser Untersuchung Auffälligkeiten, ist auf jeden Fall eine weitere Abklärung des Herzens durch einen Kardiologen nötig. Orthopädische Probleme müssen, falls vorhanden, durch einen Facharzt abgeklärt werden.

Wie viel Sport ist gesundheitsfördernd? Und kann ich sogar zu viel Sport ausüben?

Unter dem gesundheitlichen Aspekt ist für Menschen im mittleren bis fortgeschrittenen Alter moderater Ausdauersport wesentlich besser geeignet als Kraftsport oder Sportarten mit hoher Intensitätsbelastung. Da ist es egal, ob man läuft, walkt, schwimmt, Rad fährt oder Skilanglauf macht – Hauptsache man bewegt sich. Ausdauersport beugt Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor. Die Regelmäßigkeit ist am wichtigsten. Ich sage immer: Moderates Training ist wie ein Medikament. Das muss ich kontinuierlich einnehmen. Pausiere ich ein Vierteljahr, wirkt mein „Medikament“ nicht mehr.

Bei welchen Krankheitssymptomen sollte ich Sport auf jeden Fall vermeiden?

Bei Fieber gilt immer absolutes Sportverbot. Da sollte man auch nach Entfieberung mindestens vier Tage warten, bevor man leichten Sport wieder aufnimmt. Bei Husten oder Schnupfen sprechen wir überwiegend von Erkrankungen der oberen Atemwege. Sofern dann keine weiteren Symptome auftreten, kann man noch moderat Sport treiben. Auch hier sollte man aber intensivere Belastungen vermeiden.

Kann ich meine Genesung beschleunigen?

Nicht kausal. Gegen Virusinfektionen gibt es im Prinzip nichts, was man tun kann, wenn sie erst mal da sind. Das sehen wir ja momentan bei Covid-19. Gegen die Grippe gibt es da vorbeugend die Grippe-Impfung. Das empfehle ich jedem, der viel mit Menschen in Kontakt und älter als 50 bis 60 Jahre ist. Die Impfung ist einmal im Jahr fällig, da Grippeviren sich ständig verändern. Für die Erkältungszeit sollten Sportler aber auf jeden Fall folgendes Wissen: Die Empfänglichkeit für Infektionen wird durch intensive Belastungen massiv gesteigert; das Immunsystem ist dann am anfälligsten. Verspüre ich also schon ein Kratzen im Hals, sollte ich auf den Tempolauf besser verzichten und lieber einen lockeren Dauerlauf machen. Man hat das zum Beispiel anhand von Marathonläufern untersucht. Die Infektionsrate ist bei Trainingsbeginn gering und steigt mit wachsendem Trainingsumfang. Die Läufer, die den Marathon dann gelaufen sind, hatten unmittelbar nach dem Wettkampf ein hohes Infektionsrisiko, während die, die kurzfristig doch nicht liefen, seltener Infektionen hatten.

Ab welchem Alter sollte ich als Sportler gesundheitliche Vorsorgeuntersuchungen machen?

Ein generelles Alter gibt es nicht, man muss individuell entscheiden. Ein entscheidender Faktor ist die familiäre Vorbelastung. Gibt es in der Blutsverwandtschaft Fälle von Bluthochdruck, Schlaganfall, Herzinfarkt, Diabetes, dann gehöre ich zur Risikogruppe. Dann sollte ich mich trotz oder gerade wegen des regelmäßigen Sports untersuchen lassen. Als Mann ist man in der Regel früher gefährdet. Frauen betreffen Herzerkrankungen später: Solange Frauen noch ihre Regelblutung haben, können Östrogene vor Durchblutungsstörungen und Arterienverkalkungen schützen. Allgemein kann man aber sagen: Das Risiko steigt ab dem 50. Lebensjahr stetig an. Hinzu kommt natürlich der Lebensstil: Rauchen erhöht das Risiko für Herz- und Lungenerkrankungen zum Beispiel stark. Es wirkt wie ein Brandbeschleuniger, insbesondere bei Risikogruppen. Wichtig ist auch: Risikofaktoren addieren sich nicht, sie multiplizieren sich. Das Risiko wächst exponentiell an. Das höchste Risiko bietet aber die familiäre Vererbung.

In den Medien hört man immer wieder von Sportlern, die bei einem Wettkampf plötzlich tot umfallen. Was passiert da?

Der plötzliche Herztod bei Sportlern über 40 Jahren wird in der Regel durch Durchblutungsstörungen des Herzens, auch koronare Herzerkrankung genannt, ausgelöst. Regelmäßiger Ausdauersport schützt davor, einen plötzlichen Herztod zu erleiden, aber wenn er kommt, sind meist Höchstleistungen der Trigger. Die Belastung bringt dann in dem Fall das Fass zum überlaufen. Das nennt man auch das Sportparadoxon. Es passiert allerdings sehr selten. Aktuelle Zahlen sagen, dass 5 bis 8 Personen pro 100 000 Breitensportler pro Jahr einen plötzlichen Herztod erleiden. Deswegen sind auch nur gezielte individuelle Vorsorgeuntersuchungen nach Risikoabschätzung sinnvoll.

ZUR PERSON

Dr. med. Henning Köhler (59) ist leitender Oberarzt für Kardiologie und Sektionsleiter Angiologie im Klinikum Werra-Meißner. Nach seinem Examen in 1988 hat er seine internistische Ausbildung in Eschwege absolviert und 21 Jahre im Herz-Kreislauf-Zentrum Rotenburg gearbeitet. Seit 2017 ist er wieder im Klinikum Werra-Meißner tätig. Köhler ist begeisterter Rad- und Skifahrer.

Von Gina Eberhardt

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